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C. M. Wielands Werke.

Elfter Band.

Leipzig.G. J. Göschen'sche Verlagshandlung.1855.
Buchdruckerei der J. G Cotta'schen Buchhandlung in Stuttgart und Augsburg.

Poetische Werke.

Inhalt.

Das Wintermährchen. Nach einer Erzählung im ersten Theile
von Tausend und Einer Nacht . . . . . . . . . . 1
Das Sommermährchen. In zwei Theilen . . . . . . 55
Geron der Adelige. Eine Erzählung . . . . . . . 105
Clelia und Sinibald oder die Bevölkerung von 
Lampeduse. Ein Gedicht in zehn Büchern . . . . .153
Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

Das Wintermährchen.

Nach einer Erzählung im ersten Theile von Tausend und

Einer Nacht. 1776.

Prolog.

Mein Schwesterchen, sprach Dinarzade,
Wenn Ihr nicht schlaft (denn um den Schlaf wär's Schade!),
Erzählt uns doch, weil's noch so dunkel ist,
Der schönen Mährchen eins, die Ihr uns guten Seelen,
Die Alles freut, so lebhaft zu erzählen
Und sonderlich so gut zu dehnen wißt.
Des Sultans Hoheit hat die Gnade
Und hört Euch, zwischen Schlaf und Wachen, gerne zu:
Denn, was sein Herz dabei empfind't,
Wird seine Seelenruh
Nicht unterbrechen.
Schach Riar gähnt: Das will ich Euch versprechen!
Und seine junge Frau beginnt.

Das Wintermährchen.

Erster Theil.

Der Fischer und der Geist.
Ein guter alter Fischer stand
Frühmorgens einst am Meeresstrand;
Sein dünnes Haar, bereift mit Duft,
Weht in der kalten Morgenluft;
Er steht und blickt mit schwerem Sinn
Starr auf die grauen Wellen hin
Und wischt sich seufzend Stirn und Wangen.
"Du lieber Gott! die ganze Nacht
In Frost und Nässe durchgewacht,
Und keine Gräte noch gefangen!
Vier arme Kinder und mein Weib
Erwarten mein mit hungrigem Leib':
Ach! heim zu kommen mit leeren Händen,
Wird mir das Herz im Leib' umwenden!
Vier Kinder und keinen Bissen Brod!
Laß dich's erbarmen, lieber Gott!
Nur diesen einz'gen letzten Zug!
Auch wenig ist mir schon genug."
Er wirft sein Netz noch einmal aus
Und harret zwischen Angst und Hoffen;
Versucht's nun, zieht und zieht betroffen
Mit Müh die frohe Last heraus.
"Gottlob! das heiß' ich wohl beschwert!
Ist mir doch endlich ein Glück beschert!
Wie wird mein Weib mit unsern Kleinen
Vor Freude springen und lachend weinen,
Wenn Vater so reich nach Hause kehrt!"
So dankt er froh gen Himmel auf:
Doch bald folgt Ach und Weh darauf;
Denn, wie er's besieht, der arme Tropf,
So ist's — ein kahler Eselskopf,
Vermengt mit Rippen, Schlamm und Steinen.
Jetzt sinkt dem Alten Arm und Muth.
Da steht er auf der nassen Klippe,
Starrt vor sich hin in stiller Wuth,
Dann seufzend nieder aufs Gerippe,
Dann himmelwärts mit bitterm Blick,
Dann wieder auf sein Netz zurück.
Mittrauernd murmeln die Wellen empor,
Mittrauernd seufzt der Wind im Rohr.
Was stehst du da und ringst die Hände?
(So murmelt's ihm ins dumpfe Ohr)
Stürz dich hinein, so hat's ein Ende!
Indem so blitzt der erste Strahl
Der Sonne, wie in eine Höhle
Voll Nacht und Graun, in seine Seele.
Er fühlt den allbelebenden Strahl
Ihm fröhlich zücken durch alle Glieder;
Wie Nebel sinkt sein Kummer nieder;
Auf einmal glaubt und hofft er wieder
Und wäscht sein Netz zum dritten Mal'.
Er harret lange mit wechselndem Muth,
Die Augen geheftet auf die Flut;
Und nun versucht er's. Schwerer als nie
Däucht ihm das Netz. Er zieht mit Müh';
Erwartung spannt die hagern Wangen;
Er zieht's an Land, guckt voll Verlangen,
Doch Fische hat er nicht gefangen:
Nichts zeigt sich, als, von Rost geschwärzt,
Ein länglich rundes Gefäß von Erzt.
Er kann es kaum vom Boden heben.
"Ein Schatz, ein Schatz, bei meinem Leben!
Ein Schatz!" — und aus der schlaffen Hand
Fällt's ihm vor Freuden in den Sand.
Wär' auch am Ende nichts darin,
(Denkt er) trag' ich's zum Gießer hin,
So wird mir doch so viel Gewinn,
Auf sieben Tage Brod zu kaufen.
Er setzt sich hin, um zu verschnaufen,
Beguckt den Fund und sieht am Rand'
Ein großes Siegel aufgedrücket.
Dieß hebt er auf, doch unzerknicket,
Und setzt den Deckel in den Sand.
Er guckt hinein, er leert es aus;
Wo nichts ist, kommt auch nichts heraus.
Deß wundert ihn gar mächtiglich;
Was wird das werden? fragt er sich.
Auf einmal steigt ein schwarzer Rauch
Aus des Gefässes hohlem Bauch,
Verbreitet sich immer weiter umher,
Liegt wie ein Berg auf Land und Meer.
Der Tag erlischt, es donnert und stürmt,
Das Meer sich bis zum Himmel thürmt.
Der Fischer, mit kalter Angst erfüllt,
Steht leblos, wie ein steinern Bild.
Plötzlich folgt eine Todesstille.
Der Nebel überwälzt sich, ballt
Zusammen sich, gewinnt Gestalt,
Und aus der grauen Wolkenhülle,
Die links und rechts herunter wallt,
Streckt ungeheure Riesenglieder
Ein fürchterlicher Geist hernieder.
Aus seinem Fußtritt fahren Flammen,
Die Ufer zittern unter ihm.
Dem Fischer schlagen ungestüm
Vor Todesangst die Knie zusammen;
Er unterliegt der Gegenwart
Des Wesens einer höhern Art.
Da faßt der Genius ihn beim Arm.
Stracks wird's ums Herz ihm wieder warm,
Und Muth und Leben kehrt zurück.
Drauf spricht der Geist mit milderm Blick:
Du bist mein Retter! — Eblis ist
Mein Name. Sieben tausend Geister
Gehorchten mir als ihrem Meister,
Bis durch verdammte Hinterlist
Mich Salomon — nicht überwand —
Nein, dazu konnt' er mich nicht bringen!
Den Willen kann kein Gott bezwingen!
Selbst, als im Sturm mich seine Hand
In dieß verfluchte Erz verschlossen,
Fühlt' er noch meinen Widerstand!
Doch diesen Deckel aufzustoßen,
Den seines Siegels Allmacht schloß,
Vermocht' ich nicht. Ein Geisterstoß
Kann eine Welt zu Staub zerschmeißen,
Dieß Siegel nur kann nichts zerreißen.
Du schwaches Gefäß von Fleisch und Blut,
Du hobst es, oder durch deine Hände
Das Schicksal — gleich viel! — Fasse Muth!
Nun mach' ich deiner Noth ein Ende.
Dir ward auch übel mitgespielt;
Hast nie des Lebens Freuden gefühlt;
Komm', Alter, ich will dich glücklich machen,
Auf, folge mir!
Der Fischer steht
Betäubt von allen den Wundersamen;
Geht mit und weiß kaum, daß er geht;
Berg auf, Berg ab, durch Sumpf und Rohr,
Durch Dick und Dünn, über Feld und Moor
Trabt er und traut sich kaum zu schnaufen.
Und, als sie ziemlich weit gelaufen,
Langt müd' und matt der gute Mann
An einem See mit Eblis an;
An einem See, der, wie ein Spiegel,
Längs eines öden Thals sich streckt,
Auf jeder Seite von einem Hügel
Umgränzt, den Fichtenschatten deckt.
Der Fischer stutzt. Ich sollte doch
(So denkt er) diese Gegend kennen
Und sah in meinem Leben noch
Dieß Wasser nie, noch hört' ich's nennen.
Wie geht dieß zu? Gott steh mir bei!
Es ist doch wohl nicht Zauberei?
Der Geist las Alles, was er dacht',
Als ständ's ihm auf der Stirn gegraben;
Doch sprach er nichts, als dieß: Gib Acht!
Hier sollst du was zu fischen haben!
Präg' Ort und Weg den Sinnen ein!
Doch merk's: nur einmal jeden Morgen
Darfst du mit Fischen dich hier versorgen,
Sonst würdest du des Todes seyn!
So sprach mit einer Donnerstimme
Der Geisterkönig und verschwand.
Und lange noch bebt Meer und Land,
Und von den Hügeln hallt die Stimme
(Gleich einem Wasser, das mit Grimme
Stürzend von Fels zu Fels sich brach)
Dem längst verschwundnen Geiste nach.
"War das ein Traum? Wo bin ich? ruft
Der gute Mann und reibt die Stirne;
Gaukelt vielleicht im Morgenduft'
Ein Truggesicht mir ums Gehirne?
Doch dieser See, so tief und klar
Und wimmelnd voll der schönsten Fische!
Wie üppig sie scherzen! — O, fürwahr,
Die sollen auf unsers Sultans Tische
In goldner Schüssel herrlich stehn!
Nie sah ich Fische so groß und schön!"
Mit diesem Wort wirft er voll Freuden
Sein Netz hinein, hat seiner Leiden
Vergessen ganz, thut einen Zug,
Und, seht, vier große Fische zappeln!
Für dießmal, denkt er, sey's genug,
Bricht grüne Zweige von den Pappeln
Am Ufer, deckt den Zuber zu,
Und, reich wie ein Emir in seinem Sinn,
Steurt er mit Flügeln an jedem Schuh,
Zur hochgethürmten Hauptstadt hin.
Was ihn am meisten wundert und freut,
Ist seiner Fische buntes Kleid.
Gelb ist der eine, der andre blau,
Der dritte roth, und silbergrau
Der vierte; jeder vom Kopf zum Schwanz
Einfärbig, aber so fein von Glanz,
Als ob's das schönste Schmelzwerk wär.
Wo kommen all die Wunder her?
Doch, komm' das Glück, woher es will,
Nimm's an mit Dank und mausestill!
Der gute Fischer, ziemlich matt,
Hat nun erreicht die Königsstadt.
Er eilt nach Hofe dem Sultan zu;
Der hält im Divan — Morgenruh';
Und als der Divan zu Ende war,
Stellt er dem Herrn die Fische dar.
Der Sultan (wie alle große Geister)
Macht wenig draus; doch freut er sich
Im Herzen drüber kindelich
Und schickt sie stracks zum Küchenmeister;
Geruht auch gnädigst zu befehlen,
Dem Fischer alsbald auf dem Platz
Vierhundert Bahams aufzuzählen.
Vierhundert Bahams, welcher Schatz
Für einen armen nackten Fischer!
Denkt, ob er in seinem Leben frischer
Der Hütte zugetrabt seyn mag!
"Der Geist hat doch sein Wort gehalten,
Das nenn' ich einen guten Tag!"
Lassen wir nun den guten Alten,
Umringt von seinem häuslichen Chor,
An seinen vierhundert Bahamsd'or
Sich satt sehn, gegen die Sonne sie halten
Und zählen, wie viel er Bahams hätte,
Gäb's alle Morgen so eine Mette
Acht Tage nur — Wir müssen sehn,
Wie nun die Sachen bei Hofe gehn.
Der Großwessir, als erster Rath
In Küchensachen wohl beschlagen
Und überzeugt, in einem Staat
Sey immer das große Rad — der Magen,
Hatte mit eigner hoher Hand
Die Fische (die ihm sehr behagen,
Wiewohl er sie etwas theuer fand)
Dem ersten Mundkoch zugetragen
Und ihm, was sich dabei gebührt,
Mit allem Ernst zu Gemüth geführt.
Der Mundkoch keine Zeit verliert;
Er schuppt sie ab, leert ihnen die Bäuche,
Wäscht sie in Essig und rothem Wein,
Reibt sie mit Specereien ein,
Kurz, wartet aller heil'gen Gebräuche
Des Küchendienstes, wohl berühmt,
Wie einem Priester des Komus ziemt.
Schon war das doppelte Fischepaar
Auf einer Seite gebraten und gar;
Schon steht er mit der Gabel in Händen,
Sie in der Pfanne umzuwenden;
Da fährt ihm plötzlich ein kalter Schauer
Durch Mark und Bein; ein heller Glanz
Erfüllt die schwarzen Gewölbe ganz,
Und aus der unversehrten Mauer
Springt eine Dame, so schön und zart,
Als je die schönste von Feenart;
So majestätisch von Gestalt,
Im Auge solche Allgewalt!
Ein weißatlassnes Prachtgewand
Floß von den Hüften in leichten Falten;
Mit einem Gürtel von Diamant
Dicht an der Brust zusammen gehalten,
Und wie in goldnen Strömen wallten
Lichtgelbe Locken um einen Hals,
Den zu umhalsen allenfalls
Ein Schach vier Städte gegeben hätte;
Um ihren Busen hing eine Kette
Von Perlen, wie große Tropfen Thau,
Doch gegen den Schnee des Busens grau,
Und um die runden Arme wand
Sich ein rubinbesetztes Band.
Der Koch, der starr vor Wunder stand,
Wünscht sich von Gott zehntausend Augen,
Um alle die Schönheit einzusaugen.
Die Dame achtet seiner nicht,
Sie tritt voll Ernst zur Pfanne hin,
Schlägt dreimal auf die Fische drin
Mit einem Myrtenreis' und spricht:
Ihr Fische, thut ihr eure Pflicht?
Die Fische schwiegen und mucksten nicht.
Zum andern Mal die Dame spricht:
Fische, thut ihr eure Pflicht?
Die Fische schwiegen und mucksten nicht.
Zum dritten Mal die Dame spricht:
Fische, thut ihr eure Pflicht?
Da reckten die Fische die Köpf' empor
Und sangen alle in hellem Chor:
Der Pflicht vergessen
Wir Fische nie;
Haben viel Müh'
Und karg zu essen,
Baun spät und früh'
Uns luft'ge Schlösser,
Hätten's gern besser
Statt immer schlimmer,
Und rathen immer
Und treffen's nie.
Die Fische, da sie dieß gesungen,
Senkten die Köpfe und blieben stumm,
Die Dame stieß die Pfanne um,
Und durch die Wand, wo sie hervor gesprungen,
Verschwand sie wiederum.
Der Mundkoch steht versteinert da,
Glaubt kaum sich selber, was er sah,
Und fasset kaum noch so viel Muth,
Die Fische zu retten aus der Glut;
Doch, wie er sie mit der Gabel handelt,
Sind sie — o Wunder! — in Kohlen verwandelt.
Der arme Mann begann wie toll
Die Küche auf und ab zu laufen,
In seiner Verzweiflung bei Händenvoll
Die Haare sich aus dem Kopfe zu raufen!
"Was kann ich sagen, wer wird mir's glauben?
Des Sultans Grimm ist Löwengrimm;
Es ist kein Raisonniren mit ihm;
Er läßt mir den Hals zusammen schrauben!"
Indem erscheint der Großwesir,
Die Fische zur Tafel abzuholen,
Und findet, welche Ungebühr!
Statt einer leckern Schüssel — Kohlen.
Der Koch ihm weinend zu Fuße fällt,
Erzählt die ganze Wundergeschicht
So treu — es hätte seinem Bericht'
Ein Freigeist Glauben zugestellt!
Ich lese die Wahrheit in deinem Gesicht,
(Spricht der Wessir) doch um die Welt
Erzählt' ich sie dem Sultan nicht;
Er hielt's, bei Gott! für ein Gedicht.
Es können wohl seltsame Dinge geschehen,
Allein — man muß sie selber sehen.
Ich trag' ihm etwas Andres vor,
Das er nur hört mit halbem Ohr';
Und wenn er die Fische morgen kriegt,
Ist er für heute schon vergnügt.
Befehligt wird der Fischer gleich,
(Bei hoher Straf') im nämlichen Teich
Zum Frühmal für den nächsten Morgen
Vier andre Fische zu besorgen.
Dem Mann wird's eng' in seiner Haut:
Wie wenn ich den Ort nicht wieder fände?
Das nähme wohl gar ein klatrigs Ende!
Ein Narr, der einem Geiste traut!!"
So denkt er, und doch, sobald es graut,
Nimmt er sein Netz, trabt auf und nieder,
Durch Hecken und Büsche, durch Sumpf und Rohr,
Durch Dick und Dünn, über Feld und Moor,
Und findet See und Fische wieder;
Fängt ihrer vier, gelb, silbergrau
Und blau und roth, wie jene genau;
Kehrt um, trägt sie nach Hof, erhält
Vierhundert Bahams bares Geld
Und überläßt die weitre Gebühr
Dem Mundkoch' und dem Großwessir.
Um seiner Sache gewiß zu seyn,
Schließt dieser mit dem Koch sich ein.
Der Koch, dem solche Ehre nie
Geworden, erschöpft sein ganzes Genie,
Sein Amt an diesen Fischen heute
Pflichtmäßiger noch als jüngst zu thun.
Alles gelingt. Und wie sie nun
Gebraten sind auf einer Seite,
Kehrt er sie um. Im nämlichen Nu
Springt aus der Mauer am Kamine
Die schöne Dame von gestern herzu,
Mit ihrer majestätischen Miene,
In ihrem weißatlass'nen Gewand,
Vom Gürtel mit Edelsteinen gebunden,
Und ein rubinbesetztes Band
Um jeden runden Arm gewunden,
Und in der kleinen weißen Hand
Ein Myrtenreis. So tritt sie hin
Zur Pfanne, schlägt die Fische drin
Mit ihrem Myrtenreis' und spricht:
Fische, thut ihr eure Pflicht?
Und als sie die Worte zum dritten Mal
Gesprochen, reckten allzumal
Die Fische geduldig die Häupter empor
Und sangen alle in hellem Chor:
Der Pflicht vergessen
Wir Fische nie;
Haben viel Müh'
Und karg zu essen,
Baun spät und früh'
Uns luft'ge Schlösser,
Hätten's gern besser
Statt immer schlimmer
Und rathen immer
Und treffen's nie.
Die Fische, da sie dieß gesungen,
Senkten die Köpfe und blieben stumm.
Die Dame stieß die Pfanne um,
Und durch die Wand, der sie entsprungen,
Verschwand sie wiederum.
Nun, rief der Wessir, bei meinem Bart,
Das ist zu arg! wer darf gestehen,
Er habe so was mit Augen gesehen?
Was einem vor der Nase geschehen,
Nicht glauben dürfen, bei Gott, ist hart!
Und doch, gesehen ist gesehen!
Und käme die Philosophie
In eigner Person, mir vorzukrähen,
Ich hätte nichts gehört und gesehen,
Ich gäb' ihr, mit Respect! ein Knie
Vorn Hintern. Gleichwohl weiß ich schon,
Der Sultan, wenn wir's ihm berichten,
Glaubt uns kein einzig Wort davon,
Und ich verdenk' es ihm mit nichten.
Man glaubt so was sich selber kaum,
So sehr gleicht's einem Fiebertraum'.
Indeß die Anzeig muß geschehen;
Er mag dann kommen und selber sehen!
Der Sultan, ein kluger Herr — wie leicht
Zu glauben — rümpft die Stirne, streicht
Ungläubig seinen Knebelbart
Und spricht: Ich will es selber sehen!
Dem Fischer sogleich befohlen ward,
Stracks wieder nach dem See zu gehen.
Der bat sich, weil die Reise weit,
Nur vier und zwanzig Stunden Zeit;
Ging dann zum dritten Male, bevor
Der Morgen graute, hinaus zum Thor,
Berg auf, Berg ab, über Feld und Moor,
Durch Dick und Dünn, durch Sumpf und Rohr,
Sah voller Freuden, Alles steh'
Am alten Ort, kam an den See,
Warf aus sein Netz und fing euch wieder
Vier Fische, wie die vorigen, blau,
Und gelb und roth und silbergrau.
Traun! denkt er, der Genie ist bieder,
Ich hätt' es ihm nicht zugetraut!
Und kehrt mit seiner Beute wieder,
Und wohl ist ihm in seiner Haut!
Er trägt die Fische nach Hof, erhält
Vier hundert Bahams schönes Geld,
Hat nun zwölf hundert bar und ist
Ein reicher Mann zu dieser Frist.
Der Sultan beginnt, nicht ohne Grauen,
Die Fische an Rücken und Bauch beschauen,
Kopf, Floß und Schwanz examiniren
Und, ob sie reden können, probiren:
Wiewohl er am Ende nichts dran find't
Als eben, daß es Fische sind.
Und nun zu sehn, wie's weiter geht,
Schließt er sich ein mit dem Wessir,
Den Fischen und allem Kochgeräth,
Verriegelt eigenhändig die Thür,
Läßt Feuer auf dem Herde machen,
Stirbt vor Erwartung der Dinge schier
Und schwört beim Bel zu Babylon,
Er glaube nicht ein Wort davon.
Und nun gebt Acht! Der Großwessir,
Stets seines Herren Wink gewärtig,
Macht sich zum neuen Dienste fertig!
Bind't eine weiße Schürze für,
Geht frisch ans Werk, nach Küchenbrauch,
Schuppt ab die Fische, leert ihnen den Bauch,
Wäscht sie in Essig und rothem Wein,
Legt sie dann in die Pfanne fein,
Thut Oel und Salz und Pfeffer hinein,
Und was sich sonst hinein gebührt,
Setzt's auf die Glut, und bläst und schürt.
Der Sultan, erfreut die neuen Gaben
An seinem Diener entdeckt zu haben,
Spricht: Sag' ich nicht immer, ein großer Mann
Ist halt ein Mann — der Alles kann!
Wie nun die Fische ganz gelind'
Auf einer Seite gebraten sind,
Faßt der Wessir die goldne Kelle
Und kehrt sie um. Da springt zur Stelle
Ein Mohr in feuerfarbnem Gewand'
Anstatt der Dame aus der Wand.
Mit grünem Stab' in seiner Hand
Tritt er ergrimmt zur Pfanne hin,
Schlägt dreimal auf die Fische drin
Und trotzig mit donnernder Stimme spricht:
Fische, thut ihr eure Pflicht?
Die lassen sich nicht dreimal fragen,
Vermuthlich weil das Mohrengesicht
Sie etwas derb auf die Nasen geschlagen.
Sie recken die offnen Mäuler empor
Und singen Alle in hellem Chor
Von Wort zu Wort den alten Sang,
Der zweimal schon ums Ohr uns klang,
Schweigen dann wieder und bleiben stumm.
Der Neger stößt die Pfanne um,
Die Fische liegen schwarz wie Kohlen
Am Herd', und durch des Zimmers Wand
Hat, schneller als ihr eure Hand
Umkehrt, der Mohr sich weggestohlen.
"Nun, sagt' ich's Eurer Hoheit nicht? —
Den Mohren bei Seite, die gleiche Geschicht!
Die Dame, mit ihrem schönen, warmen,
Schneeweisen Busen und runden Armen,
That einem freilich in Augen besser,
Als dieser schwarze Kinderfresser;
Und doch am End' ist's einerlei,
Sind beide verschwunden, so ist's vorbei.
Der Sultan spricht: Was ich gesehen,
Scheint über die Möglichkeit zu gehen;
Es raubt mir alle Seelenruh',
Und, bis wir's aus dem Grund verstehen,
Schließ' ich, bei Gott! kein Auge zu.
  Er läßt sogleich den Fischer kommen:
"Es geht da mit den Fischen, die du
Uns brachtest, nicht ganz richtig zu;
Sag' an, wo hast sie hergenommen?"
Der Fischer spricht: Aus einem See
Dort hinter jenes Berges Höh',
Auf den ich mit dem Finger weise.
"Ich weiß in diesem ganzen Kreise
Zehn Meilen weit von keinem See,
Und doch sind's so viel Jahr' und Tage,
Daß ich in dieser Gegend jage.
Kennst du den See vielleicht, Wessir?"
Ich hörte nie in meinem Leben,
Daß es hier einen See gegeben.
"Sprich, Fischer, liegt er weit von hier?"
Drei Stunden, Herr König, höchstens vier.
"So führe mich dahin! — Wessir,
Sag's eilig allen meinen Leuten!
Der ganze Hof soll mich begleiten."
Der ganze Hof in kurzer Frist
Gestiefelt und beritten ist.
Ein hehrer Zug! Aus allen Straßen
Lief stromweis' alles Volk herbei,
Voll Neugier, was die Sache sey;
Sie gafften aus großen Augen, vergaßen
Essens und Trinkens, vergaßen des Schlafs,
Riethen und stritten, und Niemand traf's.
Fort geht der Zug; der Fischer voran:
Und als sie den Berg herab gekommen
Und jetzt vier Hügel vor sich sahn,
Die Niemand zuvor je wahrgenommen,
Und zwischen den Hügeln den großen See
Und in dem See die Menge von blauen,
Gelben, rothen und silbergrauen
Fischen; da däucht's der ganzen Schaar,
Sie guckten durch eine Zauberbrille;
Sie schrieen aus einem Munde: fürwahr,
Hier stehen einem die Sinne stille!
Der Sultan schwört den größten Schwur,
Bis er dem Wunder auf die Spur
Gekommen, nicht von dannen zu weichen,
Und sollten Jahre drüber verstreichen.
Stracks werden für den ganzen Hof
Am Ufer Zelte aufgeschlagen.
Zu allerseitigem Behagen
Stand bald auch eine Küche da.
Denn der Wessir — der, was geschah,
Weislich vorher im Geiste sah —
Hatte vor Allem für den Magen
(Sein großes Fac Totum) Sorge getragen.
Da komme mir (pflegt' er oft zu sagen)
Kein Doctor mit seinen Sprüchen daher
Und spreche was Andres! Bei leerem Magen
Sind alle Uebel doppelt schwer.
Als nun der Hof zwei Stunden vor Tag
In Wein und Schlaf begraben lag,
Berief der Sultan den Großwessir
Und sprach zu ihm: Vor allen Dingen
Nichts remonstrirt, Herr Großwessir!
Mein Schluß steht feste, die Wunder, die mir
Den Kopf verwüsten, ins Klare zu bringen,
Es mag nun wohl oder übel gelingen;
Ich geh' allein, und du bleibst hier.
Komm' ich nicht wieder in sieben Tagen,
So kehrt gelassen zur Stadt zurück.
Den Leuten, die etwa nach mir fragen,
Ist leicht was Scheinbars vorzusagen;
Bald hab' er Halsweh, bald Kolik,
Bald Podagra, bald Krampf im Magen.
Regiert im Uebrigen mir Glück!
Verschiebt, so viel ihr könnt, auf morgen;
Sorgt immer für den Augenblick,
Und Gott laßt für die Zukunft sorgen.
Nach diesem weisen Abschiedswort
Macht er sich auf die Füße, betet
Sein Morgengebet und wandert fort,
Bis sich der graue Himmel röthet;
Wandert mit unerschrocknem Sinn'
Am öden einsamen Ufer hin.
Traurig und still, wie eine Gruft,
Liegt Hügel, Thal und Hain umher;
Alles, sogar die freie Luft,
Wie vor der Schöpfung, wüst und leer!
So geht er wohl zwei Stunden lang;
Schier wird ihm vor dem Ausgang bang':
Als bei dem ersten Morgenstrahl,
Der hin am östlichen Himmel flimmert,
Ein Schloß von hell polirtem Stahl'
Ihm fernher in die Augen schimmert.
—————

Das Wintermährchen.

Zweiter Theil.

Der König der schwarzen Inseln.
Der Sultan, (fuhr Scheherezade
In ihrer Wundergeschichte fort)
Wie ihm an einem so öden Ort
Vom schönsten Palast die hohe Façade
Auf einmal in die Augen stach,
Voll Freuden zu sich selber sprach:
Nun werden wir bald, will's Gott, verstehen,
Was uns seit gestern den Kopf zerbrach;
Den See, den Niemand zuvor gesehen,
Die Fische gelb, roth, blau und grau,
Den Mohren und die schöne Frau,
Die aus der Wand hervor gesprungen,
Die armen Fische angebohrt,
Und was die Fische, halb geschmort,
Pflichtschuldigst in der Pfanne gesungen:
Unfehlbar liegt von Allem dem
In diesem Schlosse das Quamobrem.
Von solcher Hoffnung angeschüret,
Verdoppelt er die Schritte mit Hast.
Allein, je näher dem Zauberpalast,
Je stärker seine Hoheit spüret,
Daß etwas ihn bei der Kehle faßt;
Zumal da außen und innen, im Hofe
Und in den Hallen, um und um,
Alles so öd' ist, Alles so stumm,
Und nirgends weder Schranz noch Zofe,
Noch Katze noch Hund sich sehen läßt.
Kein Mäuschen schleicht, kein Käfer summt,
Kein Sperling zirpt, kein Hummel hummt.
Alles gestorben! sogar im Dache
Auch nicht ein armes Käuzchennest!
Dem Sultan je länger je mehr die Sache
Bedenklich wird. Doch geht er zu;
Sieht Königspracht an allen Enden,
Viel Gold verschmiert an Decken und Wänden,
Kurz, Alles köstlich und zum Verblenden,
Nur überall die tiefste Ruh'.
Er schleicht sich horchend hin und wieder,
Steigt Treppen auf, steigt Treppen nieder,
Ruft endlich laut, wohl siebenmal;
Umsonst, ihm schallt aus Gang und Saal
Stets seine eigne Stimme wieder.
Wie er nun endlich herunter steigt,
Ein Garten sich seinen Augen zeigt;
Der schönste Garten, den je die Feen
Gepflanzt, und Augen je gesehen;
Die Wege mit kleinen Perlen bestreut,
Die Luft ein Meer von Balsamwellen,
Und Blumen von jeder Monatszeit,
Und Myrtenwäldchen und Silberquellen,
Und grauenvolle Dunkelheit
Mal'risch versetzt mit lichten Stellen;
Bäume, mit Blüthen und Frucht beladen,
Teiche zum Fischen, Grotten zum Baden,
Lauben zum Schlummern — mit einem Wort',
Ein Gott erkieste sich solchen Ort
Zum Aufenthalt. Nur Eines fehlet:
Dieß Paradies ist unbeseelet.
Ueberall Fülle und Ueberfluß,
Nur nichts Lebendiges zum Genuß.
Kein Fischchen regt den stillen Teich,
Der Hain ist einem Grabmal gleich,
Kein Vogel singt aus Zweig noch Luft,
Kein Schmetterling saugt Lilienduft,
Kein Laubfrosch zwischen den Blumen hüpft,
Kein' Eidechs durch die Hecken schlüpft;
Was lebt, was Leben lügt sogar,
Verbannt aus diesem Garten war.
In dumpfem Sinnen ganz verloren
Irrt unser Sultan hin und her:
So (denkt er) hat mich noch nichts geschoren!
Und dennoch glaub' ich je länger je mehr,
Daß mir die Geister hier Esel bohren;
Daß aller dieser Schein nur trügt,
Und etwas unter der Decke liegt.
Indem er dieses Lied sich singt,
Ein Ton ihm in die Ohren dringt,
Dem Aechzen eines Menschen gleich,
Der langsam unter Todesqualen
Sein Leben verhaucht. Der Sultan gleich
Dem Tone nach! — In einem ovalen
Mit Quadern ausgemaurten Teich,
Den ringsum hohe Linden krönen,
Ragt fern' ein Dom von schwarzem Stein
Hervor; dort schien es her zu tönen.
Er eilt zum Teiche; das bange Stöhnen
Aechzt immer lauter durch den Hain.
Der Sultan leidet große Pein
Vor Eifer, zu sehen und zu retten;
Erblickt an einer goldnen Ketten
Am Ufer einen kleinen Kahn,
Setzt über, steigt die Stufen hinan,
Und durch die halb geöffnete Pforte
Stürzt er sich in den Dom hinein.
Da steht er — Aber wo nehm' ich Worte
Für sein Erstaunen? — Beim blassen Schein,
Der dieses weiten Grabes Nacht
Sichtbar und schauerlicher macht,
Sieht er auf einem reichen Thron
Den Schatten von einem Königssohn',
Auf seiner Stirne die Krone blitzend,
In einen Scharlachmantel gehüllt,
Die Augen mit starren Thränen erfüllt,
In regungloser Stellung sitzend;
So todtenfarb, so abgezehrt,
Als hätt' er sich seit vielen Jahren
Von Gram und Thränen bloß genährt
Begierig, von diesem wunderbaren
Geheimniß die Deutung zu erfahren,
Mitleiden und Hülf' im Angesicht,
Naht sich der Sultan ihm und spricht:
Vergib mir, wer du auch bist! dein Klagen
Drang mir zu Ohr. Vertraue mir
Die Ursach deiner Noth! und hier
Sieh mich das Aeußerste zu wagen
Für dich bereit!
"Welch ein Gesicht?
(Ruft jener, wie vom Blitz getroffen)
Welch eine Stimme, die mir zu hoffen
Befehlen darf? O, täusche mich nicht!
Bist du ein Gott?"
Der Sultan, betroffen
Von dieser Frage, fährt zurück
Betrachtet den Jüngling mit starrem Blick
Und spricht, indem er die breite Stirne
Sich reibt: Bin zwar ein Sterblicher nur
Und auch ein Slave vom Gestirne,
Wie du; doch Alles, was Visapur
Vermag, soweit es reicht, erbiet' ich
Zu deinem Dienste!
"Du bist sehr gütig,
(Erwiedert seufzend, mit schwachem Ton,
Der lebende Schatten auf dem Thron)
Geholfen kann mir nimmer werden!
Mein Elend ist so wunderlich,
So einzig in seiner Art auf Erden,
Daß ihm, ich glaub' es festiglich,
Noch nie ein ander Elend glich!
Unglücklich durch Alles, was ich fühle,
Unglücklicher noch durch das, was ich
Nicht fühle! fühle!"
Der Sultan denkt bei sich:
Dem müssen wahrlich die Wörterspiele
Geläufig seyn, der übel sich fühlt
Und noch mit Gegensätzen spielt!
Allein, da jener von Brust und Rücken
Den Mantel hebt, — Gott! welch ein Bild
Entblößt sich seinen starrenden Blicken! —
Welch kläglich Ecce-Homo-Bild! —
Sein Leib, bis an die Hüften enthüllt,
Ist, wie von tausend Schlangenbissen,
Von Geißeln jämmerlich zerrissen,
Von Striemen geschwollen und ganz in Blut!
Ein Anblick, eines Teufels Wuth
In Thränen zu schmelzen! —
Der Sultan bedeckt
Sich schauernd die Augen mit beiden Händen.
Gott! (ruft er) und solch ein Anblick weckt
Nicht deinen Donner?
Der Jüngling spricht:
"Noch siehest du das Aergste nicht!"
Hebt nun auch von den bedeckten Lenden
Den Mantel auf. "Da schaue her!
So hat die Liebe mich mißhandelt!"
Der Sultan, mit Augen von Thränen schwer,
Schaut hin: — "Was seh' ich? In Stein verwandelt!
Verwandelt in schwarzen Marmorstein!
Nein, das muß wahrlich ein Blendwerk seyn!"
Und er betastet's. — "Gott! deine Gerichte!
Ist's möglich? — Was für arme Wichte
Wir Menschen sind! — Denn, könnte das mir
Nicht eben so wohl begegnen, als dir?
Doch gut! wenn wir das Aergste wissen,
Folgt doch nichts Aergers! Fasse Muth!
Daß Geister hier im Spiel seyn müssen,
Ist klar, auch ohne was Nähers zu wissen:
Doch meinen letzten Tropfen Blut
Weih' ich hiermit, dein Elend zu wenden,
Wo nicht, mein Leben mit dir zu enden."
Mit Thränen und hoch gefalteten Händen
Dankt ihm der Jüngling seine Huld!
"Du siehst, es ist nicht meine Schuld,
(Spricht er) daß deine Knie zu umfassen
Gezwungen bin zu unterlassen!"
Traulich Gespräch nunmehr begann.
Der Sultan erzählt dem jungen Mann,
Was mit den Fischen vorgegangen,
Und wie ein unbezwinglich Verlangen
Ihn hergeführt an diesen Ort,
Um über dieß Wunder Licht zu empfangen.
Vermuthlich wird es (fuhr er fort)
Mit Eurer Geschichte zusammenhangen.
Doch ist's jetzt mehr, als Neubegier,
Es ist zu Eurem Nutzen und Frommen,
Was mich zu fragen zwingt, wie Ihr
In diesen kläglichen Stand gekommen?
Der Jüngling, nachdem er ihn ersucht,
Sich auf den Sopha niederzulassen,
Beginnt tief seufzend folgender Maßen:
"Was uns von jeher zum Bösen versucht,
Von jeher unsre Ruh vergiftet
und alles Uebel angestiftet,
Wozu ein Gott die Erde verflucht;
Der holde Unhold, die Schlange der Schlangen,
In deren Zauberknoten wir
Uns ewig wider Willen fangen;
Der ewige Abgott unsrer Begier,
Der ewige Teufel, der uns peinigt,
Mit einem Worte, das Himmel und Hölle
In vier unselige Töne vereinigt,
Ein Weib — ist meines Jammers Quelle.
"Mein Nam' ist Uzim-Oschantey:
Und eh' ich noch das Licht gesehen,
Begabten mich drei gute Feen
Mit Zärtlichkeit, Geduld und Treu.
Wer hätt' in diesem Geschenk der Feen
Verborgnes Gift voraus gesehen?
Wer dachte, mein Schicksal würde seyn,
Vom Morgen bis zum Sternenschein
Dem Himmel Klagen vorzuwinseln?
"Ich war der König der schwarzen Inseln,
Und dieser See, um den sie sich itzt,
Verwandelt in vier Hügel, winden,
War einst mein königlicher Sitz.
"Kaum nahm ich von meinem Thron Besitz,
So eilt' ich, (leider! für meine Sünden)
Das schönste Weib mir zu verbinden;
Ein Weib, (so dacht' ich im Rausch der Lust)
Worin die Liebe sich selbst gebildet!
"Wie glücklich ich war! wie übergüldet
Mir Alles schien! — An ihrer Brust
Lag ich im Himmel, in ihren Küssen
Schwamm meine Seele in Wonneflüssen;
So hatte sich die Zauberin
Bemächtigt von Allem, was ich bin!
Ich lebte nur von ihren Blicken.
Fünf Jahre flossen so dahin,
Fünf einzelne Tage in meinem Sinn,
Gewebt aus ewigem Entzücken.
"Wem fällt des Himmels Einsturz ein?
Ich liebte, glaubte, geliebt zu seyn,
Und meinte so müßt' es ewig währen!
O Götter! warum mußtet ihr
Mich jemals eines Bessern belehren?
Warum mißgönntet ihr Glückliche mir,
Mit einem Irrthum mich zu nähren?
"Mein Schicksal wollt's! wer kann ihm wehren?
Einst, da ich — es war ein warmer Tag,
Der heißeste Tag in meinem Leben!
Leicht träumendem Schlummer hingegeben,
Im Garten auf einem Sopha lag;
Zwei Mägde der Königin, die eben
Vorüber schlenderten, hatten's gesehn
Und sachte sich herzu begeben,
Mir Luft mit Blumen zuzuwehn;
Sie setzten dazu sich auf die Knie
Und glaubten, ich schliefe. — Da hört' ich sie
Mit leiser Stimme zusammen flüstern:
"Wie reizend unser Sultan ist!
Wie schön er liegt! Bald würd' eins lüstern!
Wer Königin wär'!" — Ich sehe, du bist
Nicht wohl berichtet, sagte die zweite,
Fürsten sind nicht, wie andre Leute.
Wer dächte, so jung und wohlgemacht
Der König ist, daß Nacht für Nacht
Ein Andrer sich mit ihr erfreute?
"Was sagst du? Wie ginge das wohl zu?"
Sie reicht ihm, so oft sie sich zur Ruh
Begeben, in einer goldnen Tasse
Frisch Wasser (glaubt er) rein und hell,
Ich weiß nicht, aus welchem Wunderquell,
Auf den sich's herrlich schlafen lasse.
Nur gar zu herrlich! Der gute Mann
Denkt wenig in seiner Unschuld dran,
Es sey ein Trank, der während der Nacht
Sie sicher bei ihrem Buhlen macht.
"Wie mir hierbei zu Muthe gewesen,
Ist — was ich nicht beschreiben mag
Noch kann; denn Himmel und Erde lag
Mir auf dem Herzen: mein ganzes Wesen
Schien sich im Innersten aufzulösen.
Und gleichwohl hatt' ich noch die Kraft,
Den Todeskampf der Leidenschaft
Vor fremden Zeugen zu verhehlen;
Ich that, als schlief ich ungestört,
Und ließ, erwacht, die guten Seelen
Im Wahn', ich hätte nichts gehört.
"Kaum sah ich wieder mich allein,
So drang ich in den dicksten Hain;
Die ganze Natur stand schwarz vor mir,
Mir brachen die Knie im Gehen schier;
Ich sank an einen Felsenbach
Und sann in dumpfer Betäubung nach.
Es ist unmöglich, rief ich endlich;
Es kann nicht seyn! 's ist gar zu schändlich!
Zu ungeheuer! — Und dennoch — Gut!
Die Nacht wird sich erleben lassen!
Ich werde sehen, was sie thut,
Und bis dahin will ich mich fassen.
"Sie kam, mir allzu träge, die Nacht.
Wir speisten allein. Wie voller Reize
Sie war! Mit welchem verschlingenden Geize
Ich an ihr hing! die ganze Macht
Der Liebe in ihren Augen empfand!
Mit jedem Blick sie unschuldiger fand!
Wie unter ihrem süßen Geschwätze
Aller Verdacht so ganz verschwand!
So ganz, daß, wie sie zu guter Letze
Den goldnen Becher mir bot, ich fast
Den Schluß vergaß, den ich gefaßt.
Besann mich doch, erhaschte mit Glück
Am Fenster stehend den Augenblick,
Des Tranks, den ich zum Schein genommen,
Unbemerkt wieder los zu kommen;
Gab ruhig ihr dann den Becher zurück,
Und wir verfügten uns zu Bette.
"Kaum glaubte die Betrügerin,
Daß mich der Schlaf gefesselt hätte,
So stand sie auf. Der Vollmond schien
Durchs goldne Gitter tief ins Zimmer.
Sie bückte lauschend sich über mich hin,
Und; Schlaf, sprach sie, und möchtest du nimmer
Erwachen! warf mit eilender Hand
Um ihre Schultern ein leichtes Gewand
Und schlich davon.
"Kaum war sie entwichen,
Ich auf, als trieb mich ein Wespenschwarm,
Fahr' in den Kaftan, untern Arm
Den Säbel, und komm' ihr nachgeschlichen.
Sie flog im Garten schon weit voran,
Der Liebe Schwingen an ihren Sohlen:
Ich Armer schlich auf glühenden Kohlen,
Schmiegte mich an die Hecken hinan,
Wagt's nur mit Blicken sie einzuholen.
Sie taucht' oft unter, kam wieder hervor,
Bis ich sie ganz aus den Augen verlor.
Ich suchte sie lange durch Lauben und Säle,
In Büschen und Grotten, am Wasserfall',
Im Rosenwäldchen und überall.
Da hört' ich — noch klingt's in meiner Seele —
Im Dunkeln eine Nachtigall.
Sie klagte, mit so geschmeidiger Kehle,
Mit so gefühlvoll wachsendem Schall,
Dann mit so sanft hinsterbendem Fall,
So rührend! — mir ward dabei ganz bange!
Ich hätte weinen mögen, allein
Ich konnte nicht, so hing wie Stein
Das Herz im Busen mir. — Nicht lange,
So klang aus dem Gebüsch' hervor
Der Königin Stimme mir ins Ohr.
"Behutsam schleich' ich bis zur Nähe
Von fünfzehn Schritten hinzu und sehe
Und sehe — Herr Sultan, rathet was? —
An einem Rosenbusch' im Gras
Die Schnöde, die dem häßlichsten Mohren,
Den je der Gambia geboren,
Vertraulich kosend im Schoße saß;
Sah, wie sie sich selbst bei ihm vergaß;
Sah ihn mit ihren Locken spielen,
In ihres Busens Fülle wühlen —
Sah nichts mehr! mir verging das Gesicht,
Der Mond verschwand mit seinem Licht;
Doch hört' ich durch die unendliche Nacht
Zu meiner Qual die süßen Töne
Der allbezaubernden Sirene.
"Er hatt' ihr, schien's, den Vorwurf gemacht,
Sie lieb' ihn nicht — das Ungeheuer!
Und kannst du (sprach sie, mit einem Ton!
Mir selbst zerschmolzen die Nieren davon)
Ein Herz, das sich in ewigem Feuer
Für dich verzehrt — ein Herz, das nur
Für dich lebt, in der ganzen Natur
Nichts sieht, als dich, von dir getrennt
Nicht eine einzige Freude kennt —
Nur dann mit Wonne sich überfüllt,
Wenn's wieder an deinem Busen schwillt —
Du, dem's allmächtig in jeder Fiber
Erklingen muß, daß du mir lieber
Als Alles bist! — kannst du mit Klagen
Und Zweifeln so ein Herz zernagen?
Tyrann, was thu' ich nicht für dich?
Was kann ich mehr thun? Rede, sprich!
Schau' um zur Rechten und zur Linken,
Dein Wille ist Gesetz für mich!
Soll plötzlich unter Donner und Blitz
Hier dieser alte Königssitz
Vor deinen Augen in Trümmer sinken?
Soll ich den Mond herunterwinken,
Verwandeln der ganzen Erde Gestalt,
Dich, mich, mit aller Könige Schätzen,
Stracks auf des Atlas Spitze versetzen?
Befiehl! du kennest meine Gewalt!
"Hier konnt' ich mich nicht länger halten;
Ich mußte bersten auf dem Platz'
Oder dem Unhold den Kopf zerspalten,
Der diesen ganzen unendlichen Schatz
Von Liebe, ihr Herz, mir weggestohlen.
Ihr Schrecken (wer hätte mich hier geglaubt?)
Ließ mir den Augenblick, aufzuholen;
Und plötzlich mit gespaltetem Haupt
Sank der Verräther zu ihren Füßen.
Flieh, rief ich mit wildem Ungestüm,
Rette dich eilends vor meinem Grimm,
Laß diesen allein für beide büßen!
"Sie schoß nur einen Blick auf mich;
Doch der entnervte mir alle Glieder.
Dann warf sie in Verzweiflung sich
Bei ihrem sterbenden Buhlen nieder.
Bald brüllte sie laut, daß ihr Geschrei
Ringsum die Hügel und Thäler füllte;
Bald wieder mit aller Schwärmerei
Der Liebe sank sie auf ihn, verhüllte
In ihrem Busen sein Todesgesicht,
Drückt's an ihr Herz mit ängstlichem Stöhnen,
Wusch es mit Strömen von heißen Thränen,
Rief ihm — (vergebens! er hörte sie nicht)—
Mit allen den süßen vertraulichen Namen,
Die je aus den Lippen der Liebe kamen;
Und wenn sie dann sah, er hörte sie nicht,
Stürmte sie wüthend in ihre Locken,
Zerkratzte, zerfleischte sich Wangen und Brust
Und schwor, daß sich der Mond erschrocken
In Wolken verbarg, der Rache Lust
Am Räuber von einem so theuren Leben
Sich bis zur Sättigung zu geben!
"Dieß Alles mußt' ich hören und sehn
Und konnte nicht von der Stelle gehn;
Bezaubert stand ich, ohne Vermögen,
Am ganzen Leib' ein Glied zu regen,
Schafft ihn hinweg aus meinem Gesicht
(Schrie sie mit Wuth zu unsichtbaren
Geistern, die ihre Diener waren)
Und hütet sein bis zum Gericht!
"Stracks fühlt' ich von ungesehenen Händen
Mich aufgehoben und weggebracht.
In eines finstern Kerkers Wänden
Verseufzt' ich den Rest der schrecklichsten Nacht.
Könnt einer durch Wünsche sein Leben enden,
Ich hätte mich selber umgebracht!
"Des folgenden Tages rief sie mich
Aus meinem Kerker. Ich sah sie mit Schauer
Von Fuß zu Kopf in tiefster Trauer.
Ihr Anblick gab mir einen Stich
Ins Herz. Ich mußte, sollte sie hassen,
Und doch! — so rührend, so mächtig schön
Stand sie vor mir, ich konnte nicht lassen,
Sie mit Entzücken anzusehn.
Allein in ihren Augen rollte
Der Rache Wuth, ein loderndes Roth
Brannt' auf den Wangen. — Du (rief sie) todt?
Für meine Liebe auf ewig todt!
Und hier hier, wo ich schmachte, sollte
Noch etwas leben, noch einer sich freun?
Sich freun, Geliebter, an deinem Grabe
Und meines Elends spotten? — Nein,
Ringsum soll Alles elend seyn!
Und du, dem ich's zu danken habe,
Verhaßter, dich vertilg' ich nicht!
In Martern sollst du als eine Gabe
Den Tod von mir erwinseln und nicht
Empfangen! —
"Indem sie dieses spricht,
Schlägt sie mit ihrem Zauberstabe
Dreimal den Boden, — und plötzliche Nacht
Verschlingt den Tag, die Erde kracht,
Es rollen Donner in den Lüften,
Und Flammen fahren aus gähnenden Klüften!
Ich steh betäubt, des Zaubers Macht
Stürzt auf mich ein, mir starren die Glieder,
Und bei der Sinne Wiederkehr
Find' ich, o Schrecken! nur halb mich wieder;
Find' Alles verödet weit umher
Und meine Königsstadt nicht mehr,
Um deren Gunst die Inseln im Meer'
Und Schiffe von fernen Ufern warben;
An ihrer Stätte ein wallender See,
Und ihre Bewohner, wie Flocken Schnee
Unzählbar, in Fische von allerlei Farben
Verwandelt; die Moslems silbergrau,
Die Juden gelb, die Christen blau,
Und roth die Heiden. — Welch ein Fall!
Von welchem Glück! in so wenig Stunden!
Alles als wie ein Traum verschwunden!
"Und doch war dieß von meiner Noth
Das Bitterste nicht! Was Aergers, als Tod,
Erwartete mein in diesem Grabe,
Wo ich, von aller Hülfe bloß,
In Leiden, zum Ertragen zu groß,
So lange schon geschmachtet habe;
So lange, daß die Tage zu zählen
Mir Zahlen und Gedächtniß fehlen!
An jedem Morgen — kann solche Wuth
In einem so holden Busen brennen? —
Kommt sie, mich grausam bis aufs Blut
Zu geißeln mit unerbittlicher Wuth,
Bis ihre Arme nicht mehr können.
Vergebens schrei' ich zum Himmel empor,
Vergebens fleh' ich ihr mit Thränen;
Mein Winseln, mein erschöpftes Stöhnen
Ergetzt ihr rachedurstiges Ohr."
Hier brach dem König die Stimm'; er weinte
Als wie ein Kind, und mit ihm weinte
Der gute Sultan bitterlich.
Und als sie des Weinens müde waren,
Da fuhr der Sultan auf und schwur
In seinem Grimme, beim Gott der Schaaren,
Noch einmal seinen großen Schwur:
Nicht Nasses und Trocknes von dieser Stund
Jemals zu bringen in den Mund,
Zu schlafen in keinem Federbette,
Nimmer zu waschen sein Angesicht
Und Frauenliebe zu pflegen nicht,
Noch je zu weichen von der Stätte
So lange, bis er das Lebenslicht
Der Zauberin ausgeblasen hätte!
"Sagt mir nur, wo ich sie finden kann,
Für alles Uebrige bin ich Mann!" —
"Um ewig ihren Gram zu nähren,
Schuf sie in einem finstern Wald
Sich einen traurigen Aufenthalt;
Sie nennt ihn den Palast der Zähren.
Dort liegt ihr Buhle — in armer Gestalt;
Kann weder sterben, weder leben,
Denn ihres mächtigsten Zaubers Gewalt
Erhält in ewig zitterndem Schweben
Den Aermsten zwischen Tod und Leben.
Er liegt sich selber unbewußt,
Mit offnen Augen, die nicht sehen,
Fühlt nicht ihr Herz an seiner Brust,
Hört nicht ihr ängstlich liebendes Flehen
Um einen Seufzer, um einen Blick,
Der, daß er sie noch lieb', ihr sage!
Stündlich kommt sie bei Nacht und Tage,
Zu sehn, ob nicht das strenge Geschick
Sich endlich ihrer Noth erbarme:
Und wenn sie sich, wie's immer geschieht,
Betrogen in ihrer Hoffnung sieht,
Erhebt sie so traurige Klagen, die Arme! —"
Wie? (ruft der Sultan) ich glaube schier,
Ihr habt noch gar Mitleiden mit ihr?
Das fehlte! — Mich soll sie nicht bethören!
Lebt wohl inzwischen, guter Schach,
Ihr sollt bald wieder von mir hören!
Der König schreit umsonst ihm nach.
Wir müssen dem Ding' ein Ende machen,
Ruft jener zurück, springt in den Nachen,
Setzt über, läuft und findet bald
Am Gartenende den finstern Wald,
Im Walde den Palast der Zähren
Sammt allen seinen Zubehören,
Erleuchtet mit Kerzen von gelbem Wachs',
Und über ihrem langweiligen Mohren
Die Dame, in Liebesschmerzen verloren.
Mit bloßem Säbel eilt er stracks
(Ohne sich, gleich dem zärtlichen Laffen
Von Ehgemahl an ihrem schlaffen
Busen, an ihren Haaren von Flachs
Und Augen von Mondschein zu vergaffen)
Wie ein Donnerwetter auf sie zu,
Und, eh sie sich umsieht, in einem Nu,
Zischt ihr der Säbel um die Ohren,
Und schließt mit einem Streich dem Mohren
Und seiner Getreuen — die Augen zu.
Siegreich, mit beiden Köpfen in Händen
Und sicher, er hab' es gut gemacht,
Der Zauberin Tod müss' Alles enden,
Kehrt nun mein Sultan ohn' allen Verdacht
Zum Dom zurück. Herr Bruder, Freude!
Ruft er und hält die Köpf' empor,
Wir sind geborgen! da bring' ich beide!
Nun stellt euch sein Erstaunen vor,
Da er den Schach, statt Gegenfreude
Und Jubel und Dank, mit einem Schrei,
Als ob nun Alles verloren sey,
In Ohnmacht fallen sieht. — Je länger
Je besser! — ruft er zornig aus:
Was hat nun wieder der Rattenfänger?
Ist's wieder nicht recht? — Ich bleibe zu Haus
Ein ander Mal! Der Teufel mische
Sich mehr in Lieb' und Zauberei
Und hole meinetwegen die Fische,
Den See und diesen Kerl von Brei
Mit seinen schwarzen Marmorspindeln!
Bei meinem Säbel! ein Kind in Windeln
Machte mir minder Plauderei
Als dieser Uzim-Oschantey!
Der gute Schach, der sich indessen
Erholt hat, fängt nun erst fürbaß
Zu jammern an: "Nun ist das Maß
Des Elends voll! Das Beste vergessen
Habt Ihr! Was helfen die Köpfe mir?
Ich bleib: Marmor für und für!
Der See bleibt See, die Fische — Fische,
Und weder Urgande noch Fanferluche
Kann helfen! die Königin konnt's allein,
Und die ist todt! Ach! ihr Erblassen
Raubt mir den letzten Hoffnungsschein.
Wer weiß? — Sie hatte kein Herz von Stein —
Sie hätte sich endlich erweichen lassen.
Nun ist sie hin, auf immer hin,
Dank Eurer allzu raschen Hitze!
Was ist mir Eure Hülfe nun nütze?
Ich bleib' auf ewig, wie ich bin."
Der Sultan, so sehr bei diesen Klagen
Die Gall' ihm stieg, fand doch in sich,
Er hätte nicht viel darauf zu sagen.
Herr Bruder, sprach er, Ihr dauert mich!
Ich dachte, wie herrlich gut ich's mache!
Mein Wille war's; allein es scheint,
Ihr habt im Himmel keinen Freund!
Der Ausgang ist nicht meine Sache.
Doch sollt' in aller Welt denn nicht
Ein Mittel seyn? —
"Thut erst die Köpfe
(Versetzt der Schach) mir aus dem Gesicht!
Will gern' Euch meine Schwäche gestehn;
Ich kann das holdeste aller Geschöpfe
In solchem Stande nicht vor mir sehn.
Und, ach! was helfen mir alle Köpfe
Der ganzen Welt? — Der einzige, der
Noch helfen könnte, ist auch nicht mehr!"
Was meint Ihr damit? Was für ein Kopf?
"Hört ein Geheimniß! Seit alten Zeiten
Befand sich (erwiedert der gute Tropf)
In meinem Schatz' ein Eselskopf!"
Ein Eselskopf? ruft jener, ei, ei!
Herr Bruder Uzim-Oschantey,
Wenn Ihr's nicht wäret, bei meinem Leben!
Ich dächte, Ihr faselt! Ein Eselskopf
In einem Schatz? —
"Dieß ist es eben!
Ein Eselskopf an solchem Platz,
Da muß sich's doch von selbst ergeben,
Man legt so etwas nicht in Schatz,
Wenn's nichts Besonders ist." —
Verzeiht,
Ich seh nun meine Blödigkeit;
Herr Bruder, beliebet fortzufahren!
"Der Schädel also (kurz zu seyn)
Lag, reichgeschmückt mit Edelgestein,
Seit vielen, vielen hundert Jahren
In einem schönen krystallnen Schrein',
Und neben ihm ein dicker Band
Mit goldnen Deckeln, zierlich getrieben,
In einer uralten Sprache geschrieben,
So alt, daß längst im ganzen Land
Kein Mensch ein Wort davon verstand.
Darin war Alles ausführlich geschrieben,
Woher, warum und wann und wie
Der Schädel in unsern Schatz gerathen,
Kurz, seine ganze Biographie,
Nebst vielen Gemälden, wo seine Thaten
Gepinselt standen auf goldnem Grund
Mit hohen Farben, fein und bunt.
Weil nun an diesem besagten Schädel
(Wie eine alte Sage ging)
Das Schicksal unsers Hauses hing:
So könnt Ihr denken, wie groß und edel,
Ja heilig, darf ich wohl sagen, gar
Der Eselskopf dem Volke war.
Um Alles mit einem Zug zu sagen:
Er wurde je im siebenten Jahr'
Auf einem blumenbekränzten Wagen
Durch Stadt und Landschaft Schau getragen;
Und alles Volk lief hinter drein
Und glaubte nun satt und selig zu seyn.
"Ihr werdet mich vermuthlich fragen,
Worin denn seine geheime Kraft
Bestanden? Laßt Euch also sagen:
Er hatte die große Eigenschaft,
Durch seine bloße Gegenwart
Alle Bezauberung aller Art
Mit allem Geister- und Feenwesen
Auf einmal gänzlich aufzulösen.
Genien, alles Feuers und Lichts
Beraubt in seiner Atmosphäre,
Zusammengedrückt von bleierner Schwere,
Standen vor ihm und — konnten nichts.
Nach Allem, was Ihr jetzo wißt,
Das Uebrige bald errathen ist.
Die Königin (die es gleichfalls wußte)
Sah, daß sie, um ihre Rachbegier
Nach Herzenslust zu büßen an mir,
Erst dieß Palladion rauben mußte.
Sie that's — wie ich zu spät erfuhr —
(Konnt' ich so Arges von ihr denken?)
Und, da ihr weder durch Kraft der Natur
Noch Zauberworte möglich war,
Den Schädel zu vertilgen gar,
So ließ sie ihn — ins Meer versenken;
Und so liegt bis zu dieser Stund'
All meine Hoffnung im Meeresgrund!"
Das ist ein böser Handel! (rief
Der Sultan aus) das Meer ist tief.
Dort einen Eselskopf zu fischen
Und just den rechten zu erwischen,
Ist keine Sache, worauf ein Mann
Sich große Rechnung machen kann:
Doch, eh wir ganz den Muth verlieren,
Geziemt sich, Alles zu probiren.
Ich lasse sogleich Befehl ergehen,
An allen Küsten, in allen Seen,
Flüssen und Teichen von Visapur
Nach Eselsköpfen zu fischen nur.
Ihr bleibt indessen bezaubert stehen;
Und daß Ihr, bis es besser wird,
Euch etwas leidlicher ennuyirt,
Schick' ich noch heut' Euch Zofen und Schranzen
Von meinem Hof', ein ganzes Heer;
Die sollen, bis ich wiederkehr',
In einem fort mit Singen und Tanzen
Pflichtschuld'ger Maßen Euch kuranzen.
Der edle Schach der schwarzen Inseln
Fängt nach Gewohnheit an zu pinseln,
Trennt ungern sich von seinem Freund;
Doch, da kein andres Mittel erscheint,
Läßt er dem Schicksal seinen Lauf
Und hört allmählich zu weinen auf.
Kaum ist der Sultan wieder zu Haus,
So gehn ins Reich Befehle aus.
Die Leute schütteln mächtig die Ohren:
"Was geht der Eselskopf uns an?"
Ich sorge, denkt mancher weise Mann,
Der Sultan hat den seinen verloren.
Allein der alte Fischer geschwind
Des kahlen Schädels sich besinnt,
Der neulich ihm ins Netz gegangen.
Ha! denkt er, wenn's der rechte wär'!
Da ließen sich wieder Bahams fangen!
Und brennend läuft' er nach dem Meer'.
Er sucht mit Fleiß dem Schädel nach,
Der neulich schier das Herz ihm brach,
Und findet ihn, mit Schlamm bedeckt,
Am alten Ort' im Sand versteckt.
Kurz, Freunde — (denn die Zeit ist edel!)
Es findet sich in kurzer Frist,
Daß dieser nämliche Eselsschädel
Der große Wunderschädel ist.
Der Sultan und der Fischer eilen,
Die Freude mit dem Schach zu theilen.
Der Schach den Schädel kaum berührt,
So wird er flugs entmarmorirt;
Die Königsstadt steht wieder da,
Den See kein Auge ferner sah;
Die Fische werden zu Bürgern wieder,
Wimmeln die Straßen auf und nieder
Bei Sonnen- und bei Mondeslicht,
Des alten Schlenders unvergessen;
Haben viel Müh' und karg zu essen,
Baun Tag und Nacht viel böhmische Schlösser
Ins Blaue hinein, hätten's gern besser
Und rathen immer und treffen's nicht:
Kurz, Alles ist wieder in seiner Pflicht.
—————

Das Sommermährchen.

In zwei Theilen.

Des Maulthiers Zaum.

Eine Erzählung.

Erster Theil.

Als einst zur Morgenstunde
Fürst Artus lobesam
an seiner Tafelrunde
sein Frühstück nahm:
da stand mit ihren Frauen
die Königin
im Erker, auszuschauen
ins Grüne hin
und sich zu freuen
des holden Maien.
Sie standen da und sogen
mit offener Brust,
halb angezogen,
den frischen Balsamduft
der Morgenluft
und sahn
so ihre Lust
daran,
wie Zweig an Zweig gebogen
voll Blüthen hing,
und wie sie flogen,
so oft ein Lüftchen ging.
Da war noch gute Zeit, ihr liebe Leute,
da man bei Hofe sich an so was freute!
Auf einmal rief der Jungfraun eine:
O, seht die feine
geputzte Reiterin,
(sie wies dahin
mit ihrem Zeigefinger)
vom Anger dort herab
kommt sie in vollem Trab.
Die muntern Jünger
von Artus Ritterthum,
um ihren Herrn herum
gelagert in der Halle,
dieß hörend, sprangen auf aus ihrer Ruh'
und liefen alle
dem Erker zu.
Die schöne Reitrin kam,
auf einem Maul geritten,
und (was die edeln Britten
sehr Wunder nahm)
ritt ohne Zaum und Zügel
mit solchem Schuss',
als hätt' ihr Maulthier Flügel
wie Pegasus.
Und als sie nun im Hofe
des Schlosses hielt,
kam Ritter, Knapp' und Zofe
herbei gewühlt,
die Fremde zu empfangen,
die in der Näh
so glänzend war von Wangen
wie eine Fee.
Man führt auf ihr Verlangen
sie in den Saal,
wo Artus, sein Gemahl
und Fraun- und Ritterschaaren
beisammen waren.
Da wirkt die Schöne sich
auf ihre Knie
und weinet bitterlich.
Mir ist, spricht sie,
genommen worden,
was lieber mir
als dieses Augenpaar,
ia, als mein Leben war:
und, find' ich hier
in Eurem edeln Orden
nicht Jemand, dem mein Gram
zu Herzen dringt,
und der, was man mir nahm,
mir wieder bringt;
so ist, dem Himmel sey's geklagt!
auf Erden keine ärmre Magd.
Nennt uns (erwiedert ihr
der Fürst) die Ungebühr,
die euch geschehen:
wir Alle stehen
für einen Mann.
Ist's wieder zu bekommen,
was euch kein Biedermann
genommen,
so komm', als lang' Ihr dessen harrt,
kein Messer über meinen Bart!
Sie spricht: Ihr werdet denken,
ich red' im Traum',
und es verlohne kaum
die Müh, sich so zu kränken
um einen — Zaum:
doch, liebe Herren, mir
liegt an dem Zaum
mehr, als ihr glaubt.
Der Zaum von meinem Thier
ward mir geraubt;
und, krieg' ich ihn nicht wieder,
so ist, dem Himmel sey's geklagt!
auf Erden keine ärmre Magd.
Der fromme König sagt:
Laßt Eure Augenlieder
vom Weinen ruhn;
den schönen Augen
möcht's Schaden thun,
sie so zu laugen!
Traun! wär' ich nicht zu alt
zum Abenteuern,
ich selber wollte bald
dem Unheil steuern!
Doch fasset Muth!
ich bin Euch gut
für Euren Zaum.
Mein Neffe Gawin zwar
ritt kaum
zwei Stunden lang von hier;
allein in dieser Heldenschaar
wird, glaubet mir,
sich Jeder glücklich schätzen,
Euch wieder in Besitz des Zaums zu setzen.
Ihm, spricht sie, der den Zaum mir wieder gibt,
gelob' ich feierlich,
wie's ihm beliebt,
entweder — abzutreten
das Maul, das mich
in meinen Nöthen
hieher trug, oder — ich
will all mein Lebelang allein
zum Dank sein treues Liebchen seyn.
Die Jungfrau stund
bei diesen Worten
wie eine Rose da,
und, wer sie sah,
dem wässerte der Mund.
Allein der ganze Orden
der Tafelrund
war, außer zween,
mit Liebchen schon versehn;
und einer von den zween,
der Gawin hieß,
zog damals auf der Fahr;
der andre war
der Seneschall, Herr Gries.
Herr Gries, der Seneschall,
ist euch bekannt.
So war kein Springinsfeld
im ganzen Land';
auch hieß er überall
der Mädchenheld.
Denn, wenn er bei den Zofen saß
im Vorgemach,
war Staat darauf zu machen,
daß Junker Gries
die weißen Zähne wies
und zwischen Ernst und Lachen
von seinen Heldenthaten sprach.
Wenn man ihm glaubte, saß
kein Ritter baß
als er zu Pferd; im Tanze
blieb ihm der beste nach,
und keiner brach
so zierlich eine Lanze;
Sanct Görge, der den Lindwurm stach
mit seiner Gabel,
war gegen Ritter Gries
ein purer Skies.
Auch bild'te sich der Gauch
auf seinen Schnabel
und seinen Bauch
und seine glatte Hand
nicht wenig ein,
und, wo ein Spiegel stand,
guckt' er hinein.
Daneben war bei Hofe
sein Tagewerk,
daß er von Frau und Zofe,
von Ritter und Gezwerg'
euch immer was erdachte,
das wenig Ehre brachte.
Stadtanekdoten
gar zierlich zu brodiren,
mit fremden Pfoten
in jedem Quark zu rühren
und Jeden zu vexiren,
der nicht beschlagen war im Repliciren:
in solchen freien Künsten wies
als einen Helden sich Herr Gries.
Indessen hatte doch
mit allen seinen Künsten
Herr Gries es noch
in Diensten
des schönen Volks nicht hoch
gebracht. Wohin der Hase
sein Herzchen trug,
da schlug
man vor der Nase
die Thür' ihm zu.
Nun dacht' er: Nähmest du
des Dings dich an, das wären
zwei Würfe, wie man spricht, mit einem Stein.
Der Zaum wird doch wohl einem Bären
nicht abzujagen seyn!
A bottle o' wine.
wofern ich nicht
in eins, zwei, drei,
wie aus der Tasche,
euch ohne Zauberei
ein Liebchen hasche
und, traun! ihr Eselein
noch oben drein!
Herr Gries kräht wie ein Gockelhahn
die Thaten, die er thun will, an.
"Der Zaum ist Euer,
mein Fräulein! nehmt mein Wort
auf alle Fälle.
Das ist ein Abenteuer
für mich
ganz eigentlich.
Bringt mich nur flugs an Ort
und Stelle:
und, wär's der Mann im Mon,
der ihn gestohlen,
ich will ihn wieder holen;
es ist, Ihr habt ihn schon!
Gries ist kein Freund vom Prahlen.
Drum, Liebchen, dächt' ich schier,
du könntest wohl an meinem Lohn'
ein Küßchen mir
vorausbezahlen?"
Herr Ritter, spricht die Maid,
an Ort und Stelle
wird Eure Herrlichkeit
mein Maulthier tragen.
Kein Feenwagen
geht halb so sanft und schnelle.
Nur unverzagt
und Alles dran gewagt!
Den Kuß — den spar' ich Euch
aufs Wiedersehen;
er soll ganz frisch sogleich
zu Diensten stehen!
Der Junker zieht
(wie Bruder L.)
sich aus der ersten
Impertinenz
durch — eine zweite:
doch, weil er heute
noch etlich tausend Wersten
zurück zu legen denkt,
verbeugt er vor der Jungfrau sich
und rings herum
gar ehrbarlich,
macht dann linksum
und schwenkt
nicht faul
sich auf des Fräuleins Maul.
Das Fräulein blieb indessen
im Frauenzimmer
der Königin;
doch steckt ihr immer
der Zaum im Sinn;
kann seiner nie vergessen!
Bis sie ihn wieder hat,
schmeckt ihr kein Essen
und kein Muscat.
Nun höret Alle, wie's
dem Seneschallen Gries
erging auf seiner Fahrt.
Sein Thier, ein Eselein
von Feenart,
bracht' ihn in Ja und Nein
an einen Wald.
Kaum riecht Herr Gries hinein,
so schallt
und wiederhallt
aus tausend Felsenhöhlen
ein fürchterlich Gebrüll
von tausend Löwen
ihm um die Ohren 'rum
und prallt
ans Tympanum.
Erschrocken hält er still,
fängt wie ein Laub
euch an zu beben
und ist im Geist
bereits der Löwen Raub;
denkt: O, ich lobe mir
das Leben!
ein solcher Löwe weißt
nichts von Manier;
er braucht nur einen Schluck
und einen Druck,
so ist ein Mann gespeist
als wär's ein Bübchen!
Was hälfen dann
mir alle Liebchen
der ganzen Welt,
von Cardigan
bis an den großen Belt?
Er war im Fliehn,
da kamen große Haufen
von Löwen gegen ihn
mit offnem Schlund gelaufen.
Der arme Herr
testirt mentaliter.
Das Maulthier ohne Zaum
war jetzt sein Glück;
die Löwen sehn es kaum,
so werden sie zu Hasen;
sie fliehn zurück
und sind im Augenblick
wie weggeblasen.
Herr Gries bekam
nun wieder frischen Muth.
"So geht's noch gut!
Die wurden ja so zahm
wie Turteltauben!
Das Maulthier, wie ich seh',
ist eine Fee."
Indem mit diesem Glauben
sich Junker stärkt,
geht's immer fort im großen Trab
Berg auf, Berg ab;
bis sie sich unvermerkt
in einem tiefen dunkeln Thal
verfangen sehen,
so eingezwängt
in himmelhohe Pyrenäen,
daß kaum ein Sonnenstrahl
hindurch sich drängt.
Von tausend Drachen
ist dieses Thal bewacht,
die Tag und Nacht
aus immer offnen Rachen
braunrothe Flammen sprühn.
O weh! wohin nun fliehn,
Herr Seneschall?
In einen dicken Schwall
von Rauch und Funken eingehüllt,
sieht er der Hölle wahres Bild
rings um sich her. Das war ein Zischen
aus Felsenkluft und dürren Büschen!
All' Augenblicke schnaubt
ein Lindwurm, dicker als sein Arm,
bald rechts bald links ihn an.
"Ach! (schreit er, was er schreien kann)
daß Gott erbarm'!"
und glaubt,
es sey um ihn gethan.
Indeß war unbefangen
und unverletzt
sein Maulthier mitten
durch Würm' und Schlangen
hindurch geschritten
und hatt' in eine offne Au'
ihn schon versetzt,
eh noch Herr Gries,
dem's grün und blau
vorn Augen hing,
sie aufzuthun sich unterfing.
Ein zweites Paradies
schien diese Au;
die ganze Fläche,
soweit sie sich erstreckt,
mit Blumen überdeckt,
und kleine Bäche
die himmelblau
aus ihrer grünen
Einfassung schienen,
und Gruppen hier und dort
von schlanken Bäumen:
ein holdrer Ort
läßt kaum sich träumen.
Herr Gries trabt hohen Muths
das Thal hinab,
denkt: "Nun ist's überstanden!
Daß ich für meinen Hals
gezittert hab,
was thut's?
Kein Zeug' ist ja vorhanden!
Dem Maulthier' allenfalls,
dem leugn' ich's ab.
Und als er nun so fürder ritt,
da ragt ein schönes Schloß,
kaum tausend Schritt'
(auch hundert drüber)
ihm gegenüber
hervor aus hohen Büschen.
Deß ward er kaum
gewahr, so schoß
ihm's in den Sinn, der Zaum
sey dort. Nun ging's troß, troß;
allein es floß
ein tiefer Strom dazwischen.
Gries sieht sich um
nach einer Brücke,
trabt auf und ab
da zeigt ein schmaler Eisenstab
sich seinem Blicke.
Der Junker steht ein wenig dumm
an dieser Brücke;
ihm schwindelt schon
beim Anblick; sie passiren
ist eine That, wovon
er nichts versteht.
Man kann da, wie ihm weislich däucht,
so leicht
das Gleichgewicht verlieren.
Kurz, Junker sagt kein Wörtchen, dreht
sich um und denkt: Ein Narre
erkauf' ein Liebchen sich auf diesen Fuß!
Und brächte sie mir Bearn und Navarre
zum Brautschatz' — einen schönen Gruß!
sie ist für mich zu theuer!
Madame such' einen andern Freier;
mich sticht
der Haber nicht!
Und also, um es kurz zu machen,
kehrt unverrichter Sachen
Herr Gries zurück, woher er kam.
Das Maulthier nahm
den kürzern Weg und trug den tapfern Mann
frisch und gesund
um Tafelzeit zurück nach Cardigan.
Genevra stund
am Fenster just, da er,
beim großen Lindenbaum
vorbei,
den Weg zum Schloß daher
geritten kam.
"Ei, ei,
da kommt Herr Gries schon wieder,
der, däucht mich, kaum
noch Abschied nahm:
nun sag' mir einer mehr,
er sey nicht bieder!"
Die fremde Jungfrau schaut
und spricht: "Ja, leider!
er kommt mit heiler Haut,
doch ohne Zaum.
Der beste Schneider
in Cardigan,
was hätt' er mehr gethan?"
Inzwischen langt im großen Trab'
Herr Gries, der Seneschall, im Schloßhof an,
steigt ab,
wird feierlich empfangen,
wie sich's gebührt,
und in den Saal geführt
mit großem Prangen.
Ihm machen,
wie er einher stolzirt,
mit kaum
verbiss'nem Lachen
die Knappen Raum.
Die ganze ritterliche Zunft
erfreut sich seiner Wiederkunft,
allein — der Zaum?
Wo bleibt der Zaum, Herr Gries?
fragt Jedermann,
der ihn willkommen hieß.
"Der Zaum, (spricht eine von den Frauen,
die ihn von Fuß zu Kopf beschauen)
der Zaum bleibt — wo er kann.
Wie bald ist eine Kleinigkeit,
wie die, vergessen?
Allein aus solcher Fährlichkeit,
noch eh wir recht vernommen,
daß er gegangen sey, zurückzukommen
mit ganzer Haut, und just zu rechter Zeit
zum Mittagessen:
das nenn' ich eine Ritterthat,
die sich gewaschen hat!"
Der hohe Saal erscholl
von lautem Lachen.
"Nur nicht so toll
gethan! schrie Junker Gries.
Versucht's nun auch! Ich wette meinen Spieß,
daß euch das Lachen
vergehen soll.
Ja, was die Löwen und die Drachen
und solch Geschmeiß
betrifft, die — machten mir nicht heiß;
wiewohl der kleinste meiner Drachen
euch, ohne Raillerie,
aus seinem kleinen Rachen
mehr Rauch und Flammen spie,
als Aetna und Vesuvius
im größten Feuerguß.
Doch, übern Themsefluß
auf einem Draht
zu traben,
und das — pardonnez-moi,
um einen Kuß,
das sollte sich
der große Mithridat,
ma foi,
verbeten haben
so gut als ich!
Indessen daß in seinem Dünkel
Herr Gries so gasconnirte, saß
die schöne Magd in einem Winkel
und weinte ohne Maß.
Der Zaum, um den sie kläglich thut,
ist, ach! ihr ganzes Erb' und Gut;
und sich noch an der Nasen
mit folgern Uebermuth'
herumgeführt zu sehn
von diesem Hasen —
man muß gestehn,
es war zum Rasen!
Zu allem Glück
kam Ritter Gawin eben
von seiner Fahrt zurück,
als sie ihr Mißgeschick
nicht überleben
zu können schwur
und schon mit wildem Blick
sich in die Locken fuhr.
Er kam gerade
noch früh genug, um Gnade
zu bitten für ihr gelbes Haar,
das in Gefahr
ein Raub der Winde
zu werden war.
Er fiel geschwinde
ihr in die Hand
und sprach so adelig
und schien so ganz der Mann,
der helfen kann,
daß sie beim ersten Anblick sich
ihm gleich gewogen fand
und ohne Widerstand
sich und ihr Liebstes in der Welt,
den Zaum, in seine Hände stellt.
Herr Gawin spricht:
"Von vielen Worten bin ich nicht;
doch, holdes Mädchen, schau
mir ins Gesicht!
Da steht es wie mit einer Kohle
gezeichnet da; ich hole
dir deinen Zaum, und du
bist meine Frau.
Verschämt mit halb geschloss'nem Blick
nickt ihm's das Mädchen zu:
"Geh, spricht sie, meines Lebens Ruh
steht nun bei dir."
Und alle Frauen wünschen ihr
zu solchem Ritter Glück.

Des Maulthiers Zaum.

Zweiter Theil.

Herr Gawin eilt von dar,
wiewohl's schon Abend war,
besteigt das Maulthier ohne Zügel
und ist, indem die Jungfraun gehn,
ihm hoch vom Söller nachzusehn,
schon über alle Hügel.
Der Mond schien hell
zu seiner Reise;
sein Maul, nach Feenweise,
lief vogelschnell.
Der Löwenwald, das Schlangenthal
wird ohne Furcht passirt;
und wie der erste Morgenstrahl
die Welt illuminirt,
entdeckt das Schloß sich seinem Blicke,
das Schloß, der Strom und auch die Brücke
von glatt geschliffnem Stahl,
so schmal,
daß, wie ihr wißt, Herr Gries
(der doch sich Ritter schelten ließ)
vom Ansehn schon das kalte Fieber
bekam.
Herr Gawin war dem Zaudern gram.
Er denkt: "Wer sich den Teufel zu verschlucken
entschlossen hat, muß ihn nicht lang begucken.
Und wär's ein Pferdehaar,
nur frisch hinüber!
Wenn wir erst drüben sind, ist's Zeit genug,
zu sehn, wie's möglich war."
Das nennt ihr klug
gedacht, nicht wahr? und denkt: ich hätte
es eben so gemacht.
In Eurem Cabinete,
da lass' ich's gelten, Herr!
doch an der Stätte,
da ging's wohl langsamer!
Genug,
Herr Gawin ritt hinüber —
Sprecht, wenn Ihr wollt: "Ihn trug
sein Maul hinüber;
so was zu thun durch Feengunst,
ist keine Kunst:"
und dennoch setz' ich zwanzig Mark
an einen Stüber.
auf eben diesem Maul
wärt Ihr zurück geblieben.
In solchen Fällen, meine Lieben,
macht nur der Glaube stark.
Selbst Mahomeds berühmtes Maul
ist ohne ihn nur ein gemeiner Gaul;
und Glauben, wo nur Glauben helfen kann,
den hat nicht Jedermann!
Herr Gawin also war nun drüben
und ritt getrost in vollem Lauf.
bis an das Schloß hinan.
Auf einmal thut ein Thor sich auf,
und ihrer Sieben,
zu Pferd
und wohl bewehrt,
die sprengten ihn mit ihren Speeren an.
Mein Ritter stellt
sich stracks vor einen Baum
und ruft: "Ihr Herrn,
von Allem, was dieß Schloß enthält,
verlang' ich nichts, nichts in der Welt,
als meins Maulthiers Zaum."
Der Zaum ist dein, sofern
du ihn von uns gewinnst," erwiedern
die Ritter ihm sogleich. —
Von euch
und allen euren Brüdern,
ruft Gawin; nur herbei,
zwei oder drei,
ja, alle sieben meinetwegen
gleich auf einmal!
Der Schafe Zahl
macht nie den Wolf verlegen.
Mit Hohngelächter
erwiedert ihm
der sieben Wächter
des Zaumes einer: "Glaubet mir,
Herr Isegrimm,
nehmt einen guten Rath:
kehrt ohne Zaum zurück
auf Eurem Thier'
und sprecht von Glück,
daß Ihr
mit Euren Ohren weggekommen
von solcher That!
Schon mancher arme Tropf,
der's unternommen,
ist ohne Kopf
zurück geschwommen"
Da, nimm
die Antwort! — schreit im Grimm
der Ritter, setzt sein Maul in Flug,
holt aus und spaltet
auf einen Zug
des Prahlers Kopf
bis an den Sattelknopf;
und, eh der Streich erkaltet,
fliegt hier ein Arm und dort ein Schopf,
und, auf mein Wort,
so ging's in Einem fort;
Köpf', Arm' und Bein'
und Schulterblätter fliegen,
bis alle Sieben kurz und klein
auf einem Häufchen liegen.
Wie nun nach solchem schweren Kampf
der Ritter sich die Stirne wischt
und sich erfrischt
mit einem Mundvoll Luft,
wird aus der Leichen blut'gem Duft'
ein dicker schwarzer Dampf,
und — was geschah?
Flugs stehn, mit ungeheuren Rachen
voll blauer Flammen, sieben Drachen
anstatt der sieben Ritter da.
Herr Gawin stutzt,
allein verliert darum
die Lust zur Sache nicht;
er haut und sticht
um sich herum
und trutzt
dem ganzen Höllenheer';
auch ist sein Maul
in diesem Strauß nicht faul,
sprengt muthig durch dieß Feuermeer
und stößt und schlägt mit Kopf und Füßen.
Vergebens gießen
die Drachen Flut auf Flut
von Rauch und Glut;
ihr Feuer ist zum Glück nur kalt,
und bald
erstickt's in ihrem Blut';
in drei bis vier Secunden
ist Alles rein verschwunden.
Was wehrt dem Ritter nun,
die Burg sich aufzuthun?
Ein Wunderding,
wie ihr noch keins gesehen!
Die ganze Burg auf einmal fing
sich an zu drehen,
und so geschwind,
als drehte sie ein Wirbelwind.
Hinein zu kommen,
stand eine Pforte offen zwar;
doch, da sie so im Drehen war,
was mocht's dem Ritter frommen?
Sowie er sie erblickt,
ist sie entrückt.
Das Vorderhaupt sich zu zerschellen,
war hier Gefahr.
In solchen Fällen
ging Gawin nicht zu Rath
mit Fleisch und Blut.
Der Mann, der über
die Brücke ritt, hat Muth
für jede That.
Er stellt dem Schloß sich gegenüber,
und im Moment,
wo er die Pfort' erkennt,
sprengt er hinein.
Drin ist er und wird drinnen seyn,
trotz allen Feen!
Das Zauberschloß hört auf zu drehen,
und Gawin schaut empor.
Da steht auf einem Elephanten
ein himmellanger Mohr
mit einer Keule vor ihm da,
fast dicker als der große Rah
des größten Schiffs — Man muß gestehen,
so ein Gigantengesicht
beim Eintritt' in ein Schloß zu sehen,
wünscht man sich eben nicht.
Dem Ritter galt's
gleich viel. Er grüßt den Enakssohn
und spricht
im sanftsten Ton:
"Was mich zu dieser Pfalz
zu reisen trieb, Herr Thorwart, däucht
euch eine Kleinigkeit vielleicht:
ich komme gar nicht, große Beute
zu machen; langet mir
den Zaum von meinem Thier,
so sind wir gleich geschiedne Leute."
Wie? was? was willst du? — fährt
der Mohr ihn schnaubend an:
ein Kerlchen mit getünchten Wangen,
ein Ding von Marzipan,
kommt und begehrt,
ich soll den Zaum ihm langen?
Wann ward so was erhört?
Verlang die Welt von mir;
was mein daran ist, schenk' ich dir;
allein den Zaum, mein Kind,
verschenkt man hier
nicht so geschwind.
"So werd' ich mir ihn selber holen,
versetzt der Paladin:
ich bin
bloß darum hier, Herr Zwerg;
und müßt' ich ihn
aus einem Berg
von glühnden Kohlen
mit meinen Fingern holen!
Vor deinem Weberbaum
fürcht' ich mich nicht.
Nur nicht viel Zauderns! Meinen Zaum
und kein Gesicht!"
Das ist ein Andres — spricht
so höflich wie ein Hochzeitbitter
der Goliath:
wenn's die Bewandtniß hat,
Herr Ritter,
so muß er Euer seyn,
das merk' ich schon.
Doch freilich ohn'
ein wenig Arm'- und Beine brechen
läuft's wohl nicht ab, mein Sohn!
Indessen bemühen Sie sich herein!
Das Essen
wird angerichtet seyn.
Nach Tafel ist's noch Zeit, davon
ein Wort zu sprechen.
Sie gehn hinein
und setzen sich in einem goldnen Saal
zum Mittagsmahl.
Der Wirth legt dienstbereit
von Allem vor, schenkt fleißig ein,
schwatzt lang und breit
und sucht nach Möglichkeit
mit plattem Scherz' und gutem Wein
den Gast vergnügt zu machen.
Allein
der bleibt bei Ja und Nein,
ißt mäßig, trinkt von einem Wein,
läßt seinen Wirth auf eigne Kosten lachen,
so viel als ihm behagt,
und kaum
ist abgetischt, so steht er auf und fragt:
Wo ist mein Zaum?
"Geduldet Euch,
versetzt der Schaumigrem mit schiefem Mund.
Nach Tafel gleich
zum Werk zu schreiten,
ist nicht gesund.
Was hat der Aufschub zu bedeuten?
Ihr seyd hier gern gesehn:
die Kleinigkeit,
auf die Ihr so versessen seyd,
die — wird Euch nicht entgehn."
Der Ritter steht ein wenig stier
und schweigt. — "Es ist ein Garten hier
am Schlosse, spricht der Mohr:
gehn wir spazieren!
Der Himmel ist mit einem Flor
von Duft bedeckt;
ins Gras gestreckt
läßt's da sich herrlich — digeriren."
Herr Gawin schlendert mit, und, seiner los
zu werden, wirft er bald
sich hin auf Mutter Erde Schoß
und thut, als schlief er ein.
Ein kleiner Wald
mit Schlangen-
Alleen war nicht weit,
da sangen
viel tausend Vögelein.
Die Luft war warm, und unterm Zischen
und Sumsen überall
im Gras' und aus den Büschen
und beim Unisono von einem Wasserfall;
der aus dem Hain
von ferne plätschert, schlief
er wirklich ein.
Die Sonne stand schon tief,
als er erwacht.
Sein Erstes war, er rief:
Wo ist mein Zaum?
Der Mohr, nicht weit davon im Grünen
gelagert, lacht.
Das nenn' ich, sprach er, einen Zaum!
Er ist Euch, glaub' ich, gar im Traum'
erschienen?
Indem ließ aus dem Gartensaal'
ein liebliches Concert sich hören.
"Herr Ritter, Alles dieß geschieht
bloß Euch zu Ehren!
Auf, wenn's Euch nicht zu viel bemüht,
und folgt mir in den Saal."
Dem Paladin bleibt keine Wahl,
als mitzugehn. Und wie die Musica
zu End' ist, steht schon wieder
das Abendessen da.
Man setzt sich nieder.
Herr Gawin, der den Goliath
und seinen dicken Witz
in allen Gliedern hat,
sitzt taub und stumm auf seinem Sitz',
und, weil er sich
nicht anders helfen kann,
so frißt
der gute Mann
vor langer Weile
ganz jämmerlich
und nagt an einer Hammelskeule,
bis nur der Knochen übrig ist.
Noth war's, zu so viel Solidis
die Gurgel oft und stark zu netzen.
An unserm Wirth war mindstens dieß
für was zu schätzen:
sein Wein
war alt und rein.
Nun (spricht Herr Gawin) dächt' ich doch,
es wäre Zeit,
den Zaum zum Nachtisch' aufzusetzen?
"Wenn Eure Herrlichkeit
nur noch
bis morgen sich gedulden mag!
(wird ihm zur Antwort) morgen
ist auch ein Tag;
und einem Mann, wie ich,
läßt (ohne mich
zu rühmen) sich's ganz sicher borgen."
Nicht ohne Pein
muß unser Ritter schon
sich zwingen,
die Nacht hier zuzubringen.
Man räumt das schönste Zimmer
vom Schloss' ihm ein.
Da glänzt in reichem Schimmer
ein Bette, wie ein Thron.
Herr Gawin schickt die Knaben,
die ihn geleitet haben,
und bleibt allein.
Flugs trippeln euch drei oder vier
Sylphiden durch eine Seitenthür
vom Saale
zu ihm herein,
an Anzug und Gestalt verschieden,
doch alle jung und frisch.
Die erste setzt in goldner Schale
den Schlaftrunk auf den Tisch;
die zweite hält ihm ein Lavor
von Silber und ein Handtuch vor;
drauf schürzen sich die andern beiden,
ihn auszukleiden.
Ins Ohr gesagt — die Dirnen waren
zum Malen schön,
von schwarzen Augen, gelben Haaren,
und Arm und Fuß so fein,
man kann's aus Elfenbein
nicht schöner drehn.
Warum der Mohr sie schickte,
das leuchtet ein:
und nehmt dazu, daß sie
ein Nachtkleid schmückte,
wodurch man ohne Müh
bald dieß bald das erblickte,
wonach man gerne schielt,
und dann
das große seidne Bette
im Hintergrund' — ihr fühlt,
was Alles dieß bei manchem Ehrenmann
für Folgen hätte.
Doch Gawin war ein eigner Mann:
er sagte nichts; ließ sich, solang' es ihnen
gefällig war, mit großem Ernst bedienen
und öffnet drauf die Thür.
"Die Jungfern (spricht er) werden mir
zu meinem Zaum wohl nicht verhelfen können.
Die Hitze war heut scharf —
ich will die Ruh'
euch länger nicht mißgönnen.
Bon soir! — und, wenn ich bitten darf
die Thüre zu!"
Als nun der Tag gekommen,
steht Gawin auf und wappnet sich.
Der Ries' erscheint; das Frühstück wird genommen,
— "Und nun, Herr Schloßvogt, lass' ich mich
nicht länger necken;
den Zaum, mit einem Wort',
und wieder fort!"
"Von Herzen gern',
(erwiedert ihm der schwarze Holofern)
nur muß ich Euch entdecken,
die Sache hängt an einer Kleinigkeit,
zu der
Ihr, wenn's beliebt, vorher
gehalten seyd."
Was ist's? Heraus
damit! nur kurz und klar!
"Nichts, als — um einen Kopf
mich kürzer, als ich bin, zu machen.
Bei unser einem zwar
macht just ein Kopf
so viel nicht aus:
allein — (Ihr werdet meiner lachen)
wie jeder Potentat
so seine Grillen hat —
der Schopf, mein Herr, der Schopf,
der ginge mit,
und den, zu missen,
kann ich sogleich
ohn' einen Ritt
mit Euch
mich nicht entschließen."
Herr Schäker, (ruft voll Ungeduld
der Ritter) weil nun doch für meine Sündenschuld
mit einem Thier
wie du herum mich zu scharmützeln
mein Schicksal ist, hör' auf, mich zu bewitzeln,
und sieh dich für!
Der Heide schreit:
"Nun, wenn's denn gelten soll,
so nimm!" —
Es war ein Streich, so ungestüm,
daß, traf er voll,
den ganzen Streit
zu enden
kein zweiter nöthig war.
Doch Gawin wußte sich aufs Haar
so schnell zu wenden,
daß ihm die Keule nur
ein wenig grob am Schulterblatt'
herunter fuhr;
und eh der Goliath
den Arm zurück zieht, faßt
mein Ritter kräftiglich mit beiden Händen
sein gutes Schwert und haut, wie einen Ast
vom Baum, die Hand zusammt der Keule
auf einen Hieb dem Pocher ab.
Das Unthier flieht mit gräßlichem Geheule;
ihm wird für seinen Schädel bang',
und, ihn solang'
er kann, zu sparen,
versucht er's, wie vor Jahren
der Fluß
Achelous,
der (wie aus euerm Hederich)
euch noch erinnerlich)
einst mit Alciden
um Dejanira rang.
Er hofft den Gegner zu ermüden,
indem der Streit
in tausendfalten
stets schrecklichern Gestalten
sich ohne Rast erneut.
Drei lange Morgenstunden kämpft
Herr Gawin so;
zwar immer Sieger,
doch nie des Sieges froh.
Denn, ist sein Feind als Einhorn oder Tiger
beinah gedämpft,
flugs steht er als Hyäne
schon wieder da
und blökt drei Reihen Zähne,
wie Büffon keine sah.
  Bei Allem dem behielt
der Ritter Muth,
zielt immer seinem Feind nur nach dem Hut'
und zielt
zuletzt so gut,
daß, wie der Unhold eben
zum Greif sich log,
sein Kopf
zusammt dem Schopf'
auf dreißig Schritte flog.
Man hört den Grund
von seinem Fall' erbeben,
als stürzt' ein Berg
in einen tiefen Schlund;
und wie Herr Gawin um sich sah,
weg waren Ries' und Greif, und ein Gezwerg
stand vor ihm da,
der bückte sich und sprach:
"Gott geb' Euch langes Leben,
Herr Ritter, folgt mir nach;
die Frau vom Schloß läßt Eure Gnaden
zur Tafel laden."
Dem Ritter räth nach solcher Motion
sein leerer Magen,
die Invitation
nicht auszuschlagen.
Er folgt dem Ganymed
in einen Saal,
wo schon ein köstlich Mahl
für Zwei gerüstet steht;
und eh' er's recht in Augenschein
genommen,
tritt eine schöne Frau herein,
macht ihren Knicks
und heißt den Herrn willkommen.
Mein Paladin, wiewohl er sonst so leicht
nicht Feuer fing, bleibt sprachlos vor ihr stehen;
ihm däucht
gleich ersten Blicks,
was Schöners hab' er nie gesehen.
Beschreiben läßt sich, wie ihr wißt,
kein Ding, das — unbeschreiblich ist;
drum sag' ich nichts als — Alles, was er sah,
war hoch zu loben
und noch zum Ueberfluß
durch jede schlaue Kunst erhoben,
die sonst den Reiz ersetzen muß.
Die Dame stand so ganz
wie eine Göttin da,
daß unser Mann vor lauter Glanz
nicht wußte,
wie ihm geschah,
und, bis er seine Anred fand,
wohl dreimal husten mußte.
Doch faßt er endlich sich, küßt eine Hand
so weich als Flaum
und weißer als der Schnee,
und spricht: Verzeiht wir, schöne Fee,
ich bitt' — in Unterthänigkeit —
um meinen Zaum.
"Davon zu sprechen, hat's noch Zeit,
Versetzt die Frau. — Es ist nur fürs Vergessen,
erwiedert Gawin ihr.
Sie spricht: "Setzt Euch zu mir,
mein Herr, Ihr habt das Mittagessen
heut wohl verdient."
Für dieses Mal erkühnt
der Biedermann sich nicht,
noch stärker anzuhalten;
doch legt er sein Gesicht
in weise Falten
und nimmt sich vor, wiewohl er gegenüber
der Schönen sitzt, sein schwarzes Augenpaar
so selten aufzuheben,
als möglich war.
Die Dame schien vom bloßen Duft zu leben
nach Götterart.
Zusehens ward
ihr Ansehn trüber,
die Rosenwange blaß,
das Auge naß,
und unterm leicht gewebten Flor
schlug sichtbarlich ihr Herz hervor.
Herr Gawin — aß
und merkte nichts. Nach einer Weile
verändert sie
die Batterie,
wird lebhaft, reizend — kurz, verbraucht
auf einmal alle Pfeile,
die Amors Hinterlist
in Nektar taucht.
"Und Gawin?" — Gut! der ißt
und trinkt für zwei,
läßt sich's recht wohl behagen,
vergißt jedoch das Hauptwerk nicht dabei;
denn kaum
daß man den Nachtisch aufgetragen,
so stimmt er schon sein altes Liedchen an:
Wo bleibt mein Zaum?
Mit unverhaltnem Schmerz
fährt jene wild heraus:
"Grausamer Mann,
was hab' ich dir gethan?
Du siehst so fromm und bieder aus
und hast ein Herz
das — meinen Tod verlangen kann?"
Wie, Euren Tod?
Ihr sprecht im Traum'!
Ich will ja nichts, bei Gott!
als meinen Zaum!
"Ihr wißt, versetzt sie, wie ich sehe,
nicht, was Ihr wollt. — Wohlan,
so hört mich an!
Ich bin die Fee
von diesem Schloß,
und meine Macht ist groß.
Ringsum sind all die schönen Hügel
und Auen mein; und geht
noch etwas ab,
so schafft's mein Zauberstab.
Jung bin ich, wie ihr seht,
und, wenn mein Spiegel
mich nicht belügt,
nicht ohne Grund mit meiner
Gestalt vergnügt:
kurz, Herr, ich weiche Keiner
in Allem, was ein Mann
bei einem Weibe wünschen kann;
und eine Gabe,
die ich voraus vor Andern habe,
ist diese: wie ich bin,
so werd' ich immer seyn.
Und doch —so will's des Schicksals Eigensinn —
ist, wenn Ihr drauf besteht, nichts mein
von Allem, was ich bin,
kurz, (setzte sie hinzu, mit einem Blick,
der einen Stein
zu rühren fähig war) mein Glück,
mein Leben selbst steht nun bei Euch allein."
Erklärt mir dieses Räthsel, (spricht
der Ritter) ich versteh' Euch nicht.
"So hört. Mein Vater, ein Druid'
und großer Zaubrer, als er schied,
ließ keinen Erben hinter sich,
als meine Schwester nur
und mich.
Das Schwesterchen war schön
geboren; aber — ich —
Herr, die Natur
empöret sich
so etwas zu gestehn —
Errathet's selbst! — Der Alte, mich
nach Möglichkeit zu trösten, gab
mir dieses Schloß mit allen seinen Schätzen
und seinen Zauberstab;
vermeinte jenen Mangel mir
dadurch gar reichlich zu ersetzen:
hingegen ihr
vermacht' er nichts von aller seiner Habe
als nur das Feenthier,
das Euch hierher gebracht, und seinen Zaum.
Allein an diesem Zaum
hängt eine Gabe
von größerm Werth, als eine ganze Welt.
Der Zaum erhält,
die ihn besitzt, bei ewig schöner Jugend,
und ist sie nicht schon wohlgestalt,
so macht er sie dazu.
Und nun, ermesset selbst — in einem Nu
ist's calculirt, Herr Ritter — ew'ge Jugend
und ew'ger Reiz! — Was ist die Allgewalt
des Zauberstabs, verglichen mit der Tugend
des Wunderzaums? — Was nützt
mir sonder ihn
dieß Schloß und alles Gold, wovon es blitzt?
Die Folgerung, mein Herr, ist leicht zu ziehn.
Ich war so klug
und that — was alle Weiber thäten
an meinem Platz.
Die Jungfer Schwester ist für sich schon hübsch genug,
sie hat des Zaumes nicht vonnöthen:
und, fordert sie Ersatz,
hier ist mein ganzer Schatz!
Ich will ihr Alles geben,
den Zaum nur lass' sie mir;
wer den mir nimmt, nimmt mir das Leben!
Und Ihr, Herr Ritter, könntet Ihr
Euch selber solchen Mord vergeben?
O, lieber bleibet hier
Ihr habt der Abenteuer
genug bestanden — bleibet hier
und theilt des Zaumes Frucht mit mir;
was ich besitz' und bin — ist Euer!"
Herr Gawin küßt der Dame dankbarlich
die Hand und spricht: auf welche Seite
die Billigkeit sich neig' in diesem Schwesternstreite,
das ist ein Punkt, womit ich mich
nicht gern befasse;
ich lasse
die Frag' in Statu quo;
und, habt Ihr Unrecht nach der Schärfe,
so werfe
die Frau, die um den Zaum nicht eben so
zu freveln fähig wäre,
den ersten Stein auf Euch!
Allein dieß Alles gilt mir gleich:
der große Punkt ist — Gawins Ehre
steht auf dem Spiel!
Den Zaum zu holen,
ward mir befohlen.
Ich gab mein Wort: das ist so viel,
als hätt' ich tausend Leben
zum Pfand gegeben.
Des Zaumes wegen kam ich an,
und was ich that, ward um den Zaum gethan.
Ist Jemand, der ihn mir an Eurer Stelle
noch streitig machen will,
Ries' oder Krokodil
und Teufel aus der Hölle,
so komm' er her! — Wo nicht,
so küss' ich Eures Rockes Saum
und — fordre meinen Zaum.
Die Dame ruft mit glühendem Gesicht'
und einem lauten Schrei:
So bringt ihm seinen Zaum herbei!
Ab geht der Zwerg. — Die Dame wendet sich
und weinet bitterlich.
Der Zwerg kommt wieder,
beladen mit der goldnen Last,
und wirft sie vor dem Ritter nieder.
Der faßt
mit beiden Händen stracks die wohlverdiente Beute,
kehrt drauf sich nach der Frau — allein
die hatte sich indessen auf die Seite
gemacht. Von ihm gesehn zu seyn,
wär' ärger jetzt als Todespein;
denn, ach, verschwunden ist bereits,
fataler Zaum, mit dir — ihr ganzer Reiz!
Mein Ritter, ohn' ein Wort zu sagen,
eilt nach dem Stalle, zäumt sein Thier,
(das, närrisch schier
vor Freude, seinen Schmuck zu tragen,
bis an die Decke springt)
und schwingt
sich auf und fliegt mit seinem Zaum
so leicht davon, daß auf der grünen Erden
von seinem Tritt des Grases Spitzen kaum
gebogen werden.
Der Dame wird nach ihres Zaums Verlust
die weite Welt zum dumpfen Kerker;
sie rauft ihr Haar, zerkratzt sich Wang' und Brust,
läuft hin und her, kommt endlich in den Erker
und sieht,
entsetzliches Gesicht!
den Mann, der ihren Reiz entführt,
sieht, wie er flieht —
erträgt den Anblick nicht!
Das arme Weib verliert
vor Wuth und Schmerz
die Sinne ganz, und — was sie that,
nachdem's der Reim euch schon verrathen hat,
verdrießt mich euch zu sagen;
denn, macht nicht, ohne was zu wagen,
der Dümmste stracks ein witziges Gesicht
und wettet, was man will, es folge nun: und sticht
sich einen Dolch ins Herz.
Herr Gawin auf dem Rückweg fand
nichts bis nach Artus Hof, als schönes ebnes Land.
Von Fluß und Brücke, Schlangenthal
und Löwenwald kein Wort!
Die waren allzumal
verschwunden! Kurz, ruhig trabt er fort
und langt in wenig Stunden
zu Cardigan
bei seinem Liebchen an.
Die hatte kaum aus seiner tapfern Hand,
im Angesicht
des Hofs, der rings um beide stand,
den Zaum empfangen,
so glänzt' um ihre Wangen
ein neues Licht.
Sie war vorher schon hübsch zu nennen,
doch jetzt vor lauter Schönheit kaum
noch zu erkennen.
Die Damen und Ritter sahn
sie neidisch — ihn mit Mißgunst an.
Allein Herr Gawin lacht.
Komm, Liebchen, spricht er, lass' uns wandern;
nimmt flugs mit einer Hand den Zaum,
das Mädchen mit der andern,
und gute Nacht!
—————

Geron der Adelige.

Eine Erzählung.

An den Leser.

Der Inhalt gegenwärtiger Erzählung ist aus einem alten französischen Ritterbuche, genannt Le Roman de Gyron le Courtois, gezogen, aus dessen Stoffe schon der toscanische Dichter Luigi Alamanni, auf Veranlassung Franz des Ersten, Königs von Frankreich, ein Heldengedicht in vier und zwanzig Gesängen verfertiget hat, das aus nicht weniger als drei tausend vier hundert neun und siebzig achtzeiligen Stanzen besteht und unter den romantischen Gedichten der Jtaliener noch immer seinen Platz behauptet, wiewohl es an poetischen Schönheiten und Interesse dem Orlando des Ariost und selbst dem Amadigi des Bernardo Tasso sehr weit nachsteht. Wenn es noch eines Beweises bedürfte, daß es hauptsächlich die Poesie des Styls und die Harmonie der Verse ist, was das Glück eines Gedichtes macht: so würde dieser Girone il Cortese des Alamanni, dem es an beiden fehlt, den stärksten Beweis davon abgeben können. Unter Tausend, die den Ariost zweimal gelesen haben, ist schwerlich Einer, der die Geduld gehabt hätte, es in dem gereimten Ritterbuche des andern bis auf die Hälfte zu bringen.Neuerlich ist der alte Roman von Gyron le Courtois, der (nächst Tristan von Leonnois) der vorzüglichste unter allen denen ist, die sich mit den Thaten der Ritter von der Tafelrunde beschäftigen, durch einen Auszug wieder in Umlauf gebracht worden, womit der vor Kurzem der Literatur entrissene Graf von Tressan die Bibliothèque Universelle des Romans im October 1776 bereichert hat; ein Auszug, der um so schätzbarer ist, als der geschmackvolle Verfasser an den interessantesten Stellen den alten Romandichter in seiner eigenen naiven und kräftigen, wiewohl veralteten, Sprache reden läßt.Die Geschichte zwischen Gyron und der Dame von Maloank, die nach meinem Gefühl das Schönste in diesem und vielleicht in jedem andern Dichterwerke des mittlern Zeitalters ist, machte beim ersten Lesen einen so starken Eindruck auf mich, daß ich dem Gedanken nicht widerstehen konnte, sie auszuheben und meinen Freunden, in einer dem alten Originale so nahe als möglich kommenden Manier, vorzuerzählen. Jede Verschönerung oder Modernisirung des Originals würde in meinen Augen Entweihung gewesen seyn: eine Geschichte, die nur ein Dichter aus den Zeiten Louis le Jeune erfinden konnte, mußte auch in dem Tone dieser Zeiten vorgetragen werden. Zwar ist die von mir gebrauchte Versart nicht diejenige, in welcher beinahe alle Gedichte unsrer alten Meister- und Minnesänger geschrieben sind; aber ich wählte sie, weil sie mir besser zu der Würde des Sujets zu stimmen und den Eindruck, den es bei der simpelsten Erzählung machen muß, zu begünstigen geschickter schien, als die vierfüßigen Jamben, die der komischen Erzählung angemessener sind.Hingegen suchte ich, indem ich mir, nach unsre Sprache im sechzehnten Jahrhundert, eine Art von deutschem Gaulois bildete, eine Diction heraus zu bringen, welche, ohne unverständlich oder abgeschmackt zu werden, der Täuschung, als ob man den alten Branor selbst reden höre, so wenig als möglich hinderlich wäre. Ob es mir geglückt sey, muß das Gefühl des Lesers entscheiden.Ich will es lieber errathen lassen, warum ich bei dieser neuen Ausgabe meinem Helden den alten Beinamen, der Adelige, wieder gegeben habe, als Gefahr laufen, durch ausführliche Aufzählung meiner Beweggründe langweilig zu werden. Unleugbar sind courtois und biederherzig keine gleich viel bedeutende Wörter. Will man sich hingegen bei dem Beiworte adelig einen Mann denken, der eben so edel von Sinnesart und Sitten als von Geburt ist: so drückt es den ganzen Sinn des altfranzösischen courtois aus: und wofern adelig in dieser Bedeutung (nach Herrn Adelungs Vermuthung) nur deßwegen zu veralten angefangen hätte, weil die Sache selbst bei unserm heutigen Adel aus der Gewohnheit gekommen; so können wir um so gewisser hoffen, dieses Wort in seiner alten und echten Bedeutung wieden aufleben zu sehen, da in einer Zeit, wie die unsrige, nur vorzüglicher Adel in Gesinnungen, Sitten und Thaten dem von veralteten Vorurtheilen nur schwach beschützten Geburtsadel noch zur Brustwehre dienen kann.
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Der große Artus hielt, vor seiner Burg
Zu Cramalot, von dreißig edeln Rittern
Umgeben, unter einem offnen Zelt
Von goldgewirktem Sammet, seinen Hof;
Und zwischen ihm und ihrem Lanzelot
Saß Genievra, seine Königin;
Zwölf Jungfraun, die der Minne süßen Sold
Dem, der's um sie verdiente, wohl zu geben
Vermochten, standen züchtiglich zur Seiten
Der königlichen Frau; und ums Gezelt,
An hohen Eichen, hingen Schild' und Speere
Im Sonnenglanz, und dreißig Knaben hielten
Im Schatten, jeder an der rechten Hand
Ein aufgeschmücktes Roß: — und siehe da,
Ein schwarzer Ritter kam vom Walde her,
Er ganz allein, und ritt dem Zelte zu;
Und wie er schier heran gekommen, stieg er ab,
Ließ vor der Königin aufs rechte Knie
Sich nieder, richtete sich wieder auf
Und, eines Hauptes länger, als die Ritter alle,
Stand er vor König Artus, neigte sich und sprach:
"Herr König, wollet einer Gabe mich gewähren,
Um die ich bitte, wie ein Rittersmann
Von einem Ritter sie begehren mag."
Der König sah den Fremden wundernd an,
Und Alle, die zugegen waren, sahn ihn an,
Voll Wunders über seine stattliche
Gestalt und seine Red', und warteten
Der Gabe schweigend, die er bitten würde.
Und Artus sprach: Herr Ritter, heischet frei,
Ich sag' es zu.
Der Ritter neigte sich
Zum zweiten Mal und sprach: Durchlauchter Herr,
So mög' es Euch und diesen wackern Rittern
An Eurer Seite nicht entgegen seyn,
Zu Ehren aller minniglichen Frauen
Und holden Jungfraun, hier und überall,
Und zu Bewährung, wem in Ritterschaft
Der Preis gebühre, ob den alten oder
Den jungen Rittern, einer nach dem andern
Im Grünen einen Ritt mit mir zu thun.
Der König Artus und die dreißig Ritter,
Die um ihn standen, allesammt Genossen
Der Tafelrunde, waren nicht die Männer,
Die sich um so was zweimal bitten ließen;
Und statt der Antwort liefen alle stracks
Den Bäumen zu, wo ihre Lanzen hingen, und
Die Knappen bei den hohen Rossen standen.
Und Artus und die Ritter alle schwangen
Auf ihre Rosse sich, den Schild am Arm,
Den Speer gefällt, und ritten nach dem Plan,
Wo seinen Stand der fremde Ritter schon
Genommen hatte. König Artus ritt
Der erste. Beide legten ihre Lanzen ein,
Bedeckten mit dem Schilde sich und rennten
Die Rosse spornend auf einander los,
So mächtig, daß die Erde unter ihrem Stampfen
Erbidmete; und wie sie nun im Sturm
Zusammen treffen sollten — hielt
Der Fremde seinen Speer hoch in die Luft
Und fing den derben Stoß des Königs auf
Mit seinem festen Schilde, daß die Lanze
Vom Gegenschlag' in tausend Splitter brach,
Und König Artus kaum mit Arbeit sich
Im Bügel fest hielt. Aber unerschüttert saß
Der schwarze Ritter, und, sobald sein Roß
Sich ausgelaufen, schwenkt' er, ritt zum König'
Hinan und sprach gar ehrbar: Edler Herr,
Das wolle Gott nicht, daß ich meinen Speer
Gebrauche gegen Euch! Gebietet mir
Als einem, der zu Eurem Dienst aus Pflicht
Und gutem Willen sich gewidmet hat.
Der hohe Artus sieht ihn staunend an
Und wendet nach dem Zelt'. Und Galherich,
Sein Neffe, König Loths von Orkan zweiter Sohn,
Tritt rasch empor; kampflustig und gewiß
Des leichten Sieges, faßt mit starker Faust
Er seinen Speer, wirft vor die breite Brust den Schild,
Auf dem ein goldner Adler Blitze wirft,
Und sprengt im Sturm' auf seinen Gegner an.
Fest war sein Stoß und kraftvoll; aber mit
Behender Beugung wich ihm jener aus;
Der Speer fuhr unterm linken Arme durch,
Unschädlich, und im gleichen Augenblick
Rührt ihn des Schwarzen Schaft mit solcher Macht,
Daß ihm die Sinne schwinden, und die Kniee brechen —
Er stürzt und deckt, so lang er ist, den Boden.
Des Bruders Fall zu rächen, drängte sich
Herr Galban, Loths von Orkan Erstgeborner, vor.
Man nennte Galbans Namen allezeit,
Wenn von den Unbezwinglichen die Rede war:
Doch dieses Mal vergaß er seiner Dame
Sich zu empfehlen, oder treulos ward
Das Glück an ihm; der schwarze Ritter that
Ihm, wie er Galherich zuvor gethan.
Das gleiche Loos fiel auf die andern Neffen
Des Königs, Egerwin und Galheret,
Und auf Bliomberis und Lionel,
Des Königs Boort von Gannes edle Söhne,
Und auf Herrn Dinadel von Estrangor,
Den Unverzagten, Immerlustigen.
Sie hatten manchen braven Mann wohl eher
Ins Gras gestreckt; itzt kam die Reih' an sie.
Ha! rief Herr Gries, des Königs Seneschall,
Der Höflingsart mit Rittersitten paarte,
Das soll, bei Gott! von Artus Rittern nicht
Gesungen werden noch gesagt im fremden Lande,
Daß einer nach dem andern, Kegeln gleich,
Vom ersten, den der Wind herber geweht,
Sich so zu Boden habe werfen lassen!
Der fremde Ritter ist doch wohl so sehr
Nicht Teufel, als er schwarz ist! Lass' ihn kommen!
Mit diesen Worten, halb im Schimpf' und halb
Im Ernst gesprochen, spornte seinen Klepper
Herr Gries, der Seneschall. Er hatte wohlbesonnen
Aus einem großen Haufen Speere, der
Beim Zelte lag, den schwersten ausgewogen.
Allein nichts mocht' ihm seine Vorsicht frommen, nichts
Sein frecher Muth und seiner spitzen Zunge
Behendigkeit: der schwarze Ritter hob
Ihn hoch empor und ließ ihn unsanft fallen.
Ihm half sein Knappe wieder auf die Beine,
Und brummend hinkt' er nach dem Zelte hin.
Die andern folgten nun der Reihe nach;
Muthvolle Kämpfer, die den besten nicht
Zu weichen pflegten, und kein Abenteuer noch,
Wie schlimm es aussah, von der Hand gewiesen.
Ein Spiel war ihnen Lanzenbrechen nur;
Sie hätten Wälder arm an Holz gemacht.
Doch unter ihnen allen keiner hielt
Den strengen Stoß des Unbekannten aus:
Sie räumten alle nach der Reih den Sattel.
So zuzusehn der Tafelrunde Schmach,
Verdroß den edeln Lanzelot vom See,
Den einzigen, der von den dreißig noch
Zu überwinden war. Der eigne Ritter
Der schönen Königin war Lanzelot;
Viel Thaten hatt' er ihr zu Lieb gethan
Und manchen süßen Kuß und manche glühende
Umhalsung in geheim zum Sold empfangen.
Kein anderer Genoß der Tafelrunde
That's ihm zuvor an Mannheit und an Schöne.
In seiner holden Dame Gegenwart
Däucht's ihm ein Leichtes, alle Lanzenbrecher
Und Prahler auf dem weiten Erdenrund'
Herab zu stechen. Gleichwohl wundert ihn
Des schwarzen Ritters. Denn, was itzt geschah,
War, seit die Tafelrunde stand, noch nie geschehn.
"Ist's schwarze Kunst, was diesen Heiden schützt,
(So spricht Herr Lanzelot mit leiser Stimme
Zur Königin) so bitt' ich, schönste Frau,
Verlasset Euren treuen Ritter nicht;
Die ganze Hölle steh dem Schwarzen bei,
Lacht Euer Auge mir, so ist auf meiner Seite
Der ganze Himmel."
Als er dieß gesagt,
Läßt ihn die Königin in ihren Augen
(Den schönen Mund versiegelte die Zucht
Vor so viel Zeugen) eine Antwort lesen,
Die ihm das Herz im Busen schwellen macht.
Und mit verhängtem Zügel, hoch den Schild,
Die Lanz' an seine Seite fest gedrückt,
Rennt er dahin; und beide Ritter stoßen
So kräftig auf einander, Roß und Mann,
Daß sie die Stange vor der Faust zersprangen,
Und Helm und Schilde laut zusammen schlagen.
Doch wenig halfen itzt die Augen seiner Dame
Dem edeln Lanzelot: ihn überwiegt
Des schwarzen Ritters stürzendes Gewicht;
Er schwankt, verliert den Zügel, taumelt, sinkt
Und liegt, wo seine Spießgesellen lagen.
Der Unbekannte steigt gelassen ab
Von seinem Rosse, streichelt freundlich ihm
Den feuchten Rücken und die heiße Brust,
Nimmt ihm den Sattel ab und das beschäumte
Gebiß und läßt mit einem sanften Schlag'
Es gehn ins Grüne, wo es ihm beliebt:
Kehrt dann, als wär's von einem Lustritt, wohlgemuth
Und unbefangen, seinen ältlichen
Gewohnten Schritt zum goldnen Zelt zurück.
Mit schelen, düstern Blicken weichen ihm
Die Ritter aus; sie sehn einander an,
Als fragten sie sich mit den Augen: kannst
Du's leiden? — Aber König Artus tritt
Aus dem Gezelt' und reicht dem Kommenden
Die Hand mit Anstand, sprechend: Edler Ritter,
Wir haben, däucht mich, theur genug das Recht
Erkauft, des Mannes Angesicht zu sehen und
Zu wissen, wer es ist, der so behend'
An einem Abend dreißig Schildgenossen
Der Tafelrunde aus dem Sattel hob.
Und alsbald, wie der König dieses Wort
Gesprochen, löst der Fremde seinen Helm:
Und siehe! wie er ab ihn nimmt, so kraust
Schneeweißes Haar sich rings um seine Scheitel,
Und offenbar in aller Herrlichkeit
Des ungeschwächten hohen Alters steht
Der Edle da, ein schöner alter Mann,
Wiewohl die graue Zeit der Furchen viel'
Auf seine breite Stirn gegraben, stark
Und ungekrümmt, wiewohl auf seinem Nacken
Die Last von hundert arbeitvollen Jahren lag.
Dem König Artus und den Rittern wird's
Bei seinem Anblick wieder warm ums Herz;
Sie drängen wundernd sich hinzu, sie fassen
Ihn bei der Hand und schaun ihn an und ruhn
Auf seinem Antlitz liebevoll, wie Söhne,
Die unverhofft den Vater wieder sehen.
Mein Nam' ist Branor, sprach der alte Ritter:
Branor der Braun'. Dein Vater, König Artus,
Der edle Ritter Uther Pandragon,
War noch ein Knabe, der sein Steckenpferd
Im Hofe tummelte, da Branor schon
Durch Berg und Thal nach Abenteuern ritt.
Die alten moosbedeckten Eichen dort,
Ich sah sie alle einer Lanze hoch!
Dein Vater, König Artus, war mein guter Herr
Und Freund, wir haben manchen Ritt zusammen
Gethan und manchen Speer in Schimpf und Ernst
Gebrochen. Segen sey mit seinem edeln Sohne!
Und wohl mir Alten, daß ich junge Männer sehe,
Die noch nicht völlig aus der Väter Art geschlagen!
Indem sie also sich besprachen, ging
Die Sonne unter. König Artus und die Königin
Und ihre Jungfraun und die dreißig Ritter,
Der alte Branor in der Mitte, kehrten nach
Der Burg zu Cramalot zurück. Da stand
Ein köstlich Mahl bereitet in der Halle.
Ein reicher Baldachin bezeichnete
Den Sitz des Königs und der Königin;
Und zwischen ihnen ward dem guten Branor
Ein Stuhl von Elfenbein gesetzt; und als
Sie Platz genommen, setzten sich die Uebrigen
In ihrer Ordnung um die Tafel her.
In Schüsseln aus getriebnem Golde ward
Das Mahl von zwanzig Knappen aufgetragen;
Zur Seite glänzte doch empor gethürmt
Der reiche Schenktisch; zwanzig andre pflegten
Des Diensts dabei, und zwanzig bei der Tafel;
Und Pauken schallten, und Trompeten klangen,
So oft der große funkelnde Pokal
Herum ging. Als sie nun die Essenslust
Gestillt, ward ritterlichen höflichen
Gespräches viel gepflogen bis um Mitternacht.
Und Aller Augen waren auf den Alten
Geheftet, wenn er seinen Mund zum Reden aufthat.
So stille ward es dann, man hätt' im Saal
Das Weben einer Spinne hören mögen.
Und König Artus nahm des Alten Hand und sprach:
Herr Branor, einen Mann von Eurem Schrot' und Korn
Gesehen hab' ich nie vor diesem Tage.
So helf' mir Gott, als ich die Väter möchte
Gesehen ha'n, die solche Söhne zeugten!
Ihm gab der alte Ritter diese Antwort:
Herr König, hundert Jahre schon und drüber
Hab' ich erlebt, hab manchen guten Mann
Auf seiner Amme Schoß gesehen, manchen bessern
Begraben helfen. Noch gebricht es nicht
An wackern Rittern und an schönen Frauen,
Die ihres Dienstes werth sind. Aber Männer wie
Zu meinen Zeiten werd' ich nimmer sehn!
Von solcher Mannheit, solchem festen Sinn,
So über Ehr' und Recht und Wahrheit haltend,
So bieder und dem Freund so treu und hold,
So offnen Angesichts und offnen Herzens,
So ohne Falsch, wie König Meliad und Hektor
Der Braun' und Danayn der Roth' und Geron
Der Adelige! — Nein, bei meinem Gott!
Nie werd' ich solche Männer wieder sehn!
Hier brach dem edeln Greis die Stimm'; er senkte
Sein weißes Haupt und schwieg. Und Alles schwieg,
Und Niemand wagt' es eine gute Weile,
Die heil'ge Stille zu entweihn. Zuletzt
Winkt Genievra heimlich ihrem Ritter zu,
Und Lanzelot verstand den Wink und sprach
Zu Branorn: Alter Herr, wir Alle sind
Zu jung, der Ritter, die Ihr nanntet, einen
Gesehn zu haben: nur in Euch noch leben sie,
Der sie gekannt, dem einz'gen ihres Gleichen,
Der unsre Zeit erreichte. Wolltet Ihr
Von ihren Thaten uns erzählen, was Ihr wißt,
Wir Alle würden Euch die Gabe danken.
Der König Artus und die Königin
Und alle Ritter stimmten laut zur Bitte
Des schönen Lanzelot. Die Jungfraun schwiegen,
Doch bat ihr züchtiglich gesenktes Aug'
Und ihrer Wangen Röthe, die Verrätherin
Des jungferlichen schüchternen Verlangens.
Und Branor sah sie freundlich nickend an
Und sagte: Was ihr bittet, ist Gefälligkeit;
Das Alter ist geschwätzig, wie ihr wißt,
Es liebt zu reden von den guten Zeiten,
Die nicht mehr sind, in denen es, als wie
In einem sel'gen Traum', allein noch lebt.
Ich will von Geron, von dem edelsten
Der Männer, die ich sah, Euch was erzählen.
Wohl siebzig Jahre mögen's seyn und mehr,
Seit ihn und mich ein wunderbarer Zufall
Zusammenbracht'! Ich zog im Land' umher
Auf Abenteuer. Eines Tages überfällt
Ein Sturm mich tief im Holz'. Ich suche Schirm
In einer Felsenhöhl'. Ein enger Gang,
Der in den Berg hinein sich windet, lockt mich an,
Zu sehn, wohin er führe. Immer abwärts,
Immer dunkler, tiefer geht's hinab.
Auf einmal wendet sich der Gang, und nun
Steht offen eine Höhle vor mir da,
Von Menschenhand gehauen und gewölbt,
Gleich einer Todtengruft — und in der Gruft,
Beim schwachen Glimmer einer Lampe vom Gewölb'
Herunter seh' ich, wie zwei heil'ge Leiber,
Einander gegenüber, still und hehr
Zwei alte Ritter sitzen. Jetzt und noch,
Nach siebzig Jahren, da ich euch davon
Erzähle, fährt mir's kalt durchs Rückenmark hinauf.
Es war, als weckete mein Anblick sie
Aus einem sanften Schlummer. Unbefremdet, mild
Und freundlich sahen sie mich an, und wohl
Zu thun schien's ihnen, wieder einen Menschen
Zu sehn. Sie hießen mich mit dumpfer Stimme
Willkommen, sagten mir, sie wären beide,
Nachdem sie auf dem Lebensmeere lang'
Herum getrieben, alt und ruhesehnend
In diese stille Gruft herab gestiegen, da
In ihrem Grab des Todes zu erwarten.
Sie würden in der Welt, wo man sie suchte
Und nirgends fand, schon längst für todt gehalten:
Erdgeister pflegten ihrer, brächten ihnen auch
Zuweilen Kundschaft, was die Lebenden
Auf Erden machten. Brehus war der Name
Des einen, Geron hieß der andre,
Geron, der ältere. Vor Zeiten hatte der
In Gallien geherrscht, drauf seinem ältsten Sohne
Das Reich gelassen, um der Ritterschaft
Sich ganz zu widmen. Bald ergriff den Sohn
Der gleiche Trieb. Er übergab sein Reich
Dem jüngern Bruder, zog auf Abenteuer
Viele Jahre lang, kam endlich auch in diese Gruft,
Sein mühvoll Leben hier mit seinem alten Vater
In strenger Buße zu beschließen. — Hier,
So sprach der Alte, der mir dieß erzählte,
Hier ist sein Grab! Wo meines zweiten seines ist,
Weiß Gott. Ihm raubte Faramund, der Franke, Thron
Und Leben. Noch ein einziger ist übrig
Von meinem Blut' und Stamm, mein Enkel, Geron
Der Adelige. Was von Zeit zu Zeit
Die Geister von ihm melden, ist die Nahrung, glaub' ich,
Die mich nicht sterben läßt. Er ist ein Mann!
Und Gott vergelt's ihm, daß er meinem Blut'
Und Namen Ehre macht! — Hier schwieg der Greis.
In diesem Augenblick' entschloß ich mich,
Den Ritter Geron aufzusuchen, und ich zog
An Uthers Hof. Da hört' ich Rühmens viel
Von Gerons Tugenden; er selbst war nicht
Zugegen. Und ich zog ihm nach,
Fand ihn und wunderte mich seiner Schöne,
Der Stärke seines Arms und seines Muths, doch mehr
Der Treue seines Herzens; und er ward mir hold,
Und ich begleitet' ihn auf mancher Fahrt
Und war der Zeuge seiner letzten Thaten.
Noch Knabe war er, als sein Vater Kron'
Und Leben gegen Faramund verlor.
Ein alter Freund von Geron, seinem Ahnherrn,
Hektor der Braune, rettete den Knaben,
Floh nach Britannien mit ihm und ward
Der Führer seiner Jugend und sein Meister in
Der Ritterschaft; und Geron war ihm wie
Sein eigner Sohn. Und als in einer großen Schlacht
Der Alte schwer verwundet fiel, empfing ihn Geron
In seine Arme, schlug mit Löwenmuth
Zu Boden Jeden, der an seinen Freund
Hand legen wollt', und trug ihn auf dem Rücken
In sein Gezelt; allein das Leben ihm zu fristen
Vermocht' er nicht. Und sterbend reichte Hektor
Sein gutes Schwert ihm hin: "Da, sprach er, nimm!
Ich lenne keinen Andern, der's nach mir
Zu führen werth ist!" — Groß und selten war
Des Schwertes Tugend, reich der goldne Griff,
Und reicher viel die fest gestählte Klinge;
Und auf der Klinge stand in goldner Schrift:
Vermiß sich Keiner, untugendlich
Dieß Schwertes anzumuthen sich!
Treu geht über Alles,
Untreu schändet Alles;
Hohn dem Mann, der seinen Schalk
Verbergen will in Löwenbalg!
Der edle Jüngling nahm das heil'ge Schwert
Mit nassem Aug' aus seines sterbenden
Pflegevaters Hand und hielt sich reicher drum,
Als wär' ein Königreich ihm angefallen.
Wie er's verwaltete, deß will ich euch
Ein Beispiel geben — wenn ihr zuzuhören
Nicht müde seyd. —
Und Lanzelot vom See und seine Dame,
Die schöne Königin, betheuerten
Im Namen aller Gegenwärtigen,
Sie würden ihm den ganzen Rest der Nacht
So zuzuhören nimmer müde werden.
Der Alte, unter seinen grauen Augenwimpern
Hervor, schießt einen scharf gespitzten Blick
Auf Lanzelot und auf die Königin,
Und beider Augen sinken vor dem Blick
Des Edeln. Eine kurze Stille folgt,
Und fort fuhr Branor: In denselben Tagen lebte
Im Brittenland' ein edler Ritter, Danayn
Der Rothe, Herr der Burg zu Maloank.
Geron der Adelige ward sein Spießgesell'
Und Freund; sie schworen sich den Todesbund,
Und ihrer beider Liebe ward im Land' umher
Zum Sprichwort'. Und die Frau zu Maloank,
Des Danayns Vermählte, war das schönste Weib
Im ganzen Brittenland, das schöner Weiber
Vor allen Landen sich berühmen mag;
Sie ohne Liebesregung anzuschauen war
Unmöglich. Geron, wie er sie zum ersten Mal'
Erblickte, dacht' in seinem Herzen: "Ah!
Der thäte wahrlich keinen theuren Kauf,
Der eine Nacht in dieses Weibes Arm
Mit seinem Leben kaufte!" — Und von diesem Nu
Vermied er streng', ins Auge ihr zu sehn,
Sprach selten bei ihr an und nie allein,
Noch anders, als in seines Freundes Gegenwart,
In dessen treues Herz und Biederauge
Kein Argwohn kam. Sie zogen Monden lang
Und länger oft zusammen aus, auf Abenteuer
In fremden Landen oder an die Höfe
Der Fürsten, wo in Ritterspielen Ruhm
Zu holen war: und wenn nach Maloank
Sie wieder kamen, blieb Herr Geron fest
Bei seiner Weise, haltend ob dem Bund,
Den er gemacht mit seinen Augen; so,
Daß, wer ihn sah, geschworen hätt', ihm sey
Die schöne Frau von Maloank nicht mehr,
Noch weniger, als jedes andre Weib.
Zum Unglück war das Herz der schönen Frau
So nicht verwahrt wie seines. Ihr erschien
Beim ersten Anblick Geron als der Mann
Aus allen Männern, dem ein edles Weib
Den Sold der Minne nicht versagen könnte;
Und ungewahrsam läßt sie auf und ab
Die Augen schweifen auf der stattlichen
Gestalt und schaut ihn an und wieder an,
Wie schön er ist, berauscht ihr Aug' und Herz
An ihm, nichts Böses ahnend; nennt es Freundschaft
Und Höflichkeit und täuschet sich mit Namen
So lange, bis sie sich nicht länger täuschen kann,
Und nun zu heiß die Wunde brennt, sie dem
Zu bergen, der allein sie heilen mag.
Des Weibes Liebe hat ein Falkenauge.
Wie sehr sich Geron ihr verbergen will,
Sobald sein Auge mit dem ihrigen
Zusammen trifft, so sieht sie oder glaubt zu sehn,
Es glimm' in seinem trüben Feuer — Liebe.
In dieser Hoffnung laurt sie auf Gelegenheit,
Allein mit ihm zu seyn, und wie es ihr
Gelingt, bekennt sie ihm ihr Liebesweh'.
In schönerer Gestalt versuchte nie
Die Sünde ein Geschöpf von Fleisch und Blut.
Von ihren Lippen floß der ersten Schlange
Beredsamkeit, Verführung athmete
Aus ihrem Busen, lockt' in ihrem Arm.
Nie kämpfte Geron einen schwerern Kampf:
Doch Freundschaft, Treue, Hektor, Danayn
Stehn zwischen ihm und seines Freundes Weib,
Wie Engel Gottes mit dem Flammenschwert.
Das wolle Gott nicht, daß ich fähig sey,
Den Augenblick von Schwäche zu mißbrauchen,
Der meines Freundes Weib in meine Hände gibt!
Rief er und wand aus ihrem Arm sich los.
Verwirrt und sprachlos stand, von ihrer Hoffnung
So arg getäuscht, indem er ihr entfloh,
Die Schuld'ge da und wäre gleich vor Scham
Und Schmerz gestorben, wär' ihr's zweifelhaft
Nur einen Augenblick gewesen, ob der Mann
Sie aus Verachtung also abgewiesen.
Doch ihre Augen hatten ihr zu wohl gedient.
"Er liebt mich, denkt sie: sah ich nicht den Kampf
In seiner Seele? O, gewiß, sein Herz
Hat keine Schuld!" — Und nun erscheint ihr Geron
Der Adelige seiner Treue wegen
Nur herrlicher, gerechter ihre Liebe
Zu solchem Manne! Ja, sie rühmt sogar
Sich ihrer schönen Schwachheit in sich selbst
Und zeigt sie immer unverhohlner ihm
In ihren Augen. Geron wurde dieß ein Wink,
Sich der gefährlichen Versucherin
Nicht länger auszusetzen. Und er zog hinweg
Von Maloank und kam nach Braunenthal
Zu einem Ritter, dessen Burg daselbst
Gelegen war. Da gingen viele Tage
Mit Jagen, Lanzenbrechen, Sang und Tanz
Vorüber. Aber Geron wurde deß
Bald überdrüssig. — "Wäre Danayn
Doch auch da! dacht' er: ohne meinen Freund
Zu leben unter diesem fremden kalten Volke,
Das duld' ich länger nicht!" — Wie viel die Frau
Von Maloank an seinem Ueberdruß
Theil haben könnte, mocht' er so genau
Sich selbst nicht fragen; kurz, er ließ sich waffnen,
Bestieg sein Roß und zog zurück nach Maloank.
Groß war die Freude seiner Wiederkunft
Bei Danayn dem Rothen, seinem Freund,
Der so ihn liebte, daß sich Zwillingsbrüder
Nicht besser lieben könnten. Und wiewohl sie schon
So lange Spießgesellen waren und so selten
Sich trennten, dennoch lebte weder Ritter
Noch Jungfrau in der Burg, die Gerons Namen
Zu nennen wußten, außer Danayn
Und seiner Dame: Alles nannt' ihn bloß
Den guten Ritter; andern Namen wußten
Die Leute in der Burg ihm nicht zu geben.
Begab sich's nun, daß, während Geron sich
Zu Maloank enthielt, ein Schildknapp kam
Und ging zu Danayn, ihm meldend, daß
In sieben Tagen vor der beiden Schwestern Burg
Ein groß Turnier gehalten werden sollte.
So helf mir Gott, spricht Danayn, als ich
Dabei bin, wenn ich anders kommen kann!
Und stracks ging Danayn der Rothe, seinen Freund
Zu suchen; und sie wurden eins, zusammen
Hinauf zu reiten nach der Schwestern Burg,
Doch unbekannt und nur in schlechten Waffen.
Und das Gerücht davon ging in die Burg
Und kam bald vor die Frau von Maloank.
Unb wie die Dame das vernahm, gefiel
Ihr's sehr. Denn, weil der Schwestern Burg
Nur eines halben Tages Weg von Maloank
Entfernt lag, hoffte sie, Herr Danayn
Der Rothe würde (wie es Sitte war
In solchem Falle) zum Turnier sie führen.
Denn in denselben Tagen war an Schönheit wohl
Kein Weib in allen Landen gleich der Frau
Von Maloank. — "Und Geron (dachte sie)
Wird mit uns ziehn, und mir die Freude werden,
Zu sehen, wie er unter allen Königen
Und Rittern aus der ganzen Welt der wackerste
Und schönste ist." — Denn immer hing ihr Herz
An Geron noch, wiewohl er ihre Liebe so
Zurück gewiesen. Geron war und blieb
Der einz'ge Mann in ihren Augen. Ihn
Allein nur kann sie lieben, mag bei Tag und Nacht
An nichts als seine Schönheit und sein adelig
Gemüth und seine Tapferkeit und treuen Sinn
Gedenken; wollte lieber seine Dame seyn,
Als Frau der ganzen Welt; gelobt sich heilig, nie
Ihr Herz von ihm zu wenden. Sollte sie
Mit ihrem Leben ihre Liebe büßen,
Mit tausend Freuden wollte sie es ihm
Zu Liebe thun, sich's noch zur Ehre schätzen.
So war der Frau von Maloank zu Muth,
Als nach der Burg zu gehen sie beschloß.
Denselben Abend noch sprach sie davon
Mit ihrem Manne; und Herr Danayn
Gab ihr gefällig lächelnd zum Bescheid:
Frau, weil Ihr's wollt, so bin ich's wohl zufrieden;
Ich will zur Schwesternburg mit solchem Staat'
Euch führen lassen, wie für eine Frau
Von Eurem Stand und Wesen ziemlich ist;
Will Jungfraun viel Euch zur Gesellschaft geben
Und Ritter, die Euch sicher hin und her
Geleiten sollen: nur ich selber kann es nicht
Für dieß Mal, weil wir beide, ich und Geron, nur
In schlechten Waffen zum Turnier zu kommen
Und unerkannt zu bleiben Willens sind.
Als nun die Zeit heran kam, machten sich
Die beiden Ritter, nur mit einem Knappen,
Der Schild' und Schwerter nachtrug, auf die Fahrt
Und kamen, durch viel Nebenwege, unerkannt
Zur Schwesternburg, indeß die Frau von Maloank,
In großem Staat, von sechsundzwanzig Rittern
Geleitet, den geraden Heerweg zog.
Und nahe bei der Burg begegnete
Den beiden Freunden auf dem Plan Herr Flaunz,
Ein junger Schalk und Prahler, der in Ritterschaft
Kein kleiner Wicht zu seyn sich dünken ließ,
Und der zur Zeit und Unzeit gar zu gern
Hochmuthete und neckte männiglich,
Der ihm in Wurf kam und es leiden mochte.
Wie der die beiden Ritter so daher
Gelassen traben sieht, in schwarzen Waffen, schwarz
Die Schild' und Speer', ihr ganzer Aufzug schlecht
Und scheinlos, sprengt er auf sie zu und fordert sie
Heraus, gleich auf der Stelle einen Speer
Mit ihm zu brechen. Dessen wehrten sie
Gar höflich sich, als solche, die auf morgen
Sich sparen wollten; aber all umsonst:
Je ehrlicher sie sprachen, desto gröber ward
Herr Flaunz, der Schalk; und da sie, ohne sein
Zu achten, ihres Weges zogen, spottet' er
Zu einem Ritter von der Tafelrunde, der
Zur Seite stand, der beiden schwarzen Knechte
Und sprach so laut, daß sie es hören mochten.
Darob entbrannte Danayn in Zorn
Und sprach zu Geron: Bruder, hörst du da
Die Ritter, die vermeinen ungestraft
Uns hochzumuthen? —Was bedünkt dich? —"Mach's, wie ich,
Versetzt Herr Geron, laß sie klaffen! Ihr Geschwätz
Wird uns nicht schlechter und nicht besser machen;
Und höhnen sie uns heute, leicht mag's seyn,
Es reut sie morgen, halten dann sich selbst
Für Gecken drum und wollten gern' ihr Maul
Gehalten haben. Ihrer laufen viel
Herum im Lande, die sich groß damit
Bedünken, strenge Späßlinge zu seyn
Und Alles kurz und lang heraus zu geifern,
Was ihnen in die Zähne schießt. Ich meines Orts
Nehm keine Kundschaft dessen, was sie sagen,
Und wenn sie reden, ist's mir eben so,
Als schwiegen sie." —Bei Gott, Herr Bruder, du hast Recht,
Erwiedert Danayn: von Stund' an mögen sie,
Was ihnen lüstet, gackeln, bis sie's müde sind;
Sey eine Memme, der sich dessen kümmert!
Herr Irwin, einer von den adeligsten Rittern
Der Tafelrunde, hörte mit Verdrieß die Reden
Des jungen Knechts, der also ohne Sache
Die unbekannten Ritter geckte; und
Er straft' ihn deß mit harten Worten. Aber Flaunz,
Zu zeigen, daß er Keinen fürchte, fing
Von neuem an. Deß hatt' er wenig Frucht:
Denn beide Ritter zogen ihrer Straße, seiner
Nicht achtend, dachten; "Morgen wird sich's weisen."
Und wie das Herz es ihnen vorgesagt,
Erging's am Tage des Turneis. Danayn
Und Geron warfen alle Ritter aus dem Sattel,
Und keiner war, der ihnen wehren mochte,
Den Dank davon zu tragen. — Und es war
Des Fragens viel von Mund zu Munde, wer
Die Ritter wären: aber Niemand kannte sie,
Als nur allein die Frau von Maloank,
Die ihres Herzens Lust an Geron sah
Und seinen Thaten. Denn, wiewohl er nur
In schlechten Waffen aufzog, dennoch war
Der andern Keiner ihm an Anstand gleich;
Und sah, ihn, den schwarzen Schild am Halse,
Das blanke Schwert gezückt in seiner Faust,
Im Trupp der Ritter, die in hellen Farben
Und goldgestickten Wappenröcken strotzten,
Bei ihr vorüber ziehn, dann dünkte ihr,
Sie sehe Niemand auf dem Plan als ihn.
Der schönen Fraun und Jungfraun waren viel,
Die zu der Schwestern Burg auf diesen Tag
Gekommen waren, um zu sehen und
Gesehn zu werden. Aber alle standen um
Die Frau von Maloank, wie Wiesenblumen
Um einen vollauf blühnden Rosenbusch.
Und allen Rittern, die so schön sie sahn,
Schlug hoch das Herz; doch höher keinem schlug's,
Als Lak, dem Freund des Königs Meliad,
Der, wie durch einen Zauberspruch gebunden,
Sein Angesicht nicht von ihr wenden konnte.
Der ist gefangen, sprach der König zu sich selbst.
Und zu erforschen, wie ihm wäre, hub er an
Von ihrem Staat' und ihrem fürstlichen
Geschmeid' und von den sechsundzwanzig Rittern,
Die zum Geleit' ihr dienten. Und Herr Lak
Erwiedert' ihm: die sechsundzwanzig Ritter,
Wie mannhaft sie sich dünkten, wären nur
Ein schwacher Schirm für so ein schönes Weib.
"So helf mir Gott, Herr König Meliad,
Wo diese Frau in einem Walde mir
Begegnete und hätte zum Geleit'
Nur diese sechsundzwanzig, als ich mir
Getraute, sie von ihnen zu gewinnen!"
Herr Danayn, den Spielen zuzusehn erpicht,
Vernahm von dieser Rede nichts. Allein
Von ungefähr stand Geron nah genug,
Um Wort für Wort zu hören, was Herr Lak
Zum König sprach. Und ob sein Herz ihm schon
Entbrannte, daß ein Mann von seines Freundes Weibe
So sprechen sollte, dennoch däucht' es ihm,
Der Ritter, dessen Seele solcher That
Sich werthen dürfte, müßte wohl von Noth
Der besten einer seyn. Und Geron trat
Zu ihm und redet' ihn mit höflichen
Geberden an, ihm zu erkennen gebend,
Er habe wohl verstanden, was Herr Lak
Zum Könige gesprochen. Ich bekenne mich
Dazu, versetzte Lak, und, dessen mich
Zu unterstehen, sollte mich nicht hindern, wenn
Ihr selbst der sechsundzwanzig einer wärt.
Wenn dieß ist, sagte Geron, und Ihr traut Euch zu,
Bloß einer Frau zu Lieb mit sechsundzwanzig Rittern
Es aufzunehmen; sollt' Euch wohl, den Dank
Des Turneis zu gewinnen, über uns
Ein Leichtes seyn?
Das ist ein Wort, sprach Lak,
Ich bin dabei. Und König Meliad
Und Danayn, der auch dazu kam, nahmen Theil
An ihrer Wette, und sie wurden eins,
Dreimal zu rennen, Geron gegen Lak,
Und König Meliad an Danayn.
Zum ersten Male rennten Danayn
Und Geron jeder seinen Gegner nieder;
Beim zweiten Rennen drehte sich das Glück,
Die beiden Freunde wurden aus dem Sattel
Gehoben; doch im dritten trugen sie
Mit hohem Lob des Turneis Dank davon.
Und als die Nacht herein brach, kam in Hast
Zu Danayn ein Schildknapp, meldend: daß
Die Mörder seines Neffen, die er überall
Aufsuchen ließ, sich wenig Stunden weit
Von dannen sehen lassen. Alsbald machte sich
Der Ritter auf, sie zu verfolgen. Und er sprach
Zu Geron: Bruder, ein Geschäft ruft mich,
Das keinen Aufschub leidet; ziehe du
Nach Maloank und harre mein daselbst.
Das ließ er auch der Frau von Maloank
Entbieten; und so kehrte sie mit ihrem Zug
Des Morgens drauf nach ihrer Burg zurück.
Herr Geron hatte nicht des Worts vergessen,
Das Lak gesprochen; und sobald die Frau
Von Maloank die Burg der Schwestern wieder
Verlassen, folgt' er ihr von ferne nach.
Allein Herr Lak, der schönen Beute nicht
Zu fehlen, hatte früh sich aufgemacht
Und tief in einem holzbewachsnen Thale,
Wodurch sie ziehen mußte, sich in Hinterhalt
Gelegt; und als der Zug heran kam, fiel
Er, wie ein Blitz aus hellem Himmel, über
Die sechsundzwanzig, trieb sie in die Flucht
Und nahm die Frau und ritt mit ihr davon.
Herr Geron hatte durch ein Abenteuer
Von ungefähr den Weg verloren, den
Die Dame zog. Und wie er, ihre Spur
Zu suchen, wieder seitwärts lenkte, ließ
Sein gutes Glück ihn auf den Räuber stoßen,
Der wohlgemuth mit seiner schönen Beute
Einher getrabet kam. Das Kleinod war
Wohl eines Kampfs um Tod und Leben werth.
Und ängstlich ringend ihre schönen Arme, that
Die Frau zu allen Heiligen im Himmelreich
Gelübde, mehr für ihren Freund als sich.
Doch bald entriß der Tapfre sie der Furcht
Des Ausgangs; denn mit Löwengrimm
Umschlang er seinen rauhen Gegner, warf
Zu Boden ihn und zwang ihn, von der Milde
Der Frau von Maloank sein Leben anzunehmen.
Wie groß die Freude war der schönen Frau,
Als sie befreit sich sah, und durch die Hand
Des Mannes, den sie über Alles liebt!
Geringer kaum des Ritters, seine Dame
Ersiegt zu haben und bestraft den Trotz
Des frechen Nebenbuhlers! — Beide sehn sich an,
Und beide bleiben sprachlos; ihre ganze Seele ist
In ihren Augen. Alles um sie her
Ist Wald und still und einsam; sie und er
Die Einz'gen in der Welt. Welch Augenblick,
Des Freundes zu vergessen! — Aber Geron kam
Bald wieder zu sich selber, trat zurück und sprach
Zur Frauen: Dame, ledig seyd Ihr nun
Des Ritters, möget nun nach Maloank
In Frieden ziehn nach Eurem eignen Willen.
Ihm gibt die Frau zur Antwort: Edler Herr,
Daß ich befreit bin, deß sey Gott gedankt
Und Eurem Arme! Denn gehöhnt auf ewig
Und aller Ehren bar wär' ich geblieben,
Hätt' Euer Muth die Schmach mir nicht vergaumt.
Allein was nun beginnen? Meine Reisigen
Und Knappen sind entflohn, desselben gleichen
Auch meine Jungfraun alle haben mich
Allein gelassen. Spricht zu ihr der Ritter: Frau,
Seyd unbekümmert; Eure Leute können nicht
So ferne seyn; sie werden wieder sich
Zu Euch versammeln. Reiten wir indeß
In diesem Pfade fort, der ohne Fehl
Uns wieder in den Heerweg bringen wird.
Und mit dem Worte ritten sie von dannen.
Als nun die schöne Frau von Maloank,
Sich ihres Schreckens quitt und mit dem Manne,
Der über Alles lieb ihr war, so ganz allein
Sich sah und dachte bei sich selbst, wie im Turnier
Er Allen es zuvorgethan, und wie
So adelig und schön und hold er war
In allen Dingen, über alle Männer, die
Ihr jemals vorgekommen: da bewegte sich
Ihr Herz so stark in ihr, sie wußte nicht,
Wie ihr geschah, und was sie sagen, oder wie
Sie schweigen sollte. — Noth ist ihr zu reden:
Allein die Furcht, noch einmal abgewiesen
Zu werden, schreckt sie. Liebe setzt ihr zu,
Ihm frei zu offenbaren, was ihr Herz
Gelüstet: aber Scham hält ihren Mund,
Sobald sie reden will. Auf einer Seite
Spricht Liebe: "Dame, redet ohne Scheu,
Er weiset Euch gewiß nicht wieder ab.
Ihr seyd so wohlgethan von Leib und Angesicht,
Der wäre nicht des Ritternamens werth,
Der eine Frau wie Ihr zum dritten Mal
Abweisen könnte; wäget's nur getrost!"
Doch Scham spricht auf der andern: "Dame, hütet Euch
Zu reden! Geron liebet Danayn
So stät und treu, er würd' um Alles in der Welt
An ihm nicht fehlen. Rechnet sicher drauf,
Ihr werdet abgewiesen." — So verstummte denn
Die Dame zwischen beiden, und sie ritten
Noch eine gute Weile schweigend fort.
Indessen hatt' auf seiner Seite Geron
In seinem Herzen keinen leichtern Kampf
Zu kämpfen. Denn, so oft er auf die Frau
Die Augen warf, war ihm so weh nach ihr
Und dachte: sollt' er nur ein einzigs volles Mal
Sein Herz an ihres drücken, seine Seele gäb'
Er drum! — Zu kämpfen länger däucht ihn weder möglich
Noch ehrlich gegen ein so schönes Weib,
Das ihm so hold ist. Alles schicket sich
Zu ihrer beider Wünschen. Zeit und Ort,
So still, so einsam, werden nimmermehr
So wieder kommen! — "Aber, deines Freundes Weib,
Des Waffenbruders, der dich höher liebt,
Als seiner Augen eines! Das verhüte Gott,
Daß so ein wackrer Ritter durch den Mann
Geschändet werde, gegen dessen Treu' er sich
Den kleinsten Zweifel nie verzeihen würde!
Wie wolltest du in deinem Leben wieder
Ihm in die Augen schauen? welchem Andern, der
Auf Ehre hält? und wie dich selbst ertragen
Nach solcher That? —"
In diesen wechselnden
Gedanken ritt er schweigend hinter ihr;
Doch konnt' er sich nicht wehren, dann und wann
Sie anzusehen, und je öfter er
Sie ansah, desto schöner däucht sie ihm.
Zwei oder drei Mal war ihm's auf der Zunge,
Es ihr zu sagen, wenn die Scham ihm nicht
Den Mund verschlossen hätte.
Endlich hob die Frau
(Der Noth war, ihrem Herzen Luft zu schaffen)
Von selber an und sprach zu Geron: Lieber Herr,
So gebe Gott Euch gute Abenteuer!
Sagt mir, was ist in aller Welt das Ding,
Das einen Ritter, Kühnheit zu beweisen
Und hohen Muth, am stärksten treiben kann?
Erwiedert Geron: "Dame, zweifelt nicht,
Es ist die Minne. Rechte Minne hat
So hohe wundersame Kraft, sie könnte wohl
Aus einem feigen Menschen einen waglichen,
Beherzten Ritter machen."
Gott behüte!
Versetzt die Dame: wenn dem also ist,
Welch ein gewaltig Wesen müßte dann von Noth
Die Minne seyn!
Erwiedert ihr Herr Geron:
"Ja, wahrlich, dem ist also, wie Ihr sagt!
Und wisset, Dame, nie und nimmermehr
In meinem Leben wär' ich das gewesen,
Was diesen Tag Herr Lak erfahren, hätte mich
Die Minne nicht gestärkt, noch hätte Lak,
Obschon der besten Ritter einer, je
Die sechsundzwanzig Reisigen von Maloank
Zur Flucht gebracht, wie er gethan, wo nicht
Die Minne ihm die Kraft zu solcher That
Gegeben hätte."
Wie? (versetzt die Frau)
Aus Euren Reden scheint's, Ihr selber liebt
Mit rechter Minne?
"Dame, ganz gewiß
Sagt Ihr die Wahrheit, war des Ritters Antwort:
Auch acht' ich dessen mich für hoch beglückt,
Weil ich mich kühnlich rühmen mag, daß an
Die schönste Frau, die in der Welt ist, ich
Mein Herz gesetzt; und drum allein vermag
Ich Dinge, die ich andrer Weise nie
Bestehen könnte. Denn das glaubt mir, Dame,
Wär's nicht in dieser übergroßen Minnekraft,
Ich hätt' in diesem Turnei nicht gethan,
Was Ihr gesehen habt; und hab' ich Lob
Damit verdient, so bin ich's lediglich
Der Lieb' und meiner Dame schuldig; ihnen ganz
Allein gebührt der Dank."
Die edle Frau
Von Maloank, indem sie ihren Ritter
So reden hört, erfreut sich ohne Maß.
Denn wohl sagt ihr das Herz: wenn Geron liebt,
So liebt er dich und keine Andre in der Welt.
Und wie er aufgehört zu reden, nahm sie wieder
Das Wort und sprach: Mein Herr, so gebe Gott
Euch gute Abenteuer! sagt mir ohne Scherz,
Wer ist die Dame, die so lieb Euch ist
Und über alle andre Frauen in der Welt
Euch schön zu seyn bedünkt?
"So helf mir Gott,
Versetzt er, als die schönste aller Frauen in
Der ganzen Welt kein' andre ist als Ihr,
Und wohl versichert müßt Ihr dessen selbst
In Eurem Herzen seyn. Ja, liebe Frau,
Ihr seyd es, die ich minne, so wie baß
Kein Ritter seine Dame minnen mag."
Herr (spricht zu ihm die Frau), was soll ich denken
Von Euren Reden? Sicher ist's nicht Euer Ernst;
Ich seh', Ihr harret meiner Antwort nur,
Um meiner dann zu spotten. Denn es ist
So lange nicht, und ich erinnre mich's
Sehr wohl, wie ich das Alles, was Ihr mir
Da sagtet, Euch gesagt, und wie Ihr härtiglich
Mich abgewiesen. Jetzo wollt Ihr mich bereden,
Ihr liebtet mich so mächtig. Guter Herr,
Was wollt Ihr, daß ich glaube?
"Liebste Frau,
(Erwiedert Geron) pflegt, um Gottes willen,
Nicht solcher Reden mehr. Daß damals ich bethört
Und blind war, laßt mich dessen jetzund nicht
Entgelten! Nehmet mich zu Eurem Ritter an
Und seyd versichert, Herzenskönigin,
Daß keine Minne in der Welt aufrichtiger
Als meine ist."
Die Frau von Maloank
Hat solche Freude, ihren Ritter also reden
Zu hören, daß ihr ist, sie hör' ihn immer noch,
Auch da er wieder schweigt. Sie zweifelt nun
Nicht mehr an seiner Liebe, weidet sich
Daran so innig, daß ihr ist, sie athme, schwimme
In lauter Liebe; ist so voll von ihm
Und ihrem Glück' und kann doch nichts
Zu Worten bringen, horchet nur und schweigt,
Als ob sie fürchte, sie verliere was davon
Durch Reden.
Wie sie eine Weile nun
So fortgeritten, zeigte sich ein kleiner Pfad,
Der mitten durch den Wald geraden Wegs
Zu einem Brunnen führte. Geron lenkt dahin
Und spricht zu seiner Lieben: "Dame, Müdigkeit
Vom Turnei und der Arbeit dieses Morgens
Befällt mich; hieltet Ihr's genehm, so möcht' ich wohl
Ein wenig Ruhens pflegen an dem Brunnen dort,
Der vor uns liegt."
Mein Herr, (versetzt die Frau
Erröthend) thut nach Eurem Willen. Und er nahm
Den Weg zum Brunnen, und die Dame ritt
Ihm schweigend nach. Und als sie nun dahin
Gekommen waren, stieg Herr Geron ab
Und band sein Roß an einen Baum, ging dann
Der Frau Maloank herab zu helfen.
Ein frischer Rasen, lustig überschattet
Von Bäumen, war daselbst, umschlossen rund
Mit Büschen, still und lieb und heimlich, als sie sich
Zum Ruhen einen Platz nur wünschen mochten.
Hier setzt er seine Dame, wie er sie
Vom Pferd' herab in seinen Arm empfangen,
Im Schatten hin; beginnt dann Stück vor Stück
Sich zu entwaffnen, nimmt die Haube ab
Und schnallt den Harnisch von den Schultern und
Den schwarzen Schild und legt es Alles auf
Den Brunnen hin; und oben drauf sein gutes Schwert,
Das einst der unbescholtne Ritter Hektor Braun
Geführt und sterbend ihm zum Erbe ließ,
Und das, um seines ersten Herren willen, ihm
So lieb war, daß er nicht das beste Schloß
Des Königs Uther drum genommen hätte.
Allein in diesem Augenblick der Trunkenheit,
Jetzt dacht' er wenig an sein Schwert und an
Die Ritterspflicht, wozu es den verband,
Der nach dem wackern Hektor es zu führen sich
Vermaß. Verlassen hatten ihn zum ersten Mal
In seinem Leben Ehr' und Biedertreu',
Und heißer Hunger nach der süßen Frucht
Der Minne jedes edlere Gefühl in seiner Brust
Verdrungen. Geron ist nicht Geron mehr,
Hat seines Danayns vergessen, seiner selbst
Vergessen, eilt mit rascher Ungeduld
Sich vollends zu entwaffnen; während daß
Die schöne Frau, in süßer Scham, die Augen
Gesenkt auf ihren Schoß, verstummt und kaum
Zu athmen sich getraut.
Und siehe da,
Als Geron eben ihr sich nähern wollte,
Begab sich's, daß vom Rand des Brunnens, wo
Er seine Waffen auf einander hingelegt,
Sein gutes Schwert hinab ins Wasser fiel,
Und wie er's plätschern hört, verläßt er stracks
Die schöne Frau und läuft, sein liebes Schwert
Zu retten, zieht's heraus und trocknet's ab,
Wischt's fleißig wieder blank; und als er's um
Und um betrachtet, ob es unbeschädigt ist,
Fällt ihm die goldne Aufschrift ins Gesicht,
Die Hektor in die Klinge graben lassen.
Er bebt und liest und liest es wieder und
Zum dritten Mal', als ob er nie zuvor die Worte
Gesehen; und auf ein Mal ist's, es fall'
Ein Zauber von ihm ab. Er steht, das gute Schwert
In seiner Hand, und sinkt tief in sich selbst.
"Wo bin ich? — Gott im Himmel! welche That
Zu thun kam ich hierher?" Die Knie erschlaffen ihm
Von dem Gedanken. Und, sein Schwert noch in der Hand
Setzt auf den Brunnen er sich hin, der Frau
Den Rücken kehrend, kummervoll, und sinkt
Aus einem traurigen Gedanken in den andern.
Und wie die Dame, die noch kaum zuvor
Ihn froh und wacker sah, so plötzlich ihn
In solche wunderbare Schwermuth fallen sieht,
Erschrickt sie deß und weiß nicht, was davon
Sie denken soll. Und um zu sehen, was ihm ist,
Geht sie mit leisen Schritten furchtsam hin
Und spricht zu ihm: Mein Herr, was sinnet Ihr?
Und Geron, ohne ihr zu achten, blickt
Mit starren Augen auf sein Schwert und gibt
Ihr keine Antwort. Lange harret deren
Die holde Frau, und da er keine gibt,
Tritt sie noch näher hin und wiederholt
Mit sanfter Stimme: Lieber Herr, was sinnet Ihr?
Und tief erseufzend: Was ich sinne? spricht
Der Ritter: so erbarme Gott im Himmel
Sich meiner Seele, Frau, als ich nach dem,
Was ich an meinem Bruder Danayn
Begangen, länger nicht zu leben würdig bin!
Und als er dieß gesagt,
Begann sein Schwert er wieder anzuschaun
Und sprach mit tiefem Schmerz: Du gutes Schwert,
In wessen Hand bist du gefallen! Wie so gar
Ein andrer Mann war der, der ehmals dich
Geführt! Verrath noch Untreu kam sein Leben lang
Nicht in sein Herz — Vergib mir! — Führen darf
Ich dich nicht länger, aber rächen will ich dich
Und ihn — der Bessers von mir hoffte, da er dich
Mir anvertraute! —
— — — Mit dem Worte zückt'
Er seinen Arm, und eh die Frau, vor Schrecken starr,
Es hindern mochte, stieß er mit dem Schwert
Sich durch und durch, zog's mit Gewalt dann wieder
Heraus und hätte sich noch einen Stoß
Gegeben, wäre nicht die Frau von Maloank
Mit aller Stärke der Verzweiflung und der Liebe
Ihm in den Arm gefallen. Guter Ritter,
Um Gottes willen, schonet Euer selbst,
(Rief sie ihm weinend zu) ermordet nicht
So grausamlich Euch selbst und mich in Euch —
Um nichts! —
O, rief er, Dame, laßt
Mir meinen Willen. Ich verdiene nicht
Zu leben, und so will ich sterben, lieber als
In Schande leben! — Aber lauter weinend hielt
Die Frau mit aller ihrer Stärke ihm den Arm.
In diesem Augenblick kam Danayn
Zurück von seiner Fahrt. Gefunden und bestraft
Hatt' er die Mörder seines Neffen; beide waren sie
Gefallen unter seinem Schwert. Nun eilet er
Zurück nach Maloank zu seinem Freund;
Und wie, nicht fern vom Brunnen, er im Wald
Daher zieht, trifft ein Klageton sein Ohr
Vom Brunnen her; und alsbald lenket er
Dahin, und siehe! Geron liegt in seinem Blut,
Und blutig überall, in stummer Angst,
Die Frau von Maloank bei ihm, allein,
Die Hände ringend. — Danayn, anstatt
Zu fragen, springt vom Ross' und eilt dem Freund
Zu Hülfe. Aber Geron weigert sich,
Sie anzunehmen, will nicht leben, klagt
Sich selber an vor seinem Freund, verbirgt
Ihm nichts als seines Weibes Schwachheit, nimmt
Auf sich allein die ganze Schuld. Und wie
Er Alles ihm bekannt hat, reicht er ihm
Die Hand und spricht: Vergib mir, Bruder, wenn
Du kannst, und laß mich sterben: aber hasse nicht
Mein Angedenken — denn die Reue kam
Der That zuvor. In meinem Herzen war
Die Untreu nur: so laß mein Herzensblut
Sie löschen!
Aber Danayn, der Edle, fühlt'
In diesem Augenblick die Herrlichkeit
Der Tugend seines Freundes mehr, als er
Sie je zuvor gefühlt; so offenbar
Liegt Gerons Herz und Wesen, wie sein eignes,
Vor seinen Augen da. Er fleht
Ihn dringendlich, sich selber zu verzeihn,
Beschwört bei ihrer heil'gen Freundschaft ihn,
Zu leben, schwört ihm, daß er mehr als je
Ihn ehr' und liebe!
Ueberwältiget
Von solcher Liebe, willigt Geron endlich ein,
Für seinen Freund zu leben, überläßt
Sich seiner Pfleg' und wird auf einer Bahre nach
Dem nächsten Schloß getragen, wo
Ein guter alter Ritter sich enthielt,
Ein Freund von Danayn. Der lebte da
Mit einer Tochter, die an Schönheit kaum
Der Frau von Maloank den Vorzug ließ
Und viel verborgner Mittel kundig war,
Die schwersten Wunden bald und wohl zu heilen.
Die edle Jungfrau liebte heimlich Geron
Den Adeligen, und durch ihre Kunst
Und Pflege ward er heil in wenig Wochen
Von seiner Wunde. Aber tödtlich war
Die Wunde, die das Abenteuer am Brunnen
Der Frau zu Maloank geschlagen. Solchen Wechsel,
So plötzlich, so gewaltsam, zu ertragen, war
Ihr weiches Herz zu schwach. In schwerer Angst
Lag sie die ganze Nacht als wie in Feuer;
Und gleich am andern Morgen brach die Wuth
Des Fiebers aus und wuchs mit solcher Macht,
Daß keine Rettung war. Sie starb am dritten Tage,
Und Gerons Name war ihr letzter Laut.
                       -
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Hier schwieg der alte Ritter. Und mit ernstem Blick
Sah er die Frauen und die Ritter alle,
Die um die Tafel saßen, schweigend an;
Und allen Jungfraun schlichen stille Thränen
Die glühende Wang' herab, und alle Ritter schlugen
Die Augen nieder. Und Frau Genievra,
Die Königin, die, während er erzählte,
Bald todtblaß worden war, bald feuerroth,
Rief, ihre Unruh zu verbergen, seufzend aus:
"'s ist eine traurige Geschichte!" — Und wie ging's
Nun Eurem Geron weiter? — fragte Lanzelot.
Nach der Geschichte, spricht der alte Branor, hab'
Ich nichts mehr zu erzählen. —
Und der König Artus
Stand von der Tafel auf, und Alle standen auf,
Und Artus sprach zu Branorn: Ritter, ein Gemach
Ist Euch bereitet in der Burg für diese Nacht
Und alle Tage, die Ihr bei uns bleiben wollt.
Herr König, gab der alte Mann zur Antwort,
So gebe Gott Euch Ruhm und guten Muth,
Als ich gelobet hab', an keinem Hof'
In meinem Leben über Nacht zu bleiben.
Die Ritter sahn einander schweigend an;
Und Branor neigte vor dem König sich
Und vor der Königin, nahm seine Waffen,
Bestieg sein Roß und ritt bei Sternenlicht
Zurück in seinen Wald.
—————

Clelia und Sinibald

oder die Bevölkerung von Lampeduse.

Ein Gedicht in zehn Büchern.

1783.

Einleitung.

Für dieses Mal — doch ohne Präjudiz —
Soll keine Muse sich mit unserm Spiel bemühen,
Kein Hippogryph, behender als der Blitz,
Mit uns davon ins Land der Elfen fliehen:
Der Dichter mag mit seinem Bißchen Witz,
So gut er selber kann, sich aus der Sache ziehen!
Es soll ein Gott, wie Flaccus lehrt, nur dann
Ex Machina dem Stück entgegen springen,
Wenn der Poet mit rechten Dingen
Den Helden und sich selbst nicht weiter helfen kann.
Hier ist demnach von Feen und von Zwergen,
Von Lilienstab und Horn und Becher keine Spur;
Den Orthodoxen der Natur
Zu großem Trost! Doch können wir nicht bergen,
Daß zweimal wenigstens (wiewohl im Traume nur,
Und ohne selbst persönlich auf die Bühne
Hervor zu gehn) die heilige Kathrine
Mit ihrem Schwert' und einem Kranz von Myrt'
Und Rose um die Stirn, sich sehen lassen wird.
In einem Traum (der, wie ihr wißt, im Magen
Erzeugt wird) läßt sich das noch allenfalls ertragen:
Das Factum übrigens weicht keinem im Homer,
Und Caviceo, (im Vertraun zu sagen)
Wenn ihr ihn kennet, leistet die Gewähr.
Doch, kam' auch allenfalls ein Geist von jenen braunen,
Die stets geschäftig sind, auf Unheil auszugehn,
Dabei ins Spiel, wer wird darob erstaunen?
Dergleichen pflegt ja täglich zu geschehn!
Zumal in jener Zeit und jenem Strich der Erden,
Wohin wir euch versetzen werden,
Da macht sich nichts, wie groß, wie klein es sey,
Beelzebub ist immer auch dabei.
Wer weiß, ist's nicht, wenn wir's genau erfragen,
Noch eben so in diesen unsern Tagen?
Nur sehn wir oft, was Satanas gethan,
Aus falschem Stolz, für eigne Arbeit an.
Indessen scheint, die Wahrheit rund zu sagen,
Ein Dichter, der mit solchem kalten Blut,
Aus eigner Kraft und ohne Musenwuth,
Zu Werke geht, sehr viel dabei zu wagen.
Verbänd' er auch mit einem scharfen Blick,
Die Linie des Schönen nie zu fehlen,
Das leiseste Gefühl im Prüfen und im Wählen,
Und mit der Kunst, durch rhythmische Musik
Sich in die Herzen einzustehlen,
Die Leichtigkeit, der Grazien letzte Gunst;
Und (wenn sie spröde sind) zum wenigsten die Kunst,
Den strengen Fleiß der Feile zu verhehlen:
Dieß Alles, ohne jenen Strahl,
Den Japets Sohn am Quell des Lichtes stahl,
Was hälf' es ihm, sein Kunstwerk zu beseelen?
Von diesem Feuer sey des Dichters Busen warm!
Nicht Andres kann den Frost der Kunst besiegen;
Und ewig kalt wird in Pygmalions Arm
Zu seiner Qual die Marmornymphe liegen,
Wird nie den Kuß, den er mit heißen Zügen
Aus ihren todten Lippen schlürft,
Erwiedern, nie, an seine Brust gesunken,
Zerschmelzen in Gefühl, wenn Amor einen Funken
Aus seiner Fackel nicht in ihren Busen wirft.
O, sagt mir denn, ihr Meister jener Werke,
Aus welchen, ewig schön und jung,
In frischer, unerschlaffter Stärke
Der Genius der Begeisterung
Uns noch entgegen weht, o, sagt mir an, wo fandet
Ihr seinen Sitz? Durch welchen Talisman,
Durch welche Zauberworte bandet
Ihr seine Flüchtigkeit? — Wer kann
Im Ocean der Luft des Windes Pfade spähen?
Wir hören wohl sein brausend Wehen,
Allein wer ist, der ihn in Fesseln schloß?
Wer leitet ihn, wie ein gebändigt Roß?
Er kommt! man fühlt in Mark und Adern
Des Gottes Gegenwart, allein er kommt und geht,
Sobald er will, und wer darf mit ihm hadern?
Vergebens ruft ihr ihm; kein stürmendes Gebet
Hat jmals seine Gunst erfleht,
Kein Starker hat ihn je gebunden:
Wie die Gelegenheit, ist er auf einmal da,
Und wer sich sein am wenigsten versah,
Hat ihn sogar im Schlafe schon gefunden.
Wohlan, so sey es denn gewagt!
Der Dichter mache nur (wie den Pygmalionen
Geziemt) sich frisch ans Werk und unverzagt
Und sey der Kunst zu hold, um seiner selbst zu schonen:
Vielleicht setzt unvermerkt ein freundlicher Genie
(Mich däucht, ich spüre schon von fern' ein leises Schweben!)
Sich bei der Arbeit ihm aufs Knie
Und macht sich selbst die Lust, die Gruppe zu beleben.
—————

Erstes Buch.

Schon hatten Morgens früh, beim festlichen Gelärm
Der Glocken, schaarenweis die Bürger von Palerm
An Sanct Kathrinens Tag zur Mette sich versammelt;
Die Glocken hatten ausgebammelt,
Vorüber war der Zug mit Kreuz und Fahn',
Und Priester stimmten schon, der Heiligen zu Ehren
Mit reichen Stolen angethan,
An wohl beräucherten Altären
Ihr Dominus vobiscum schnarrend an:
Als Sinibald, ein junger Pflastertreter
Aus Tancreds edlem Blut (sonst nicht der größte Beter),
An Guido's Arm, in seinem Sonntagsstaat,
Von Neugier angelockt mit in die Kirche trat.
Man merkte wenigstens an seiner Weltkindsmiene,
Ihn ziehe nicht die heilige Kathrine,
Wie schön sie auch von eines Taffi Hand,
In einem Kranz von goldnen Engelsköpfen,
Am Hochaltar' in Lebensgröße stand.
Wiewohl die Kunst in ihm sonst einen Gönner fand,
Jetzt schien er wenig Lust aus Taffi's Werk zu schöpfen:
So sehr beschäftigte die schönere Natur
Den Kennerblick, der hier sich gern verwirrte,
Und, gleich dem Schmetterling auf einer Blumenflur,
Um hundert fromme Schönen irrte,
Die, sitzend oder auf den Knien,
Ihn wechselsweis', unwissend, an sich ziehn;
Denn jede schien allein die Sorge zu beseelen,
An ihrem Rosenkranz sich nicht zu überzählen.
Noch hatte, dem Narciß an Selbstgefallen gleich
Und unbekannt mit Amors süßen Wunden,
Der junge Sinibald in Rogers schönem Reich
Nichts Schöners als sich selbst gefunden
Und, knabenhaft auf seinen Kaltsinn stolz,
Sich immer für so fest gehalten,
Als schlüg' in seiner Brust ein Herz von Eisenholz.
Er sah die reizendsten Gestalten
Am Hofe zu Palerm so kalt und unverletzt
Wie Tulpen an, an deren Wuchs und Farbe
Und buntem Glanz das Auge sich ergetzt,
Und ihre Blicke ließen nicht mehr Narben
In seinem Aug', als eine Rose läßt,
Die man mit Lust an Nas' und Lippen preßt,
Doch bald, indem der Busch mit zwanzig frischern pranget,
Sie fallen läßt und nach der nächsten langet.
So schwärmt sein Leichtsinn kühn und wild
Von Bank zu Bank an dieser heil'gen Stätte:
Und Köpfe, die für ein Madonnenbild
Ein Giotto zum Modell genommen hätte,
Erhielten hie und da das Glück,
Von ihm bemerkt zu seyn, kaum einen Augenblick,
Und dieß sogar nur im Vorübergehen.
Von ungefähr — doch ist von ungefähr
In Narrenschädeln selbst wohl jemals was geschehen?
Sogar, wenn wir am irrsten gehen,
Führt eine Wolkenhand uns ungesehn einher —
Indem er also — nicht von ungefähr
Im Kreuzgang' irrt, fällt eine starke Helle
Aus einer schimmernden Capelle
Ihm ins Gesicht, wohin der Zulauf größer war
Als anderswo, weil hier, dem Christenvolk zur Freude,
Die Heilige des Tags in ihrem reichsten Kleide,
Mit gold'ner Kron' auf ihrem flächsnen Haar,
Von Perlen schwer und funkelnd von Geschmeide,
Im Galastaat zu sehn und heute gnädig war.
Der Jüngling geht hinein, tritt nahe zum Altar
Und wird, indem er sich nach neuer Augenweide
Herum sieht, im Gedräng der andachtsvollen Schaar,
In einem offnen Betstuhl knieend,
Bei eines Wachsstocks Schein ein schönes Kind gewahr.
Den Engeln Guido 'ö gleich von lauter Himmel glühend,
Lag sie auf ihren Knien, der schönen Hände Paar
Empor gefaltet, da; die großen blauen Augen
Zu ihrer Heiligen entzückt und angelweit
Eröffnet — um in frommer Kindlichkeit
Die Gnaden dieses Tags auf einmal einzusaugen.
Wiewohl ein dünner Flor ihr liebliches Gesicht,
Den Lilienhals und selbst die schönen Hände deckte,
So schien doch Alles, was er nicht
Verhüllte oder doch verräthrisch nur versteckte,
Von einer Schönheit, die so wenig als das Licht
Sich selbst verbergen kann und durch bescheidnes Schweigen
Am würdigsten gepriesen wird, zu zeugen.
Aus jedem Zuge sprach das zarteste Gefühl,
Von künft'gen Küssen schien ihr kleiner Mund zu schwellen,
Und stets verrieth der Gaze leichtes Spiel
Des jungen Busens sanfte Wellen!
Ein Amor schien, ihr selber unbewußt,
In süße Träume sich auf ihnen einzuwiegen,
Und, unbekannt mit seinen Siegen,
Ihr Auge, wo im reinsten Blau die Lust
Gleich einem Wölkchen schwimmt, wenn's euch nur angesehen
Zu haben glaubt, euch Liebe zu gestehen.
Von Allem dem sah unser Jüngling nichts!
Und wenn, im Glanz der reinsten Feuersphäre,
Von tausend Engelchen des Lichts
Umschwommen, wie in einem Flammenmeere,
Den Mond zu ihrem Fuß', ums Haupt den Sternenkranz,
Die Mutter Gottes selbst vor ihm erschienen wäre:
Ihn hätte kaum, mit allem ihrem Glanz,
Die himmlische Erscheinung mehr geblendet,
Als, bloß von eines Wachsstocks mattem Licht
Beleuchtet, ihm dieß irdische Gesicht
Besonnenheit und Selbstgefühl entwendet.
Er stand, wie einer, der nicht hörte und nicht sah,
Bezaubert und vergeistert da;
Und ob er gleich aus tausend Augen schaute,
Mit jedem Blick sie ganz in sich hinein zu ziehn
Dann wieder ganz in sie sich einzusenken schien
Und kaum zu athmen sich getraute,
So hätt' er doch, wenn's auch sein Leben galt,
Von ihrer Bildung und Gestalt
In seinem Taumel nichts Genaues sagen können.
Genug, ihm war, sobald er sie
Erblickt, nicht möglicher, sich von sich selbst zu trennen,
Als von dem zweiten Ich, der lebenden Copie,
Die sich von ihr in seine Seele drückte,
Indem er sie, indem sie ihn erblickte.
Denn, o des Wunderwerks der schönen Sympathie!
Kaum glitsche, ohne daß sie wußte
Warum, ihr warmer Blick von Sanct Kathrinen ab
Und tauchte (weil er doch auf etwas tauchen mußte)
Auf Sinibald, — der, wie von Merlins Stab
Versteinert, nur durchs Feuer seiner Blicke
Ein Zeichen, daß er lebe, gab —
So zog sie diesen Blick so hastig schnell zurücke,
So schnell und so beschämungsvoll,
Als hätte sie gesehn, was man nicht sehen soll:
So wie ein Kind zurück das Händchen ziehet,
Wenn es im Gras nach einem Blümchen greift
Und unverhofft an eine Nessel streift.
Ihr reizendes Gesicht, von Andacht sanft durchglühet,
Wird plötzlich lilienweiß und lodert gleich geschwind
Noch röther auf. Ein Stich scheint ihr durchs Herz zu fahren,
Doch ein so süßer Stich! Das gute, fromme Kind,
Dem nie in ganzen sechzehn Jahren
Dergleichen widerfuhr, ist für die Ursach blind
Und denkt, was kann mir das bedeuten?
Ein heimlicher Instinct scheint gleichwohl sie zu leiten,
Und, ungewarnt von ihrer Schützerin,
Blickt sie erröthend wieder hin
Und heilt den ersten Stich — sogleich mit einem zweiten:
Mit jedem neuen Blick versüßet sich der Schmerz,
Und was sie schrecken sollte, macht ihr Herz.
Bei allem Taumel seiner Sinnen
Läßt Sinibald — der sie so brünstiglich,
Als wär' an ihr ein Ablaß zu gewinnen,
Betrachtet — keinen Blick entrinnen,
Der sich von ihr zu ihm hinüber schlich:
Und, da zu Lindrung seines Schmerzens
Die Augensprache hier das einz'ge Mittel war,
So stellt er ihr die Triebe seines Herzens
So nachdrucksvoll in dieser Sprache dar,
Daß sie, wiewohl darin noch gänzlich unerfahren,
Doch schnell (kraft einer wunderbaren
Geheimen Deutungskunst) so viel davon verstand,
Zu fühlen, daß sie ihn nicht merken lassen dürfe,
Wie angenehm sie seine Sprache fand.
Ein strenger Blick (ihr schien's zum wenigsten, sie werfe
Den strengsten, der ihr möglich war, ihm zu)
Setzt nun ihr kleines Herz in eine kurze Ruh';
Und, aller ferneren Zerstreuung zu entgehen,
Fängt sie mit Eifer an den Rosenkranz zu drehen.
Welch eine Heldin sich das sanfte Mädchen dünkt,
Da, seit sie nicht mehr hingesehen,
Bereits das dritte Ave sinkt!
Die große Thräne, die in seinem Auge blinkt,
Mag unbemerkt um Mitleid flehen!
Getreu dem warnenden jungfräulichen Instinct
Schaut sie noch immer unbeweglich
Auf ihren Rosenkranz und hält's in einem Stück
Bis an den Glauben aus: doch länger war's nicht möglich
Nur einen kleinen Seitenblick
Beim Athemziehn, bevor sie ihren Glauben
Beginnt, den kann ihr doch die Andacht noch erlauben?
Nur, ob der Mann noch da ist? noch so scharf
Sie anzuschaun sich unterstehen darf?
Solch einer Absicht sich zu schämen,
War Kinderei; allein wer kann für sein Gefühl?
Der scheue Blick, anstatt gerad' ans Ziel
Zu gehn, mußt' einen Umweg nehmen,
Erst auf dem goldbelaubten Fries
Des Pfeilers ruhn, wo Sinibald gestanden,
Eh' er allmählich sich auf ihn herunter ließ.
Zum Glück war unterwegs ein Sanct Baptist vorhanden,
Der ihm, bevor er noch an Ort und Stelle kam,
Die Hälfte seines Feuers nahm.
Und dennoch, ob sie gleich damit nichts eingestanden
Zu haben glaubt' und im Momente, da
Ihr Aug' auf seines stieß, stracks wieder vor sich nieder
Gar zuzüglich auf ihre Schürze sah,
So schlug doch unter ihrem Mieder
Ihr kleines Herz so sichtbarlich empor,
Und eine solche Glut bedeckte bis ans Ohr
Ihr liebliches Gesicht, als ob sie einer Sünde,
Die nur der Papst vergibt, sich selber schuldig finde.
"Gewiß, es ist mit mir nicht, wie es soll,
Spricht sie zu sich, bestürzt und unruhvoll,
Ich werde doch nicht etwa gar erkranken?
So laulich, so zerstreut, von weltlichen Gedanken
So angefochten und gepreßt,
So — daß ich's selbst nicht weiß — war ich in meinem
                       Leben
An keinem Sanct-Kathrinenfest:
Die Heil'ge mög' es mir vergeben!"
Zu ihrem großen Trost' entläßt
In diesem Augenblick das Ite missa est
Für dieses Mal die sämmtlichen Verwandten
Der Brüderschaft, die Sanct Kathrinens Fest
Zu Ehren hier ihr Wachs verbrannten.
Unruhig lief nach ihrem Unbekannten
Rosinens Auge hin und her,
Und fand ihn nicht; er war auf ein Mal weggeschwunden.
Ihn hatte kurz zuvor ein alter Zeidelbär
Von einem Oheim aufgefunden
Und, eh' er noch mit einem Abschiedsblick
Der Schönen sich empfehlen konnte,
Ihn mit sich fortgeschleppt. Sein widriges Geschick
Bewusst sich nicht, so hastig sie zu trennen;
Es muß ihm auch sogar das Glück,
Zu wissen, wen er liebt, mißgönnen!
Rosine, die (vielleicht der Möglichkeit zu Lieb,
Den Flüchtling irgend auszuspähen)
Von allem Volk beinah die letzte blieb,
(Wiewohl aus bloßem Rachetrieb,
Wenn sie ihn fände, stracks sich von ihm wegzudrehen)
Muß, da der Küster schon mit seinen Schlüsseln klirrt,
Doch endlich, ernst und stumm und in sich selbst verirrt,
Mit ihrer Magd nach Hause gehen;
Wo König Salomon, wie er das Jungfernkind
Zu theilen winkt, mit einer rothen Nase,
Auf Holz gemalt, und — eine alte Base,
Gichtbrüchig, taub, an einem Auge blind,
Ihr Zeitvertreib in langen Nächten sind.
Doch, ich besinne mich — die Ahnen ungezählet,
Die, um und um gewappnet und gestählet,
In langer Reih' im Vorsaal Wache stehn,
War noch ein altes Stück von Hausrath hier zu sehn.
Es war die Magd, die sich Frau Clare nannte,
Die Amme erst, hernach die Gouvernante,
Nun, da das Fräulein einem Mann'
Entgegen reift und selbst ihr Halstuch stecken kann,
Geheimer Herzensrath der reizenden Infante;
Ein gutes, flinkes, rundes Weib,
Von Kopfe leicht, doch etwas schwer von Leib;
Den Rosenkranz zwar immer in den Händen
Zu drehn gewohnt, allein noch von der Jugend her
Für junger Herzen Noth an Mitleid selten leer
Und willig, sie zu enden und zu wenden,
Soviel in Ehren möglich ist;
Der Tugend hold, (die geht doch über Alles!)
Doch so, daß immer nöth'gen Falles
Ihr eine kleine Weiberlist,
Um einem guten Zweck zu dienen,
Das Herz nicht schwerer macht; im Uebrigen Rosinen,
Bei der sie von der Wiegen an
Der Mutter Platz vertrat, die ihre Milch gesogen,
Und die sie, Gott sey Dank! so schön und groß gezogen,
Mit Leib und Seele zugethan.
So lieb nun auch der guten Frau ihr Bette
Um diese Jahrszeit war, so ist gewiß, sie hätte
Um vieles Gold ihr Fräulein nicht allein
Zur Kirche lassen gehn, zumal in einer Mette.
"Sie ist ein frommes Kind; doch selbst in heil'ger Stätte
Schleicht der Versucher oft sich unvermuthet ein;
Man kann nicht zu behutsam seyn!"
Kurz, wo Rosine ging, da watschelte Frau Clare
Mit ihrem Rosenkranz am Gürtel, hinter drein.
Der junge Herr im langen gelben Haare
Und goldnen Wamms, der heute linker Hand
Am zweiten Pfeiler vom Altare
Die ganze Messe durch ihr gegenüber stand,
War ihrem Scharfblick nicht entgangen.
Sie hatte, wie ihr däucht, sogar
Verschiedne Blicke aufgefangen,
Wobei ihr Herz nicht ohne Argwohn war.
Herr Sinibald und Guido, sein Begleiter,
(Der neben ihm, wiewohl ein wenig weiter
Zurück gelehnt, ihr in die Augen stach)
Ein Paar Figuren, wie gedrechselt,
Bei deren Anschaun oft der Andachtsfaden brach,
Sind beide ihr dem Namen nach
Bekannt; nur daß sich stets, wenn sie von einem sprach,
Der Nam' in ihrem Kopf verwechselt,
Und, ohne daß sie sich von Irrthum träumen ließ,
Ihr Guido Sinibald , und dieser Guido hieß.
Die Ursach können wir nicht sagen;
Genug, daß selbst zu London und Paris
Wohl eher sich dergleichen zugetragen.
Rosinens vorgebogner Hals
Und unruhvoller Blick, als nach gesungner Messe
Der junge Herr auf ein Mal in der Presse
Verloren ging, war Claren ebenfalls
Nicht unbemerkt und unglossirt geblieben;
Doch that sie nicht, als ob sie was gesehn;
Und, während dem nach Hause gehn
Sprach keine nicht ein Wort, (wiewohl sie vor Verlangen
Zu fragen dürsteten) weil jede anzufangen
Und ihren Vorwitz zu gestehn
Sich schämte. — "Sahst du ihn an meinen Augen hangen?
Wer war's? Wie nennt er sich? Begreifst du einen Grund,
Warum er ohne Gruß so schnell davon gegangen?"
Dieß schien Rosinens Blick, dieß schien ihr Rosenmund
(Der immer halb zum Fragen offen stund
Und immer schwieg) die Amme stets zu fragen;
Und, o, was hätte diese nicht zu sagen,
Verböt' es nicht der Tante Gegenwart!
Der Tante, die, aus Mangel guter Säfte
Lebendig todt für alle Weltgeschäfte,
Indessen sie der Mittagstafel harrt,
Im Sorgestuhl, zu Schonung ihrer Kräfte,
Begraben liegt und Litaneien schnarrt,
Wobei, das Spinnrad vor den Füßen,
Das Fräulein und Frau Clar' den Chorus machen müssen.
Kathrinentag, der sonst im ganzen Jahr
Von Alters her der kürzsten einer war,
Wird für ein schönes Kind, das mit dem nächsten Lenzen
Erst sechzehn zählt, durch einen solchen Zwang,
Bei solchem Zeitvertreib, nun freilich mächtig lang.
Zusehens wird auch ihr Gesichtchen länger,
Und von erstickter Seufzer Drang
Das knappe Mieder immer enger.
Es war ich weiß nicht was, das einem seltsam bang'
Und schwer macht, in der Luft. Bei Tische
War auch nichts, wie es soll, die Maccaroni kalt,
Das Fricassé ein ekelhaft Gemische,
Das Rebhuhn zäh', und die Oliven alt.
Des Abends, wie dem trägen Stundenglase
Der Sand entschlüpfte, nahm das Uebel sichtbar zu:
Mißmuthiger als Jo, da Zeus in eine Kuh
Sie eingesperrt, und auf die rothe Nase
Des Königs Salomon hinstarrend, saß sie da
Und wußte nicht, was neben ihr geschah.
"Was ist dem Mädchen? fragt die alte taube Base;
Was fehlt dir, Kind?" — Ein gräulich Kopfweh, spricht
Das Fräulein. —"Armes Ding! So nimm das kleine Licht
Und geh' und lege dich zu Bette!
Frau Clare soll so lange bei dir seyn,
Bis du entschläfst. Das sind die Früchte von der Mette!
Du weißt, ich gab nicht gern den Willen drein.
Frau Clare, führe Sie das liebe Kind zu Bette
Und geb' ihr siebenzig von meinen Tropfen ein;
Und, schwitzt sie drauf und schläft, ich wette,
Bis morgen wird ihr besser seyn!"
Dieß war es just, (die Tropfen ausgenommen)
Was beiden fehlt; der Rath kann nicht erwünschter kommen.
Das Fräulein ist mit Claren kaum allein,
So fühlt sie sich schon weniger beklommen.
Man zieht sich aus; die Amme präludirt;
Der Zwang wird mit dem Mieder aufgeschnürt,
Das Herz kriegt Luft, die Schüchternheit verschwindet,
Und, wie man erst den rechten Faden findet,
Wird, ohne Schlaf, beinah die halbe Nacht
Mit süßem Plaudern hingebracht.
Von wem, als von dem Herrn im langen gelben Haare
Und goldnen Wamms, der heute linker Hand
Am zweiten Pfeiler vom Altare
Die Messe durch ihr gegenüber stand?
Frau Clare kennt ihn gut: er ist ein Herr von Stand
Und reich dabei, und Guido ist sein Name;
Und, daß der Mann für ihre junge Dame
Bis an den Hals in Liebe steckt,
Hat sie beim ersten Blick entdeckt.
Der Oheim nur, der nach dem Amt sich seiner
Bemächtigte, und ihn im ersten Strom
Des Volkes mit sich zog, ist zwar ein alter, feiner,
Verschmitzter Kauz und geizig wie ein Gnom',
Und Guido, der ihn einst zu erben
Gedenkt, muß allerdings pian' piano mit ihm gehn:
Allein davon läßt sich das Ende sehn;
Der Oheim wird zuletzt wie andre Menschen sterben,
Und dann — wer weiß — dann könnte was geschehn!
"Kurz, gnäd'ges Fräulein, ich, ich hoffe mit zu erben.
Den Brautkranz flecht' ich selbst! Er soll mir wunderschön
Auf diesem art'gen Köpfchen stehn,
Ich hoffe rechten Dank beim Bräut'gam zu erwerben.
Da soll's zum letzten Mal noch an ein Tanzen gehn!
Bei meiner Treu! so alt ich bin, ich springe,
Bis mir kein Faden trocken bleibt."
Fi! (lispelt ganz in Glut das Fräulein) solche Dinge
Zu sagen! Dein Geplauder treibt
Mir alles Blut wie Feuer in die Wangen!
"Ei, ei, mein Schatz, was Arges sagt' ich dann?
Wer wird von einem Wort' auch gleich so Feuer fangen?
Der Mädchen innerstes Verlangen,
Wie fromm sie sind, ist doch zuletzt — ein Mann;
Was hat sich's da zu schämen und zu prangen?
Die Ehen werden ja im Himmel selbst gemacht;
Und, ist der Tag erst aufgegangen,
So folgt dem Tag natürlich eine Nacht.
Doch — eine Nacht, worin wir nichts versäumen,
Wird billiger verschlafen als verwacht;
Drum, trautes Kind, für heute gute Nacht,
Und laß Sie sich was Angenehmes träumen!"
Ob diesen Wunsch Rosine wahr gemacht,
Ist unbekannt. Von Sinibald hingegen
Sagt die Legend': er habe ihretwegen,
Sobald er seinen Oehm vom Halse sich geschafft,
Den ganzen Tag verwandt, bei Nebelduft und Regen
Die Straßen auf und ab zu fegen,
Und, wo ein Haus Vermuthung zu erregen
Und halbweg würdig schien, solch einen Schatz zu hegen,
Hab' er beinah sich blind und steif gegafft,
Ob seiner hungernden Begierde
Ein günstig Fenster nicht sich endlich öffnen würde;
Und, da zuletzt bei später Tageszeit
Der Angelus ihm laut ins Ohr geschlagen,
Hab' er, erschöpft von Müdigkeit,
Mit schwerem Haupt und leerem Magen,
Sich heim geschleppt, auf einen sammtnen Schragen
Sich hingestürzt, wie Dido beim Virgil,
Und, ach! (wie sie) der Liebesgötter Spiel,
Nach Ruh für seine Herzenswunden
Zum Himmel aufgeschaut und, leider! nichts gefunden.
Doch, sparet immer noch, ihr Mädchen von Gefühl,
Die Thräne, die bereits in eurem Auge zittert,
Für Jemand auf, der Mitleids mehr bedarf!
Der Schlange Biß ist wahrlich nicht so scharf,
Die man mit Lust im Busen hegt und füttert!
Der Sinibald, der dort verzweiflungsvoll
Vom Schragen in den Stuhl, vom Lehnstuhl auf den Schragen
Sich wirft, nicht schlafen kann, sein Schicksal anzuklagen
Nicht müde wird, ist zwar — ein wenig toll;
Allein sein Uebel macht ihm allzu viel Behagen,
Als daß er euch im mindsten dauern soll.
Ihr denket, eine Nacht von vierzehn langen Stunden,
Worin kein Schlaf in seine Augen kam,
Sey eine schlimme Nacht; er hab' in seinem Gram
Sie ganz gewiß unendlich lang gefunden?
Nichts weniger! Sie flog mit ihren vierzehn Stunden
Ihm wie in einem Traum vorbei.
Ein Mensch, der in der Schwärmerei
Des Liebeswahnsinns einen Stollen
An seinem Bett' umarmt und heilig glaubt, er sey
An seiner Göttin liebevollen
Milchweißen Busen, wie die schöne Galathee
An Acis Hals, in Wonne hingequollen,
Begehrt wohl nicht, daß wir mit seinem Weh
Noch großes Mitleid tragen sollen!
Preiswerthe Schwärmerei! wohlthätige Magie!
Sein Glück ist zwar nur Phantasie,
Allein es füllt den Platz der Wahrheit, die ihm mangelt,
Und seine Schöne steht so lebend vor ihm da,
Wie er sie heut' im Betstuhl knieen sah,
Da sie mit einem Blick sein Herz ihm weggeangelt.
Er spricht mit ihr von seiner Glut so frei,
Als mit sich selbst; er glaubt sogar zu sehen,
Daß sie nicht ungerührt bei seinem Leiden sey.
Ihr redend Auge scheint ihm in etwas zu gestehen,
Und, wenn sie es erröthend wegzudrehen
Versuchen will, mit unsichtbarer Hand
Ein Amor es auf ihn zurück zu drehen.
So nährt die Phantasie den süßen Liebesbrand:
Und wenn dann auch, sobald ihr Zauberhand
Von seiner Stirne fällt, das holde Luftbild wieder
In nichts zerfließt; so läßt, im stillen Mondenschein,
Die Panacee für alle Seelenpein,
Die Hoffnung, sich auf seinen Busen nieder
Und webt ihn unvermerkt in neue Träume ein.
—————

Zweites Buch.

Der Dämon, der in tausend Truggestalten
Muthwillen treibt mit Jungen und mit Alten;
Bald wie ein lächelnd Kind um Hebe's Busen spielt,
Bald fröhlich-wild, gleich einem rohen Knaben,
Den Bogen spannt und gar nach Göttern zielt;
Bald zahm und schmeichelhaft durch tausendart'ge Gaben
Zum Zeitvertreiber sich der schönen Welt empfiehlt,
Doch, eh sie sich's zu ihm versehen haben,
Hier einen Kuß und dort ein Herzchen stiehlt:
Mit einem Wort, der Schalk, den die Poeten
(Ein leichtes Volk!) so reizend, schön und hold,
Mit Rosen um die Stirn' und Flügelchen von Gold
Uns vorzumalen nicht erröthen;
Wiewohl ein Ehrenmann, der ihn bei Lampenlicht
In puris putis einst gesehen,
Aus seinem eignen Mund ein Andres von ihm spricht;
Kurz — mit dem Wort' einmal heraus zu gehen,
Asmodi, der nicht leichtlich unterläßt
Zur Mettenzeit in Kirchen und Capellen
Auf gutes Glück sich heimlich einzustellen,
War seinem Brauch' auch am Kathrinenfest
Nicht ohne Vorsatz treu geblieben,
Ein Stückchen seiner Kunst im Dunkeln auszuüben.
Ob unsre Heil'ge (mit ihrem Ehrentag
Bemüht genug) ihn hinterm goldnen Schilde
Von einem Sanct-Georgen-Bilde
(Wo er auf Unheil lauernd lag)
Nicht wahrnahm oder ihn mit Wissen
Geduldet, weil die Bösen doch zuletzt
Durch jene Mittel selbst das Gute fördern müssen,
Wodurch sie sich's zu hindern vorgesetzt,
Dieß sey dahin gestellt! Genug, der Dämon laurte
In seinem Hinterhalt, solang die Mette daurte;
Und daß er dort nicht ungeschäftig war,
Macht, was nun folgt, uns deutlich offenbar.
Nah an Rosinens Stuhl und schier in gleicher Weite
Von Sanct Kathrinens Hochaltar
Stellt' an der Wand sich noch ein Betstuhl dar,
Wo (einem alten Molch, der sie bewacht, zur Seite)
Ein andres schönes Kind, nach Art der Geister zwar
Von Menschen ungesehn, doch gegenwärtig war.
Der Betstuhl, vorn mit goldnem Laub vergittert,
War ganz aus festem Holz gezimmert und geschnitzt,
So daß der matte Schein, der durch das Laubwerk zittert,
Die Schöne, die dahinter sitzt,
Um ihren Rosenkranz mit schwerem Muth zu käuen,
Vor aller Möglichkeit beschützt,
Durch ihre Augen — sich und Andre zu zerstreuen.
Weil dieses Fräulein (zwar ganz ohne ihre Schuld)
Zum Knoten unsers Stücks nicht wenig beigetragen,
So bitten wir den Leser um Geduld,
Ihm, eh wir weiter gehn, ein Wort von ihr zu sagen.
Sie wurde Clelia von Montapert genannt,
War reich, von gutem Haus', in ihren schönsten Tagen
Und mit Rosinen nah verwandt:
Und, weil nur eine Wand die beiden Häuser trennte,
(Die ehmals zu des Ahnherrn Zeit
Ein einzigs ausgemacht) und dieß Gelegenheit
Den beiden jungen Fräulein gönnte,
Durch einen Kammerladen sich
Im Haushabit vertraut und nachbarlich
Zu sehn und oft, bis sie vor Kälte schaudern,
Die halbe Nacht im Mondschein zu verplaudern;
So waren sie, beinah von Kindheit an,
Mit aller Sympathie von leiblichen Geschwistern
(Nach junger Mädchen Art) einander zugethan
Und hatten, ob sie gleich sich alle Tage sahn,
Viel Angelegnes stets einander zuzuflüstern.
Was sonst bei Mädchen pflegt die Freundschaft zu verdüstern,
Erobrungssucht und Nebenbuhlerei,
Ließ ihre Seelen noch von Neid und Argwohn frei;
In zweien Busen schien ein einzig Herz zu wallen,
Und jede, unbelehrt, wie schön sie selber sey,
In ihrer Freundin nur sich selber zu gefallen.
Zu dieser Sympathie kam noch die Aehnlichkeit
In ihrer äußerlichen Lage;
Denn beide drückt der Jugend größte Plage,
Gezwungne Abgeschiedenheit.
Die Kirche ist (Dank sey der Wachsamkeit
Und strengen Zucht, worunter beide stehen!)
Der einz'ge Ort,
Wo sie Gesellschaft sehen;
Und, wenn ihr guter Engel dort
Nichts zu vermitteln weiß, bleibt für die armen Dinger
Kein andrer Trost in ihrem Waisenstand',
Als Clelien die überkalchte Hand
Von einem Vormund, der die langen dürren Finger
Sechs Jahre schon nach ihrem Golde krümmt,
Und, wenn die Tante Abschied nimmt,
Rosinen der Prospect — in einen Jungfernzwinger.
Das sanfte Mädchen schien in stiller Zuversicht
Ihr Loos dem Himmel heimzustellen:
Allein so leidsam war die feur'ge Freundin nicht;
Und ihren Leib, den Reiz und Jugend schwellen,
Zu einem Leichnam zu gesellen,
Der nur noch als Gespenst um seine Kisten klirrt,
Ist eine Möglichkeit, wovon ihr übel wird.
Was wollte sie nicht lieber untergehen,
Als lebenslang zu Podagra und Gicht
Und Eifersucht sich eingescharrt zu sehen! —
Doch, leider! zeigt sich ihr bisher kein Ausweg nicht;
So wachsam weiß die anvertraute Pflicht
Pantaleon, ihr Vormund, zu verwalten,
Die Rose, die bereits durch ihre Knospe bricht,
Zu hüten, daß sie im Entfalten
Kein böser Hauch versengt, kein Kanker sticht,
Um — für sich selbst sie zu behalten.
Daß ganz Palerm von ihr als einem Räthsel spricht,
Ist für den schadenfrohen Alten
Ein täglicher Triumph. Sogar, wenn sie bei Licht
Zur Kirche geht, verhüllt die schönste der Gestalten
Ein weites Regentuch in Dürerische Falten,
Und eine Maske deckt ihr reizendes Gesicht.
Allein auch dieser traut der alte Sünder nicht.
Kein Schleier, pflegt er oft zu sagen, ist so dicht,
Durch den nicht, trotz der giftigsten Tarantel,
Der freche Blick der Pflastertreter sticht.
Drum schleicht er selbst in seinem rothen Mantel
Ihr auf der Ferse nach, macht selbst des Betstuhls Thür'
Ihr auf, guckt rings herum und riegelt hinter ihr
Sie wieder zu, dreht dann mit knot'gen Händen
Sein Paternoster um und murmelt, ohne doch
Von Clelien ein Auge zu verwenden.
Natürlich ist's, wenn unter solchem Joch'
Ein Mädchen müde wird, mit Kügelchen zu spielen,
Und ihren Hals verlängt, um irgend durch ein Loch
Des Gitterwerks hinaus zu schielen,
Und wär' es nur — am heiligen Sanct Roch,
Der gegenüber steht, sich etwas abzukühlen.
Der Alte, (wie es öfters geht,
Wenn uns zwei Leidenschaften theilen)
Just im Begriff', auf einem Rechenbrett'
In seinem Kopf ein Plänchen auszufeilen,
Womit ein ehrliches pro Cent zu haschen steht,
Gibt, während er es noch um anderthalb erhöht,
Dem Fräulein Zeit, am Gitter zu verweilen.
Doch, da ihr Hals sich gar zu merklich dreht,
Wird er's zuletzt gewahr, zieht sie beim Arm zurücke
Und winkt ihr, daß sich das nicht schicke,
Mit ernsten Runzeln zu: allein er kam zu spät.
Ihr Herz war weg, weg mit dem ersten Blicke.
Der Teufel-Amor mit der Krücke,
Der hinter Sanct Georgens Schild
Von böser Lust wie eine Kröte schwillt,
Hat zwischen ihr und Guido's braunen Wangen
Und schwarzem Aug', wo Lieb' und Trotz sich mischt,
Ein unsichtbares Netz, gleich jenem, aufgehangen,
Worin Vulcan einst seine Frau gefischt,
Und auf den ersten Zug ihr zappelnd Herz gefangen.
Denn Guido, (der ganz schuldlos linker Hand
Vom Hochaltar' an Sinibalden stand)
Den schönen Guido sehn und plötzlich sich entzünden,
Und Alles das für ihn noch feuriger empfinden,
Was ihre Nachbarin für Sinibald empfand,
War nur das Werk von einem Augenblicke;
Wiewohl sein freier Blick, der hin und wieder irrt,
Durch's bloße Ungefähr zu ihr geleitet wird
Und, weil der ihrige sein Auge nicht erreichet,
Nichts weiß von seinem Sieg' und arglos weiter schleichet.
Der Liebe ist vor manchem andern Gift
Die sonderbare Tugend eigen,
Daß, jenachdem sie einen Körper trifft,
Sich ihre Wirkungen ganz widersprechend zeigen.
Sie gleicht hierin der Tonkunst und dem Wein:
Dem Frohen gießt sie Lust, dem Traur'gen Schwermuth ein;
Stärkt dem Beherzten Mark und Bein,
Schlägt den Verzagten vollends nieder;
Für jenen lauter Sonnenschein
Und Lebenslust, die ihm durch alle Glieder
Die leichten Geister tanzen macht;
Für diesen eine Mitternacht,
Durch deren dicken Flor kein freundlich Sternchen glimmert,
Wo ihm sogar das zweifelhafte Licht
Des bleichen Monds ein trostlos Grau verkümmert,
Und, wenn noch ja ein Laut die todte Stille bricht,
Der West im Laube seufzt, die Felsenquelle wimmert.
Dem Feigen wird das kleinste Hinderniß
Zum Berg': er steht bestürzt und ungewiß
Vor jedem selbstgemachten Zweifel,
Und Amor ist für ihn ein wahrer Teufel;
Da er im Gegentheil dem Tapfern allezeit
Ein guter Dämon ist, ihm Witz, Entschlossenheit
Und Stärke gibt, das Aergste zu ertragen:
Und, weil er in den schwersten Lagen
Sich und die Hoffnung nie verliert
Und immer fertig ist, das Aeußerste zu wagen,
Am Ende doch, wie weit der Sturm ihn auch verschlagen,
Ihn glücklich in den Hafen führt.
Das Wort des Räthsels, liebe Leute,
Ist — unter uns — (doch, sagt es nicht zu laut,
Damit die böse Welt es nicht zum Argen deute)
Der Dämon steckt in unsrer eignen Haut.
Du selber bist dein Teufel oder Engel:
Und Oberon sogar, mit seinem Lilienstängel
Und seinem Horn, (das sonst sehr wohl zu brauchen ist)
Hilft dir zu nichts, wenn du kein Hüon bist.
Die schöne Clelia war eine von den Seelen
Der phosphorischen Art, die lauter Flamme sind,
Wie Amor sie berührt; die, überhaupt, im Wählen
Und im Beschließen sehr geschwind,
Mehr durch zu viel als durch zu wenig fehlen
Und zwischen einem Wunsch, worauf ihr Herz besteht,
Und dem Moment, worin er in Erfüllung geht,
Minuten gern für Tage zählen.
Indeß entschuldigt sie vieleicht
Die traurige Clausur, worin bei ihrem Alten
Ihr Frühling unbenutzt verstreicht,
Und die Gefahr, als Jungfer zu veralten,
(Was ihr das schrecklichste von allen Uebeln däucht)
Zumal da der Susannenbruder,
Vor dessen Athem ihr nicht minder als vor Pest
Und Aussatz graut, sie täglich stärker preßt.
Was Wunder, wenn ein Schiffchen ohne Ruder
Dem ersten Winde sich auf Willkür überläßt?
Allein, daß just am Sanct Kathrinenfest'
Ein Unbekannter in der Mette
Ihr gegenüber stehn und auf den ersten Schuss'
Ihr unbesorgtes Herz so tief verwunden muß!
"Ist's nicht, gesteh mir's frei, Laurette,
(Spricht sie zu ihrer Magd) als ob ein Genius
Die Sache recht mit Fleiß so eingefädelt hätte?"
Laurette, die ein gutes Mädchen war,
Fand nichts dagegen einzuwenden:
Bei ihr war Clelia in sehr gefäll'gen Händen;
Sie glich in diesem Stück Frau Claren auf ein Haar.
Die Schwierigkeit ist bloß, den Junker zu erfragen,
Den Clelia von Kopf zu Fuß ihr zwar
Zum Sprechen malt und, wie er sich getragen,
Vom Absatz bis zum ausgezackten Kragen
Genau beschreibt, nur leider! wie der Mann
Sich nennt, und wer er ist, ihr nicht berichten kann.
Doch Laure ist (zum Glück) gewandt und wohl beschlagen;
Und was geläng' auch einem Mädchen nicht,
Das Dienste dieser Art als seine Pflicht betrachtet,
Sich selbst davon viel Zeitvertreib verspricht
Und lange schon nach einem Handel schmachtet,
Der ihre Gaben weckt und ihre Tugend übt,
Wobei es immer was zu haspeln und zu spinnen,
Ins Ohr zu flüstern, auszusinnen,
Zu theidigen und abzureden gibt?
Erwünschter konnte nichts dem guten Mädchen kommen;
Und kurz, vermittelst Ort und Zeit, Gestalt
Und Kleidung, wird, nach vieler Müh', entnommen,
Der Mann sey Guido von Ripalt;
Ein Ritter von der fröhlichen Gestalt,
Der — statt in blanken Stahl von Fuß auf sich zu kleiden
Und ohne Noth mit Mohren und mit Heiden
Sich zu entzwein, auf Abenteur zu gehn
Und wilde Hünen zu bestehn
Und blöde Jungfraun zu beschirmen —
Sich in der Kunst, die letztern zu bestürmen,
Den schönen Galaor zum Muster ausersehn.
Laurette hört gefährlich von ihm sprechen.
Ihm, heißt es, ist's ein Spiel, ein zartes Herz zu brechen;
Sein unplaton'scher Sinn sucht nichts als Zeitvertreib
Und liebt an schönen Seelen bloß den Leib.
"Und keine wagt es, an dem Frechen
Die Lieb' und ihr Geschlecht und beider Ruhm zu rächen?"
Die tapfre Clelia, in unbesorgter Ruh
Für eigne Sicherheit, traut diesen Sieg sich zu;
Sie brennt vor Ungeduld, sein Herz bald aufzumahnen,
Und Laura schickt sich an, den Weg dazu zu bahnen.
—————

Drittes Buch.

Die beiden Freunde, Sinibald
Von Villador und Guido von Ripalt,
Seit jener Zeit, da sie den stillen Musen
Als Knaben zu Salern und Padua
Den Hof gemacht, ein Herz in zweien Busen,
Gerade wie Rosin' und Clelia,
Sie hatten, als sie müde waren,
Auf Glück und ohne Zweck im Land' herum zu fahren,
Palerm (wo Sinibald auf eine Erbschaft zählt)
Vor kurzer Zeit zum Aufenthalt' erwählt.
Nun war durch eine feine Kette
Von Fragen zwar der forschenden Laurette
Das Haus, wo Guido wohnt, allein
Nicht auch zugleich der Umstand kund geworden,
Daß noch ein Herr von seinem Schlag' und Orden
Darin zu finden sey. — Man hatt' es aus der Acht
Gelassen — kurz, es mußte sich so schicken.
Nun bitt' ich, seht, was Amor mit den Krücken
Aus dieser Kleinigkeit für ein Stück Arbeit macht!
Laurette kommt, dem Guido nachzufragen.
Das Haus ist offen; Niemand zeigt
Sich bei der Thür', um ihr Bescheid zu sagen;
Und, da sie eine Weil' umsonst gewartet, steigt
Sie allgemach die lange Wendelstiege,
Als ob sie centnerschwer an ihrer Sendung trüge,
Hinauf, und, stets der kleinen Nase nach,
Geräth sie in ein Vorgemach.
Da öffnet sich ein Zimmer, und ein netter
Bildschöner junger Herr tritt, wie bei heiterm Wetter
Der Gott des Tags aus seinem goldnen Thor',
In vollem Glanz' aus dem Gemach' hervor
Und fragt sie freundlich, was sie wolle?
Das Mädchen, das die Hälfte seiner Rolle
In diesem Augenblick verlor,
Setzt in der Angst voraus, der schöne Ritter könne
Kein andrer seyn, als just der Herr vom Haus,
Zu dem sie will, und der sich Guido nenne,
Und bittet ein geneigtes Ohr sich aus.
Um in geheim ihm etwas vorzutragen.
Die Jungfer sah so gut und ehrlich aus,
Daß, ihr die Bitte abzuschlagen,
Nicht möglich war. Der Herr faßt ihre Hand,
Führt sie hinein und heißt sie niedersitzen.
Sie, die den Rücken anzustützen
So nöthig als nach Luft zu schnappen fand,
Schwieg immer noch, indeß der Junker wartend stand
Und, ahnungsvoll, bei Frost und schnellen Hitzen
Am ganzen Leib zu schaudern und zu schwitzen
Begann. Der Zustand beiderseits
War sonderbar genug und hatte nun bereits,
Seitdem der Herr auf ihren Vortrag lauert,
Zwei oder drei Minuten fortgedauert:
Als endlich mit erröthendem Gesicht,
Den Blick auf ihre Schürze, sich Laurette
Zusammenrafft und ihm (nach einem Vorbericht,
Der durch Method' und Klarheit eben nicht
Sich sehr empfahl) von Sanct Kathrinens Mette
Und einem jungen Herrn und einem Fräulein spricht,
Die er in ihrer Andachtspflicht
Durch seiner Blicke Glut beinah gestöret hätte.
Der Herr — der (wie der schlaue Leser bald
Vermuthet hat) der schöne Sinibald
Leibhaftig war, und dem seit jener Mette
Rosinens holdes Bild in einem steten Traum
Vor Augen schwebt — hält sich beim ersten Worte kaum,
Die Rednerin zu unterbrechen,
Natürlich kann das Mädchen ja
Von Niemand als von ihm und seinem Engel sprechen!
In diesem Wahn zerdrückt er ihr beinah
Die runde Hand vor fröhlichem Entzücken,
Hat Athem kaum genug, das Feuer auszudrücken,
Worein der erste Blick des Fräuleins ihn gesetzt,
Und überfließt von Dank, daß sie ihn würdig schätzt,
Ihn der Verzweiflung zu entrücken,
Womit er sich drei Tage schon gequält,
Da alle seine Müh den Weg zu ihr verfehlt.
So geht es in der Welt! Wenn man's aufs allerbeste
Gemacht zu haben meint, so hat man sich verzählt!
Laurette glaubt ihr Credo nicht so feste,
Als daß der Herr, der so entzückt
Von seiner Liebe spricht und ihr die Hand zerdrückt,
(Vermuthlich, weil er, vor Entzücken
Ein wenig toll, des Fräuleins Hand zu drücken
Vermeint) der Guido ist, zu dem man sie geschickt:
Hingegen Sinibald hegt nicht den kleinsten Zweifel,
Daß die, für die sein Herz in licher Lohe brennt,
Ihm diese Botschaft schickt und Clelia sich nennt.
So hatte denn der kleine Hinketeufel
Sein Ziel erreicht und sieht in schadenfroher Ruh,
Die Hand im Schoße, nun dem weitern Fortgang zu.
Der Ritter schwört, zu Handen ihrer Dame,
Lauretten ew'ge Lieb' und Treu,
Schwört, daß von nun an Cleliens schöner Name
Das Losungswort von seinen Trieben sey;
Und bittet sie (indem ein Regen von Zechinen
Auf ihren Schoß ihm durch die Finger fällt)
So schön um ihren Schutz, daß sie für Pflicht es hält,
So einem feinen Herrn nach Möglichkeit zu dienen.
Das Weitere soll morgen zwischen ihnen
Aus einem Hinterhaus, wohin sie ihn bestellt,
Durchs Fenster abgehandelt werden.
"Der Schatz wird ohne viel Beschwerden
Zwar nicht zu heben seyn, da ihn bei Tag und Nacht
Ein alter Greis, der selten schläft, bewacht:
Doch, gnäd'ger Herr, kommt Zeit und Stunde,
So kommt auch Rath; es bleibt bei unserm Bunde!
Sie finden, wie gesagt, nach zehn, bei Sternenschein,
(Wenn auf den Gassen Alles schweiget)
Sich morgen Nachts vor unserm Garten ein,
Und, wenn was Weibliches sich dann am Fenster zeiget,
So nahn sie sich getrost, ich werd' es selber seyn."
So spricht Laurett' und eilt so guter Dingen,
Als eine Hand voll Gold und ein gelungner Streich
Nur immer machen kann, um Clelien sogleich
Den glücklichen Erfolg zu hinterbringen.
Das Fräulein glaubt kaum ihrem eignen Ohr,
So wunderlich kommt ihr die Sache vor.
"Er liebt mich, sagst du?" —O, das hat sich noch zu fragen!
Er schwärmt vor Lieb', er ist verrückt,
Ist außer sich, ist — kurz, was kann ich Stärkers sagen?
Da sehn Sie, wie er mir die Hände blau gedrückt,
Bloß weil ich Ihre Magd zu seyn die Ehre habe!
"Unmöglich konnt' er doch mich durch ein Gitter sehn!"
Wer weiß? Er hat vielleicht so eine eigne Gabe,
Wie Christnachts-Kinder Geister sehn.
Es konnt' auch nach der Mess', auch unterwegs geschehn.
Genug, er spricht, er habe Sie gesehn;
Er wird es doch am besten wissen können
Und nicht für langer Weil' wie Mongibello brennen;
Er nahm, noch eh' er recht verstund,
Wovon ich sprach, das Wort mir aus dem Mund'
Und malte Sie, als ob Sie vor ihm ständen;
Sprach so entzückt von Ihren Lilienhänden,
Von Ihrem blauen Aug — "Sind meine Augen blau?
Du faselst!" — Nun, das konnt' er so genau,
Zumal bei Licht, von ferne nicht erkennen:
Genug, er hörte mich kaum Ihren Namen nennen,
So that er wie verrückt, schwor Ihnen ew'ge Treu',
Und, sage, sprach er, deiner Dame,
Daß nun auf ewig Cleliens schöner Name
Das Losungswort von meinen Trieben sey.
Und Guido ist gewiß ein Mann von Stand und Ehre:
Ich sehe nicht, was hier noch zu bedenken wäre.
Man glaubt so gern, was unsre Wünsche kirrt,
Daß man, in Cleliens Fall, leicht abergläubig wird.
Zufrieden mit der seichtesten Erklärung,
Gibt das bestochne Herz dem ersten besten Schein
Von einem Grund die selbstbeliebte Währung
Und geht so gern' in alle Fallen ein,
Die ihm die Neigung stellt! — Was Wunder,
Wenn Clelia den dünnen Liebeszunder
Begierig hascht, den ihr Laurette reicht,
Sich mit der Möglichkeit der Sache bald vergleicht
Und dem Betrug, von Guido, den sie liebet,
Verehrt zu seyn, mit Freuden sich ergibet!
Wir haben schon von ihrer raschen Art
Vorhin ein Wörtchen fallen lassen.
Sie pflegte nichts so sehr wie Langsamkeit zu hassen,
Und Rath und That war stets bei ihr gepaart.
Kein Pulverfaß kann schneller Feuer fangen;
Und, hätt' ein Zauberer noch in derselben Nacht
In einem Luftschiff' ihr den Guido hergebracht,
Sie wäre, glaub' ich, stracks mit ihm davon gegangen.
Zum Glücke war die Noth so dringend nicht.
Ihr ruhiges, gleichgültiges Gesicht
Läßt ihren Alten nichts von Hochverrath besorgen:
Und, ob er gleich sehr viel von Hochzeit spricht
Und Anstalt macht, als wär's auf nächsten Morgen,
Herzstärkungen und Kräuterbäder braucht,
Den Kopf, der wie ein Espenwipfel zittert,
Dreimal des Tags in kaltes Wasser taucht
Und weitre Hosen trägt und seine Waden füttert;
So ist er doch, hält nur ihr Guido Stich,
Bei Allem dem ihr wenig fürchterlich.
Allein, wie ging's indeß der guten kleinen Muhme
Rosinen? fragt ihr mich. — Nicht eben allzu gut!
Sie hatte schon drei Nächte schlecht geruht
Und hing ihr schönes Haupt, wie eine Maienblume
Nach einem Frost'. Ihr After-Guido lag
Seit Sanct Kathrinens Namenstag'
Ihr stets im Sinn'. Er hatte, seinen Mienen
Und Blicken nach, von ihr entzückt geschienen
Und ließ doch, ohne sich um sie
Zu kümmern, einen, zwei, drei Tage schon verstreichen.
Drei Tag', und nicht das kleinste Lebenszeichen!
"Nun (denkt sie) seh' ich wohl, ich hatte mir zu früh
Geschmeichelt, ihn gerührt zu haben!
Und der Gedanke weckt auf ein Mal ihren Stolz)
Es zeigt sich nun, er ist aus keinem bessern Holz
Geschnitzt, als andre leichte Knaben:
Ein schöner Kopf und keine Seele drin!
Wohl hat die Tante Recht! So sind die Ungeheuer,
Die Männer, insgesammt! Ein Blick setzt sie in Feuer,
Doch, aus den Augen, aus dem Sinn!
Was hält mich, daß ich nicht mich seiner auch entschlage
Und das verhaßte Bild wie ein Gespenst verjage?"
Verhaßt? — Sie irrte sich im Wort:
Solch ein Gespenst jagt sich so schnell nicht fort!
Es hatte sich an ein zu schönes Ort
Bei ihr versteckt. Da half kein Ave sagen,
Und würde sie dazu auf harten Erbsen knien;
Es will vor keinem Kreuz, vor keinem Weihbrunn fliehn;
Gern' oder nicht, sie muß es tragen!
Auch trägt sie es in schweigender Geduld
Und nimmt's als Büßung auf für ihre Sündenschuld.
Frau Clare selbst, und sollt' ihr Herz zerspringen,
Darf nicht ein Wörtchen mehr vom schönen Guido singen:
Genug, daß sie in Ruh des Schlafes Nektar schlürft,
Indeß Rosine, grambeladen,
Sich hin und her auf ihrem Lager wirft,
Und ihre Augen sich in stillen Thränen baden.
Sonst, wenn nur eine Kleinigkeit
Ihr zustieß, eilte sie an ihren Kammerladen;
Da fand sie stets ein Schwesterherz, bereit,
Den kleinen Schmerz mit ihr zu theilen
Und oft durch Mitgefühl zu heilen.
Jetzt, ob sie schon sich zur gewohnten Zeit
Noch täglich sehn, ist doch die Offenheit
Der vor'gen Unschuld weg; man hat sich viel zu sagen
Und sagt sich nichts; man möchte Manches fragen,
Und immer hält die Furcht, wiewohl kein Grund
Zu fürchten ist, den unentschloss'nen Mund.
Man hatte sich gesucht und scheut sich, zu verweilen,
Und immer findet sich ein Vorwand, wegzueilen;
Kurz, seit der Schelm Asmodi sie beschlich,
Hat jede Freundin nun ihr eigen Herz für sich,
Und beide sind (wiewohl die Ursach' ihren Sinnen
Ein Räthsel ist) schon Nebenbuhlerinnen.
Inzwischen sank auf die Palermer Welt
Die Nacht herab, worin, zur Stunde der Gespenster,
Den schönen Sinibald, den sie für Guido hält,
Laurette Tags zuvor ans Fenster
Im Hinterhaus zur Conferenz bestellt.
Die Liebe, wie ihr wißt, verzählt sich leicht in Stunden
Und rechnet gern Minuten für Secunden.
So ging's auch jetzt dem edlen Villador.
Er stellte sich beim angewiesnen Garten
Zwar richtig ein, allein er kam der Zeit zuvor.
Voll Ungeduld, so lang' umsonst zu warten,
Trabt er, indeß die Milz ihm mächtig schwillt,
Bis an die Augen eingehüllt,
Mit großem Schritt' in einer kleinen Ferne
Vom Haus' im Dunkeln auf und ab
Und hält, weil weder Mond noch Stern ihm Helle gab,
Von Zeit zu Zeit die kleine Blendlaterne
Aus seinem Mantel durch die nebelvolle Nacht
Am Haus' empor. Auf einmal wird ganz leise
Ein kleines Fenster aufgemacht,
Und eine Weibsgestalt steckt wie verstohlner Weise
Den Kopf heraus. Das muß Laurette seyn,
Denkt Sinibald und nähert sich; allein,
Wiewohl er fest darauf geschworen hätte,
Sie sey's, so irrt' er sich, es war doch nicht Laurette.
Frau Clare war's, die, vom Laternenschein
Geblendet, was es sey, aus Neugier sehen wollte.
Ich weiß nicht, was die Frau in ihrem Hinterhaus,
Das hart an Cleliens stieß, zur Wirthschaft holen sollte;
Genug, der böse Feind, in eine Fledermaus
Versteckt, der seinen Spaß mit beiden treiben wollte,
Zog auf der Stelle Vortheil draus.
Frau Clare hatte kaum verstohlen
(Nachdem sie sich dem ganzen Himmelsheer'
Und seiner Königin empfohlen)
Das Fenster aufgemacht, hinauszusehn, woher
Der Schimmer käm', als ihr — o Wunder über Wunder!
Beim ersten Blick der Mann ins Auge fällt,
Den ihre Dame liebt und für verloren hält.
Vor Freud' und Schrecken sinkt die Lampe sammt dem Plunder,
Den sie zu holen kam, ihr aus der schlaffen Hand.
"Ist's möglich, oder hab' ich Sand
Im Auge? Seh' ich recht? Sind Sie es?" —Welche Fragen!
(Spricht jener) Ist die Jungfer nebelblind?
Die Glocke wenigstens scheint nicht für sie zu schlagen.
Doch das ist nun vorbei, mein Kind!
Wir haben uns doch wohl was Wichtigers zu sagen!
Wie ist dein Fräulein gegen uns gesinnt?
Was darf ich hoffen? — "Hoffen? — Ist von Hoffen
Die Rede schon? (erwiedert ihm betroffen
Frau Clar', für die er lauter Räthsel spricht)
Mein schöner Herr, so weit sind wir noch nicht!
Bewährte Treu kann freilich Alles hoffen:
Allein" — Was hör' ich? (ruft der junge Herr betrübt)
Dein Fräulein kann ein Herz verkennen,
Das sich beim ersten Blick auf ewig ihr ergibt?
O, wie ich liebe, ward kein Mädchen je geliebt,
Und Engel können nicht von reinern Flammen brennen!
"Sie sprechen Alle so; doch, kommt's zur Probe" — Gut!
(Ruft Sinibald) wiewohl dein Zweifelmuth
Mich kränkt, so ist die Treue doch zu loben,
Die aus dir spricht. Gut! setze mich auf Proben!
Ich selbst verlang' es — Sag, was ich ihr opfern soll;
Ich bin bereit! und hätt' ich Kaiserkronen,
Ich legte sie — Nun ja! wir sehn, sein Herz war voll:
Man schenkt an seinem Platz nichts leichter weg als Kronen.
Doch uns gebührt, des Lesers zu verschonen;
Man kennt ja die Imaginationen
Die Aetna's Nachbarschaft durchglüht!
Der junge Mann geräth in solches Feuer,
Daß er Frau Claren bald in seinen Wirbel zieht.
Sie war ein gutes Herz; und dann geht so ein Freier
Wie er nicht alle Tag' ins Netz!
Gelind regieren ist das erste Grundgesetz
Des Regiments unausgesteurter Schönen.
Und selten frommt's, sein Recht, soweit man kann, zu dehnen.
Die schlaue Amme macht zwar viele Schwierigkeit,
Doch nur den Werth des Kleinods zu erheben,
Und weiß, recht auf den Punkt von Zeit,
Da noch Verdienst dabei ist, nachzugeben;
Kurz, Sinibald, in den sie selbst beinah
Verliebt ist, bat so schön, daß ihr das Herz zu brechen
Begann: und, da er sie gleichwohl noch wanken sah,
Zieht er den Dolch und droht sich zu erstechen,
Wenn sie sich länger sträubt, ihm eidlich zu versprechen,
Daß ihn ein heilig Band (geheim, doch ehrenvoll)
In künft'ger Nacht — er kann nicht länger warten —
Im Saal von eben diesem Garten
Zum glücklichen Gemahl des Engels machen soll.
Frau Clare (die hier immer für Lauretten
Gehalten wird) vermag sich nicht zu retten,
Und, zwischen Freud' und Angst sich selber kaum bewußt,
Legt sie, wie er's verlangt, drei Finger auf die Brust
Und schwört ihm zu, nach äußerstem Vermögen
Zu diesem Schritt' ihr Fräulein zu bewegen.
Ein Beutel, schwer von Genueser Gold,
(Des künft'gen Diensts voraus bezahlter Sold)
Kommt, ihrem äußersten Vermögen,
Zum Ueberfluß, noch etwas zuzulegen.
"Der liebenswürd'ge Herr! er hat so eine Art,
Daß man mit ihm das Herz im Leibe theilen möchte.
Gewiß, ist nur Rosinchen erst gepaart,
Ist sie die Glücklichste vom weiblichen Geschlechte!"
So denkt Frau Clar', und, eh sie Abschied nimmt,
Wird Ort und Zeit und Alles wohl bestimmt,
Und beide gehen dann so fröhlich aus einander
Und fröhlicher, als Hero und Leander.
Gut! aber, eh wir weiter gehn,
Muß unsrer Seits zuvor noch was geschehn.
Wir sehen rings herum sich manche Stirne falten,
Daß Sinibald, der doch zwei helle Augen hat,
Mit Claren an Laurettens Statt
So lange sich am Fenster unterhalten
Und seinen Irrthum nicht gemerkt,
Da doch Figur und Ton und andre Nebensachen
Vermuthlich ihn nicht sehr darin bestärkt.
Ein Nasenrümpfer wird vielleicht mit schiefem Lachen
Die Wahrheit der Legende gar
Aus diesem Grund verdächtig machen.
Allein, fürs Erste, ist aus dem Berichte klar,
Daß damals just die Nacht entsetzlich dunkel war:
Dazu kam noch ein Nebel, dick zum Greifen,
Da (wie ein Blinder weiß) die Formen zu ersäufen
Und zu verschwemmen pflegt. Dasselbe gilt
Vom Tone, der im Nebel schwillt
Und dumpfer wird. Auch ward besagten Nebels wegen
Frau Clarens Kopf (der freilich den Verstoß
Bei vollerm Lichte hätt' entdecken mögen)
So eingepackt, daß kaum noch einer Linse groß
Davon zu sehen war; und weil sie, klüglich, bloß
Mit halber Stimme sprach, den Horchern zu entgehen,
(Denn immer ließen hin und her
Sich Leute, die des Weges gingen, sehen)
So half auch dieß zur Täuschung so viel mehr.
Nicht minder ist vor allen Dingen
Der Umstand noch in Anschlag mit zu bringen,
Daß Sinibalden nicht der leiseste Verdacht
An eine Irrung kam, und daß Laurettens Züge
Viel Eindruck eben nicht auf seinen Sinn gemacht.
Thut Alles dieß dem Leser kein Genüge,
So sehn wir nicht, was uns zu glauben hindern mag,
Daß Satanas, der in der Nähe lag,
Mit blauem Dunst des Junkers Aug' umzogen;
Und weil sich (Alles wohl erwogen)
Nicht leugnen läßt, daß diese Art,
Von Schwierigkeiten los zu kommen,
Die leichtste ist und viel Philosophie erspart,
So bleib' es denn dabei! — Doch jedem Frommen
Sein Recht, kein Wort davon zu glauben, unbenommen!
Kaum hatte Sinibald, berauscht von seinem Glück,
Sich selbst und sein Entzücken heim getragen,
So hörte man vom Thurm die eilfte Stunde schlagen.
Nicht lange drauf, so fügt es das Geschick,
Daß Guido, der von einem Hochzeitschmause
Mit einem kleinen Hieb sich leise heimwärts schlich,
Von ungefähr bei Cleliens Gartenhause
Vorüber ging. Auf einmal, da er sich
Der Mauer naht, bedünkt ihn, eine Stimme
Zu hören, die gar sanft und zephyrlich
An seinem Ohr vorüber schwimme
Und ihn beim Namen ruf'. Er blieb verwundert stehn
Und sah sich um und glaubte nichts zu sehn.
"Sind Sie's?" ruft's abermal aus einem niedern Fenster.
Mein Guido (der kein Mann war, der Gespenster
In seinem Credo führt) spricht Ja und schaut empor
Und glaubt, so viel als durch den Flor
Des Nebels möglich ist, ein Mädchen zu erblicken.
"Ei, ei, (so fährt sie fort, vertraut sich auszudrücken)
Nach Ihrem gestrigen Entzücken
Wer hätte das zu Ihnen sich versehn?
Ein Andrer würde hier seit zehn Uhr Wache stehn,
Und Ihnen muß man einen Boten schicken.
Es ist Ihr Glück, daß mir's an Muße fehlt,
Sonst hätt' ich Sie nach Würden ausgeschmählt.
Jetzt hab' ich kaum das Nöthigste zu sagen.
Mein Fräulein will's auf Ihre Ehre wagen.
Sie stellen (flüstert sie geheimnißvoll ihm zu)
Sich morgen Mitternachts, wenn alle Welt zur Ruh
Gegangen, hier vor unserm Garten
(Nur etwas pünktlicher, als Sie gewohnt sind) ein:
Die Thür wird unverschlossen seyn,
Und Clelia im Saale Sie erwarten.
Die Noth entschuldigt uns. — Man ruft mir — ich
                       muß fort.
Genug, mein Herr, Sie wissen Zeit und Ort
Und werden, schmeichl' ich mir, Laurettens Eifer loben."
Mit diesem Worte wird das Fenster zugeschoben,
Und Guido hört und sieht nichts weiter mehr.
Er denkt: Mir ist der Kopf doch nicht von Weindunst schwer?
Bei meiner Ehr', ein drollig Abenteuer!
Ein Guido, seh' ich wohl, ist einmal zum Befreier
Der Dame ausersehn; und was kann ich dafür,
Wenn jener Langsame die goldne Zeit versäumte?
Ein andrer übernimmt mit Freuden seine Pflicht!
Und kurz — wofern ich anders nicht
Das Alles aus dem Stegreif wachend träumte —
So wag' ich's auf mein unverschämt Gesicht!
Es ist der erste Handel nicht,
Aus dem es mich heraus gezogen.
Dem Tapfern bleibt die Braut! —Was meine Pünktlichkeit
Betrifft, die hat noch nie ein schönes Kind betrogen.
Ich weiß — Dank sey der großen Eiligkeit
Des Kammermädchens! — Ort und Zeit
Und komm' um Mitternacht unfehlbar angeflogen!
Indem er so sich mit sich selbst bespricht,
Faßt er, so gut beim matten Licht,
Das hier und da von fern durch Fensterscheiben bricht,
Ihm möglich ist, von Gasse, Haus und Garten
Figur und Lage ins Gesicht
Und wandert dann nach Haus, in ruhigem Erwarten
Des Ausgangs, der ihm stets, er glücke oder nicht,
Für eine Winternacht Kurzweile gnug verspricht.

Viertes Buch.

Wir zählen seit Kathrinentage
Den fünften Abend erst, und gleichwohl sind bereits
Die Sachen unsrer vier Verliebten allerseits,
Für solche kurze Zeit, in einer feinen Lage!
Zwei Clelien, (dem Schwindelgeist sey Dank,
Der in die Zofen und die Ammen
Gefahren!) beide liebestrank
Für einen Guido; und zwei Guido's, voller Flammen
Für eine Clelia; und, alle auf einmal
Der Himmel weiß in welchen Gartensaal
Von zwei Lauretten, deren keine
Der andern sich versieht, auf eine
Verdächt'ge Zeit, bestellt! — Wie endlich dieß
Sich ohne Wunderwerk und ohne Aergerniß
Entwickelt soll, ist schwer zu fassen.
Das Aergerniß insonderheit,
(Wiewohl die schwarze Zunft der Bauny's und Garassen
Die Feigenblätter uns zu ganzen Körben beut)
Das Aergerniß der werthen Christenheit
Macht meinen Dichtermuth erblassen.
Indessen, da die Sachen schon so weit
Gekommen sind, ist keine Möglichkeit,
Als ihnen ihren Gang zu lassen.
Die Heilige (ihr sey dafür der Kiel geweiht,
Womit wir dieses Werk verfassen!)
Wird in der Noth, womit uns Teufel-Amor dräut,
Uns hoffentlich nicht stecken lassen.
Bekannter Maßen war in jener Ritterzeit,
Die, seit wir mit Cervantes lachen,
Zu nichts mehr taugt, als Mährchen draus zu machen,
Die Heimlichkeit in Liebessachen
Ein Punkt, woran der Männer Ehre lag.
Man wurde gleich beim Ritterschlag
Dazu in Eid und Pflicht genommen;
Es war der schönste Zug, der einen wackern, frommen,
Großherz'gen Mann von adligem Gemüth
Von einem Mammeluck und Heiden unterschied;
Und selbst die Bastardart vom echten Ritterbunde,
Die Höflinge im langen Ringelhaar,
Bei denen Sinibald und Guido zünftig war,
Behielten vom Gesetz der alten Tafelrunde
Dieß, wenigstens als Aberglauben, bei:
Das, Damengunst sorgfältig zu verbergen,
Die erste Pflicht verliebter Ritter sey.
Die Noth allein gab den getreuen Zwergen
Und trauten Brangiens ein Privilegium.
Man frag' uns also nicht, warum
Zwei Freunde, die sich sonst wohl größre Opfer brachten,
Aus ihrem Liebesglück sich ein Geheimniß machten!
Auf diesen Punkt war selbst ein Galaor so stumm,
Als der verschwiegenste von Lanzelots Gefährten.
So platt auch dieß in unsern aufgeklärten,
Von keinem Vorurtheil des Alterthums beschwerten
Und rein vom Staub der Vorwelt abgekehrten
Rauschgoldnen Zeiten scheinen wird,
In jener rohen Welt, in die wir uns verirrt,
War die Cultur noch nicht so hoch gestiegen:
Wer Amors Farbe trug, war ein getreuer Hirt',
Und jeder Glückliche — verschwiegen.
Doch, ohne länger um den Brei
Herum zu gehn, zu unserm Doppelpaare!
Was also zwischen Dame Clare
Und ihrem Fräulein, seit der kleinen Meuterei,
Die jene mit dem Herrn im langen blonden Haare
Im Dunkeln angelegt, verhandelt worden sey,
(Wiewohl der Autor sich darüber
Nicht ausgebreitet hat) ermißt
Ein Jeder leicht von selbst, dem diese Art von Fieber
Woran Rosinchen litt, scheu vorgekommen ist.
Sie will und will auch nicht; und dennoch —kurz, sie wollte
Wohl gerne, wenn nur nicht so ein — ich weiß nicht was,
Just hier, durch sein Gepoch ihr ohne Unterlaß
Zu sagen schien', ein armes Mädchen sollte
Nicht wollen, was es will. Doch, (wie es immer geht,
Wenn mit dem Feind von außen ein Verräther
Im Herzen selbst sich in geheim versteht)
Ein wenig früher oder später
Erfolgt, wie frisch man auch zur Wehre sich gesetzt,
Die Uebergabe doch zuletzt.
Frau Clare (die den Beutel voll Zechinen,
Von dem ihr wißt, gewissenhaft verdienen,
Vielleicht verdoppeln will) hielt' ihre Hand dafür
Ins Feuer, daß der junge Herr Rosinen
Wie seine Augen liebt. "Und was für Ungebühr
Ist denn am Ende drin, den lieben Mann, der ihr
So augenscheinlich von der heiligen Kathrinen
Unmittelbar zum Ehgemahl'
Erkoren ward, in einem Gartensaal
Bei Nacht (weil's doch bei Tag nicht schicklich ist) zu sprechen?
Herr Guido hat ein viel zu ehrliches Gesicht,
Sich eines Unfugs zu erfrechen;
Und allenfalls bin ich mit einem Licht
Im Cabinet zur Hand und stelle mich zur Wehre,
(Nur schrei' Sie laut genug) sobald ich schreien höre."
So kräftig unterstützt, hielt unsrer Heldin Muth
Sich immer noch, wiewohl nicht ohne Schwanken,
Bis gegen Abend ziemlich gut.
Zwar sprach sie kaum ein Wort, schien immer in Gedanken
Und hörte nur, wie halb im Schlafe, was
Die taube Tante sprach, jedoch bald roth, bald blaß,
Wenn ihr getroffnes Herz ein Wort zum Vorwurf machte,
Wobei vielleicht die Alte gar nichts dachte:
Doch rief der Amme Wink und Blick
Den Muth von Zeit zu Zeit in ihre Brust zurück.
Allein, als nun Frau Kunigunde,
Nach einem Rosenkranz, der gar kein Ende nahm,
Zu Bette kroch, und nun die zwölfte Stunde
Wie ein Gespenst heran geschritten kam,
Entfiel dem guten Kind auf einmal alle Stärke;
Sie fühlte sich an allen Nerven lahm,
Ihr schlug das Herz als wie vor einem Werke
Der Finsterniß. Sie war sich selbst deßwegen gram
Und hätte doch so zwischen Gehn und Bleiben
Die ganze Nacht geschwebt, wenn nicht, trotz ihrem Sträuben,
Die Amme, der davon der Kopf ein wenig warm
Geworden war, mit nervenvollem Arm
Die Widerspenstige auf ihrer Lagerstätte
Umfaßt und eines Zugs, zwei hundert Schritte lang
Durch manchen finstern Bogengang
Bis in den Gartensaal davon getragen hätte.
Frau Clare hatte hier auf einem Ruhebette
Die holde Last kaum abgelegt,
Und, unter manchem Kuß, mit Schelten und mit Dräuen
Ihr etwas Ruh' und Kühnheit eingeprägt:
Als plötzlich sich die Thüre regt,
Und ziemlich rasch (wie Mars zu Aphroditen
Erwartet eilt) ein feiner junger Mann,
Den man, bei schwachem Licht durch alte Florgardinen,
Für Sinibalden halten kann,
Herein fliegt und voll Feuers sich Rosinen
Zu Füßen wirft. Die Amme, ohne sich
Recht nach ihm umzusehn, entwich
Ins Cabinet, indeß, vom Schein betrogen,
Der junge Herr, als ein willkommner Gast,
(Wie er nicht zweifeln kann) doch etwas ungezogen
Rosinens beide Knie umfaßt;
Und, um so schnell als möglich sich der Last
Der Dankbarkeit und Sehnsucht zu entladen,
In Wort und Werk sich, leider! so beträgt,
Wie nur ein Faun mit taumelnden Mänaden
Im dicksten Hain sich kurz zu fassen pflegt.
Der Leser wittert schon, (wir können sicher wetten)
Daß Guido, gestern von Lauretten
(Durch einen Irrthum zwar) auf diese Zeit bestellt,
Beim Mondschein, der nur schwach die Mitternacht erhellt,
Die rechte Thür, den rechten Garten,
(Der an Rosinens gränzt) und auch den Saal verfehlt,
Wo Clelia und Amor ihn erwarten.
Zum Unglück hatt' er auch, aus einem wenig zarten
Gefühl, Cupido's Glut mit bacchischer vermählt
Und, um das Abenteur recht glorreich zu bestehen,
Auf alle Fälle sich mit Cypernwein gestählt.
Das Fräulein glaubt vor Scham und Schrecken zu vergehen,
Im ersten Manne, dem ihr junger Busen schlug,
Der so viel Zärtlichkeit im schönen Auge trug,
Der sich mit ihr auf ewig zu verbinden
So heilig schwor und ihres Lebens Glück
Zu machen fähig schien — im ersten Augenblick,
Wo ihr Vertraun in ihm die reinste Glut entzünden,
Ihn ganz verengeln soll — den frechsten Faun zu finden.
Der Abfall war zu stark und schien bei einem Haar
Sie in ein Steinbild zu verwandeln.
Doch Guido, der so leicht nicht zu erschrecken war,
Vermeinte noch gar ritterlich zu handeln,
Indem er alle Schuld auf seine Rechnung nahm.
Er hielt's für einen Rest von jugendlicher Scham,
Wo nicht für einen Wink, noch mehr sich zu erlauben;
Und, eh sie zu sich selber kam,
Gelang es ihm, den Arm um ihren Leib zu schrauben
Und einen Kuß dem schönsten Mund zu rauben.
Die Unthat facht auf einmal Heldenglut
Und Heldenkraft in allen Adern
Des frommen Mädchens auf; sie windet sich mit Wuth
Aus seinem Arm und fängt so gräßlich an zu schreien,
Daß Dame Clar' aus ihrem Hinterhalt
Wie eine Furie mit Schimpfen und mit Dräuen
Heraus stürzt, gegen den vermeinten Sinibald
Dem Fräulein eine Faust zu leihen,
Von welcher Guido schon fünf scharfe Klauen fühlt,
Eh' er die Hand entdeckt, die in Gesicht und Locken
Ihm, wie ein Maienschnee in Blüth' und Zweigen, wühlt.
Rosine rennt davon. Herr Guido, halb erschrocken,
Halb lachend, läßt ein Drittel seiner Locken
In Clarens Händen, sucht, vollkommen abgekühlt,
Die Thüre, ohne Licht in Sachen zu begehren,
Und gibt der guten Frau, die vor Erstaunen kaum
Zu Athem kommt, durch sein Entfliehen Raum
Sich die Begebenheit (wo möglich) zu erklären.
Indeß der Zufall hier dem armen Villador
(Der Alles dieß nun wird entgelten müssen!)
Durch seinen besten Freund (zwar ohne Schuld und Wissen)
So schlimme Dienste that, ging, leider! unterm Flor
Der Mitternacht, zwei hundert Schritte weiter
Mit Sinibalden selbst ein andrer Irrthum vor.
Auch diesem ward der Mond zum ungetreuen Leiter,
Indem er Cleliens Thür, die an Rosinens stieß,
Im Dunkeln ihn, statt dieser, wählen hieß.
Sein Schicksal war auch jetzt, zu spät zu kommen:
Und hätte Guido im Entfliehn
Vor lauter Eid nicht den falschen Weg genommen,
So traf er unterwegs auf ihn.
Mein Sinibald, voraus in Wonne schon zerflossen,
Kommt an den Ort eilfertig angeschossen,
Wo ihm die Himmelsthür geöffnet stehen wird,
Sieht eine Gartenthür' halb offen vor sich stehen,
Und, ohne viel sich umzusehen,
Dankt er's der Liebe, die ihn leitet, und — verirrt,
Indem er bei Rosinen einzugehen
Vermeint, in Cleliens Gartensaal.
Noch regt sich nichts, und Lunens matter Strahl,
Der mit der Nacht nur schwach und sterbend kämpfet,
Wird durchs bemalte Glas der Fenster so gedämpfet,
Daß Sinibald die Hand zum Auge machen muß.
"Wo bist du, Wonne meines Lebens,
Wo bist du?" ruft er leis', allein er ruft vergebens,
Und leere Luft verschlingt den warmen. Kuß,
Den, ohne daß er sie erblickte,
Sein Mund auf Cleliens gehoffte Lippen drückte.
In anmuthsvollem Wahn (selbst einem Tantalus
Kaum zu verzeihn) daß sie vielleicht Versteckens spiele,
Durchtastet er vom Boden bis zur Diele
Den ganzen Saal mit Fuß und Hand und Kopf:
Allein ein Bettgestell mit einem sammtnen Pfühle,
Ein halb zerbrochner Blumentopf,
Ein kleiner Tisch und drei geflochtne Stühle
In etwas krüppelhaftem Stand
War Alles, was sich hier von dichten Körpern fand.
Von Clelien keine Spur! —Wo säumt sie? seufzt beklommen
Mein Sinibald. — "Geduld! raunt ihm der Genius
Der Hoffnung zu: sie kommt gewiß, sie muß
Nun alle Augenblicke kommen.
Erwartung, Freund, verlängert den Genuß,
Und, auch getäuscht, hat man doch etwas vorgenossen!"
Der Genius hat Recht! und also — weil er muß,
Wird vor der Hand sich zur Geduld entschlossen.
Er wirft sich auf den Pfühl und wartet unverdrossen:
Doch, wie er just so lang gewartet hat,
Als ein Secundenrad gebraucht sich umzudrehen,
Wird ihm die Zeit schon lang, däucht ihm die Lagerstatt
Ein Nesselnbett; es treibt ihn, aufzustehen
Und durch die Thür, des ew'gen Wartens satt,
Ob sie denn noch nicht kommt, zu sehen.
Er hält den Athem an und lauschet: nicht ein Blatt
Kann im Gebüsche sich bewegen,
So flattert ihr mit zweimal schnellern Schlägen
Sein taumelnd Herz aus seiner Brust entgegen.
"Wie? abermal getäuscht! Treibt man wohl gar nur Spiel
Mit mir? Und könnten so die frömmsten Augen lügen?
Weg, Satan! — Athmet nicht aus allen ihren Zügen
Der reinste Sinn, das zärtlichste Gefühl?
Unmöglich kann der Engel mich betrügen!
Sie ist die Unschuld selbst. — Allein
Kann nicht vielleicht die Magd bestochen seyn,
Mir eine Salle hier zu stellen?" —
Was bilden nicht in solchen Fällen
Verliebte sich als möglich ein?
Nachdem er dergestalt sich eine gute Weile
Gequält, däucht' ihm, daß Jemand durch den Gang,
Der um den Saal sich schneckenförmig schlang,
Mit flücht'gen Schritten herwärts eile.
Zum deutlich Sehn gebrach's an Licht,
Allein sein Ohr betrog ihn dieß Mal nicht.
"Sie ist's! Sie ist's! So grazienmäßig streichen
Am Boden hin nur Engel ihres gleichen!"
Denkt er und springt mit offnem Arm' hervor
Und drückt an seine Brust — o Wonne sonder gleichen!
Wen anders als — Lauretten hoch empor,
Die (ohne gar zu rasch dem Irrthum' auszuweichen,
Der den verliebten Herrn betrog)
Die eine Hand mit halb verbiss'nem Lachen
Ihm vor die Lippen hielt, um keinen Lärm zu machen,
Und in den Saal ihn mit der andern zog.
Halt! nicht so rasch, mein Herr! Erkennen Sie Lauretten
Spricht sie, indem sie sich, wiewohl ein wenig spät,
Aus seinen Armen lachend dreht.
Wie, wenn wir Mädchen nun nicht mehr Gewissen hätten,
Als junge Herrn Behutsamkeit?
Ein feines Unglück hätt' im Schirm der Dunkelheit
Aus Allem dem entstehen können!"
"So? — schmeichelt dieß Laurettens Eitelkeit?
Den Dieb macht freilich oft bloß die Gelegenheit,
Und wie das Oel ist, muß die Flamme brennen.
Mein Irrthum, schönes Kind, war keine Sicherheit!
Doch, sage, wo, um aller Heil'gen willen!
Das Fräulein bleibt? mir springt das Herz vor Ungeduld!
Was hindert sie, die Hoffnung zu erfüllen,
Die du mir gabst? An wem, Laurette, liegt die Schuld?"
O, sicher nicht an Cleliens gutem Willen!
Ihr Herzchen klopfte nicht mit minder Ungeduld,
Als Ihres, gnäd'ger Herr, nach dieser Geisterstunde.
Mir ist's zu hoch, ich muß es frei gestehn,
Wenn hier nicht Zauberei im Spiel' ist; denn im Grunde
So haben Sie sich ja kaum ins Gesicht gesehn.
Unfehlbar wirkt an Ihrem Liebesbunde
Der Himmel selbst, und so wird Alles herrlich gehn!
Indessen fällt auf diesem Erdenrunde
Der böse alte Greif, von dem
Ich Ihnen neulich sprach, uns äußerst unbequem.
Der machte sich, kraft seiner Vormundsstelle,
Von Langem her ein kleines Haussystem,
Das nicht in unsers paßt. Nun weiß ich nicht, von wem
(Wenn nicht vom Satan in der Hölle)
Der Alte Wind bekam, es spinne in geheim
Sich etwas Widrigs an. Er ließ sich zwar nichts merken,
Und (in der Sicherheit vermuthlich, uns zu stärken)
War er bei Tische heut so süß wie Honigseim;
War tändelnd, schmeichelhaft und steckte seinen Rüssel
(Die Brille drauf) in jede kleine Schüssel,
Um mit dem Besten stets das Fräulein zu versehn.
Allein, wie's nun um Schlafengehn
Zu thun war, denken Sie! so zog der Molch den Schlüssel
Von Fräuleins Kammer ab und schloß sie lachend ein.
Es soll zeither bei Nacht nicht gar zu sicher seyn,
Sprach er, indem er noch ein Schlößchen vorzulegen
Beschäftigt war. — Der alte Bösewicht!
Ich hätt' ihn gleich erdrosseln mögen,
Ein solches schelmisches zähnfletschendes Gesicht
Zog er dabei! — Das Beste war indessen,
Daß er an meiner Kammerthür
Das Nämliche zu thun vergessen.
Doch trau' ich seinem Schlaf nicht viel; und sollt' er hier
Uns unversehens überraschen,
O Jemini! das gäb' ein garstig Spiel!
Eh möchte mich ein Krokodill'
Im Bad', als er bei Ihnen, mich erhaschen!
Drum, gnäd'ger Herr, (um Sie mit einem Wort
Von unsrer Noth zu unterrichten)
Den Hochzeitplan des Unholds zu vernichten,
Bleibt uns kein andrer Rath, als — von Palermo fort!
Das Fräulein muß vor übermorgen flüchten!
Wir wissen einen sichern Ort,
Um unsern Lauf dahin zu richten.
Auf Ihren Beistand wird gezählt; doch, wie und wann,
Ist, was ich selbst noch nicht bestimmen kann;
Das muß ich noch vor allen Dingen
Mit Clelien zuvor ins Reine bringen:
Und sollte morgen mich der alte Pantalon
Verhindern, Ihnen in Person
Auf Ihrem Zimmer aufzuwarten,
So kommt ein Brief von mir und unser Plan dabei;
Nur übersehen Sie die schlechte Schreiberei!
Laurette spricht's, begleitet ihn zum Garten
Hinaus, drückt ihm die Hand, wünscht angenehme Ruh'
Und schließt die Thür' ihm vor der Nase zu;
Und Alles dieß (aus Furcht, daß er zu lange weile)
In solchem Sturm' und Drang von Eile,
Daß Sinibald, der vor Bedürfniß glüht,
Sein Herz durch Reden zu entladen,
Mit einem "Gute Nacht, Ihr Gnaden!"
Er weiß nicht wie, sich auf der Gasse sieht.
Freund Guido hatt' indeß auf seinem Pfühl, so gut,
Als wäre nichts begegnet, ausgeruht.
Der leichte Ritz, den Amor seinem Herzen
Im Dunkeln beigebracht, mit Morpheus Zaubersaft
Beträufelt, hatte (statt zu brennen und zu schmerzen)
Ihm gegentheils den schönsten Traum verschafft.
Erfrischt durch Schlaf und Traum sprang er nun desto freier
Vom Lager auf, mit aller Jugendkraft
Und Wohlgestalt und all dem raschen Feuer
Von einem, den Urgande zum Befreier
Bezauberter Infanten auserkor.
Indessen sagt ihm doch sein Dämon nichts zuvor;
Als, eben da er auszugehen
Begriffen ist, an kleiner Mohr
Nach Guido fragt, ihm (wie sich's findet,
Er sey es selbst) ein Briefchen überreicht
Und wieder unversehns aus seinen Augen schwindet.
Der Anfang wenigstens, denkt Guido lächelnd, gleicht
Dem ersten Act von einem Abenteuer,
Wenn's nicht vom gestrigen vielleicht
Der zweite ist. Laß sehn! — Mit einem Dreier
Gesiegelt und mit einem Krähenfuß
Geschrieben —das verspricht —Und dennoch wollt' ich wetten,
Die Hand, die dieß gekratzt, ist eine schöne Hand!
"Mein Herr, wenn Clelien von einem Eheband,
Das ihr verhaßter als die Hölle ist, zu retten,
Nach einem Wagestück Sie so gelüstig macht,
Als ich, die dieses schreibt, die Dintenkleckse hasse:
So finden Sie sich diese Nacht
Um zwei Uhr in der engen Gasse,
Die unser Haus (das sich durch Thürmchen kenntlich macht)
Vom Chor der Peterskirche scheidet,
Zu einer Wasserfahrt gerüstet und gekleidet,
Bei unsrem Kammerfenster ein.
Herab zu kommen soll dann unsre Sorge seyn;
Ein schönes Betttuch ist dazu bereits zerschnitten.
Indeß — (verzeihn Sie, wenn die Noth
Uns unbescheiden macht im Bitten)
Bestellen Sie sogleich ein wohl versehnes Boot,
Das ungesäumt uns nach Salerno bringe;
Denn, sind wir dort, so sind wir aus der Schlinge.
Wir zweifeln nicht, mein Herr, den Auftrag recht genau
Besorgt zu sehn, und unsre liebe Frau
Verleihe nur, daß Alles wohl gelinge!"
So muß, denkt Guido, unsre Frau,
Wie dieß zusammen hängt, ein wenig besser wissen,
Als ich! — Was ist zu thun? — Ich werde folgen müssen,
Da, we es scheint, das Glück mich nun einmal bestimmt,
Der Mann zu seyn, für den die Clelia mich nimmt.
Von mir soll keine Dame sagen:
Ich hätte mich bedacht, den Hals für sie zu wagen.
Vielleicht ist Alles nur auf Muthwill' abgesehn:
Genug, ich nehm's für Ernst; und ist (wie zu vermuthen)
Das Fräulein hübsch genug, um mit ihr durchzugehn,
So folg' ich ihr durch Feuer und durch Fluten!
Das Glück begünstigte die Unbesonnenheit,
Und Alles ging nach Wunsch. Ein Fahrzeug lag bereit,
Sie stündlich nach Salerno über
Zu führen. Zur bestimmten Zeit
Stand auch mein Guido schon dem Fenster gegenüber,
Wo eine Hand wie Schnee ihm bald ein Zeichen gab.
Das Fräulein eingehüllt in mehr als einen Schleier,
Läßt mit Laurettens Hülf' am Betttuch sich herab
Und wird (indeß den alten Freier
Sein Vorlegschloß ganz sicher schnarchen macht)
Von ihrem Amadis beglückt an Bord gebracht!
Nun geht's, als säß' ein Liebesgott am Steuer!
Ein günst'ger Wind von Süd gen Osten bläht
Die Segel auf, und, falls er sich nicht dreht,
So sehn wir zu Salern bald eine Hochzeitfeier.
—————

Fünftes Buch.

Wir überlassen nun die Flüchtlinge dem Glück',
Und kehren wieder zu Rosinen
Und ihrem, ohne sein Verdienen,
Aus ihrer Gunst gefallnen Freund zurück.
Der Irrthum mit dem Gartensaale,
Und wie Asmodi, nun bereits zum zweiten Male,
Die Zofe Cleliens (die ihn für Guido hielt)
An Clarens Statt ihm in die Hand gespielt;
Und wie der Brief, den ihm Laurette angekündigt,
Den wahren Guido fand, der jüngst so freventlich
Auf seine Rechnung an Rosinen sich versündigt:
Dieß Alles ist Euch noch erinnerlich.
Dem guten Sinibald, der in der ganzen Sache
Ein Spiel der bösen Geister war,
War, leider! nichts bekannt; und, statt der schweren Rache,
Die ihm Rosinchen und Frau Clar'
Bereiten, bringt (als er, von langer Wache
Ermüdet, kurz vor Tag entschlief)
Ein falscher Traum ihm den versprochnen Brief.
Und welchen Brief! Der Glückliche! Noch heute,
Noch diese Nacht, sobald der erste Schlaf die Leute,
Die nicht, wie er, auf Abenteuer gehn,
Gebunden hat, wird am bewußten Orte
Laurette bei der kleinen Pforte
Im Garten auf der Wache stehn,
Durch schweigende, leicht angelehnte Thüren
Ins Brautgemach ihn heimlich einzuführen.
Denn Hymen soll und muß des Festes Priester seyn!
Doch, weil sich seiner Fackel Schein
Nicht füglich zum Geheimniß schickte,
Wird Amor ihm sein Blendlaternchen leihn.
Nun denkt, wie unsern Mann des Briefchens Styl entzückte!
Wie oft und warm er's an die Lippen drückte,
Wie oft er's las und wieder las
Und immer nach der Sonne blickte,
Die (däucht ihn) heute gar nicht von der Stelle rückte
Und, recht ihm zum Verdruß, wie angenagelt saß!
Zum Glücke lieh ihm Morpheus Schwingen,
Die Zwischenzeit zu überspringen.
Der Sonne Lauf war noch nicht halb vollbracht,
So war's in seinem Traum' auf einmal Mitternacht;
Und an der Hand der schleichenden Laurette
Befand er sich, durch eine Seitenthür',
Auf einmal in Rosinens Cabinets.
Die Schöne liegt auf einem Ruhebette
Und er, vor Lieb' und Wonne schier
Entseelt, auf seinen Knien, zerdrückt, zerküsset ihr
Die kleine Lilienhand, als wollt' er sie verschlingen.
Die Holde bücket sich auf ihn
Mit Blicken, die in Amors zartste Schlingen
Ihr unbewußt den trunknen Jüngling ziehn.
Wie reizend Lieb' und Scham auf ihren Wangen ringen!
Wie mächtig lockt die stumme Redekunst
Der Seufzer, die den keuschen Busen heben!
Ihr Auge schwimmt in zauberischem Dunst',
Indem noch matt die Hände widerstreben;
Ihr Zorn verspricht ihm Alles zu vergeben,
Und selbst ihr Widerstand ist eine Gunst.
War's Teufel-Amors Neid, war's St. Kathrinens Auge
Und unsichtbarer Schutz, (der nicht
Gestatten will, daß nur im Traumgesicht'
Ein Schmetterling an dieser Rose sauge)
Was unsers Träumers Glück auf einmal unterbrach?
Aus beiden bleibt die Wahl euch unbenommen.
Daß so zu rechter Zeit ihn eine Mücke stach,
Das war wohl nicht von ungefähr gekommen,
Denn um ein Ave später war's zu spat.
Asmodi oder Sanct Kathrine,
Uns gilt es gleich, wer von der That
Den Tadel oder Ruhm verdiene;
Genug, der Traum verschwand, gerettet war Rosine!
Der arme Tantalus schlang die begier'ge Hand
Um einen Leib von weichem Alabaster,
Verhoffte süßen Widerstand
Und griff — nach Luft mit ungefüllter Hand.
In seinem Leben war der Tag ihm nie verhaßter!
Doch faßt' er sich den Augenblick,
Dankt es des Traumgotts Zauberspiegel,
Der diesen Vorgenuß von seinem nahen Glück'
Ihm gönnt', und nimmt als Pfand und Siegel
Ihn an, daß bald, vielleicht in nächster Nacht,
Rosinens Huld den Traum zur Wahrheit macht.
Von dieser süßen Hoffnung trunken
Schlief er von neuem ein und lag (indeß der Brief
In Guido's Hände kam) noch tief
In weichen Schwanenflaum versunken,
Als ihn der Angelus zur Mittagstafel rief.
Stracks sprang er auf, warf sich in seine Kleider,
Und, wie natürlich, war der Brief
Sein erstes Wort. Allein von dem weiß, leider!
Kein Mensch im Hause was. Er schwört, es müss' ein Brief
Gekommen seyn: ihm wird in beide Ohren
Das Gegentheil beherzt zurück geschworen.
So, denkt er, hat ein Hinderniß
Den Vormittag Lauretten weggenommen:
Allein ihr Wort ist mir gewiß,
Das Briefchen muß noch vor der Vesper kommen.
Die Vesper kam, der Brief blieb aus;
Vergebens hütet' er den ganzen Tag das Haus
Und lag erwartungsvoll bis in die Nacht im Fenster;
Die Glocke schlug acht, neun und zehn,
Schon nahte sich die Stunde der Gespenster,
Und weder Brief noch Mädchen ließ sich sehn.
"Das ist zu arg! So wär' ich gar betrogen?
Man hätte mich nun zweimal aufgezogen?
Zwar hieße das — sich selber hintergehn,
Allein wer kann für Mädchenlaunen stehn?"
Er gürtet sich, schleicht um die eilfte Stunde
Sich weg, Rosinens Wohnung zu,
Und ging wohl zwanzigmal die Runde
Ums ganze Haus: allein da herrscht die tiefste Ruh.
Der arme Mensch verdreht mit Dehnen und mit Recken
Sich Hals und Fuß, den Schein von einer Lampe noch
An einem Fenster zu entdecken,
Drückt an die Thür sich an, legt hart vor's Schlüsselloch
Sein lauschend Ohr, ob irgend was sich rege?
Wagt endlich gar verschiedne leise Schläge,
Dem Mädchen (die vielleicht im Dunkeln seiner harrt)
Ein Zeichen seiner Gegenwart
Zu geben. All umsonst! Wenn er die Glocke zöge,
Es hälfe nichts. Sobald Frau Clare schlief,
So schliefen euch die heil'gen Siebenschläfer
Von Ephesus nicht bald so tief.
Was war zu thun? Dem armen treuen Schäfer
(Zumal er schon der Schaarwach' Eisentritt
Im nächsten Gäßchen glaubt zu hören)
Bleibt nichts, als halb erstarrt und mit
Gesenkten Ohren heim zu kehren
Und nun, indem er sich im Bette wechselsweis'
In Flammen bald herum wälzt, bald in Eis,
Sein Seelenfieber noch durch Denken zu vermehren.
Der nächste Tag ging ihm nicht günst'ger auf.
Kaum hatt' er aus den Federn sich gelichtet,
So wirft er seinen Mantel um und richtet
Gerade nach Sanct Peter seinen Lauf.
Er hofft Rosinen dort zu finden,
Und dieses Mal lügt ihm die Hoffnung nicht.
Er stellt sich ihr so nahe vors Gesicht,
Als möglich war, und strengt bis zum Erblinden
Die Augen an, nur einen Seitenblick
Die Messe durch dem Engel abzulauschen.
Allein er mag den Standpunkt tauschen,
So oft er will — bald vorwärts, bald zurück,
Bald bei ihr stehn, bald ihr vorüber rauschen.
Ihr lieblicher Madonnenblick
Bleibt immer niederwärts in stiller Demuth hangen:
Und wenn die Glut der sanft geblähten Wangen
(Die doch vielleicht ein bloßer Wiederschein
Der Andachtsflamme war, die ihr im Busen brannte)
Ihn hoffen ließ, nicht unbemerkt zu seyn,
Was half es ihm? Ihr Blick, ihr Herz bekannte
Sich nicht dazu; und, eh die Messe ganz
Gesungen war, ging sie, nach jüngferlicher Sitte,
Die Augen stets auf ihren Rosenkranz
Herabgesenkt, mit leichtem kurzem Schritte
So harmlos neben ihm vorbei,
Als ob Herr Sinibald ein Kirchenpfeiler sey.
Bestürzt und kummervoll, die Querhand vor der Stirne,
Folgt er von ferne nach, sieht sie (doch ohne ihn
Zu würd'gen eines Blicks) durch ihre Thür' entfliehn
Und bleibt mit starrem Aug' und schwindelndem Gehirne,
Als hätt' er einen Geist bei hellem Tag gesehn,
Dem Hause gegenüberstehn.
Das Wunder übersteigt den Glauben!
Es ist genug, um einem weisern Mann',
Als er ist, den Verstand zu rauben!
Was sie so ganz und gar verwandelt haben kann?
Sie, die im zärtsten Netz, das Amor je gewoben,
Zugleich mit ihm sich fing, ihm schon die stärksten Proben
Der Zärtlichkeit zu geben willig war,
Nur vor zwei Tagen noch bereit war, ihm sogar
Die Rechte des Gemahls verstohlen einzuräumen;
Sie würdigt ihn nicht eines leisen Nicks,
Nicht eines Winks, nicht eines Seitenblicks?
So arg kann's einem doch in keinem Fieber träumen!
"Und doch — sollt's etwa Scham, sollt's bloße Laune seyn?
Will sie vielleicht mich auf die Probe stellen?
Ein guter Geist gibt dieß vielleicht mir ein!
Nun wohl! Geduld! es muß sich bald erhellen."
In dieser Hoffnung pflanzt der treue Sinibald
Sich abermal in einen Hinterhalt
Rosinens Fenster gegenüber
Und harret in Geduld. Der Wind blies scharf und kalt:
Allein (Dank dem verliebten Fieber,
Das sein elektrisch Blut ihm durch die Adern jagt!)
In seinen Ueberrock bis an die Nasenspitze
Gewickelt, hätt' er über Hitze
Sich mehr als über Frost beklagt,
Hätt' ihm die Pein, vergebens aufzupassen,
Für andres Ungemach Empfindlichkeit gelassen.
Das Fensterglas (wiewohl von ihr bestrahlt)
War etwas matt, auch hier und da bemalt.
Doch däucht ihn, da er schon zwei Stunden —nichts gesehen,
Er sehe sie, ihr Strickzeug in der Hand,
Schier drei Secunden lang am Fenster seitwärts stehen;
Ein Trostgesicht, wodurch, so schnell es wieder schwand,
Sein armes Herz sich sehr erleichtert fand.
Zuletzt, nachdem er bis zur Vesper gegenüber
Gestanden, unverwandt nach dem verbotnen Haus
Den trüben Blick gekehrt, geht endlich gar der Schieber
Des Fensters auf. Rosine schaut heraus,
Wird ihn gewahr — Unglücklicher, Elender!
So ist's denn auch für diese Nacht
Um deinen Schlaf geschehn? — und schiebt zehnmal behender
Das Fenster wieder zu, als sie es aufgemacht.
Er rennt in Wuth davon, schwört, für sein ganzes Leben,
Der Melusinenbrut den Scheidebrief zu geben.
Seit Even (brummt er wie ein Bär
Den ganzen Weg nach Hause vor sich her)
Sind sie für uns die Wurzel alles Bösen!
O! wäre nie ein Weib gewesen,
Wir lebten, frei vom Sündenjoch,
Wie Kinder, allesammt in Edens Garten noch!
Die ganze lange Nacht vergeht ihm unter Schwüren,
Dem undankbaren Ding zu Lieb
Nicht einen Schritt mehr zu verlieren;
Und, wenn er, was der Zorn ihm eingab, niederschrieb,
Es wär' ein feines Werk, um an die Zungensünden
Von Juvenal und Pop' es hinten anzubinden.
Allein, kaum ruft der frühe Glockenlaut
Das Christenvolk Palerms im Sonntagsstaate
Aus allen Ecken ins Rorate,
So wird's ihm schon zu eng' in seiner Haut.
Er hielt's euch länger nicht um tausend Rosenobel
Im Bette aus. In einem Nu
Ist er gekämmt, beschuht, wirft seinen Zobel
Sich um, und frisch Sanct Peters Kirche zu!
Sie war bereits von tausend Kerzen helle,
Und in noch weniger als drei
Minuten war nicht eine lichte Stelle
Im Schiff, im Chor und in der Sacristei
Vor Sinibald weit offnen Augen frei.
Um jede dämmernde Capelle
Schleicht er herum, und wo zu einem Betaltar
Das Volk sich drängt. Doch, was er suchte, war
Nicht hier. — "Sie wird bei Sanct Kathrinen
Zu finden seyn!" Er kommt, er sucht — auch hier
Ist, leider! wenigstens von ihr,
Nach der so bang ihm ist, kein Ablaß zu verdienen!
Sie hatte, wie es scheint, auf diesen Sturm gezählt
Und, unbefleckt von seinem Blick zu bleiben
Das fernste Klösterlein zur Andacht sich erwählt:
Doch freilich war's nicht schwer, auch dort sie aufzutreiben.
Genug; er sucht so lang vergebens, bis er sie,
Da findet, wo sie ist. Auf einmal, wie
Aus freier Luft herab, fällt der vermeinte Guido
In einem Betstuhl ihr vorüber auf die Knie;
Und unverzüglich läßt der hinkende Cupido
Aus seinen Augen, Strahl auf Strahl,
Der Liebe ganzes Arsenal
Wie Elliots Feuerkugeln speien;
Nur zünden sie wie Elliotskugeln nicht,
Und ihr wird nichts davon zu sehen noch zu fühlen.
Ein Muttergottesbild, worauf ihr schön Gesicht
In frommer Andacht ruht, scheint selbst für sie zu streiten
Und bloß zu ihrem Schutz den Mantel auszuspreiten.
Er mag sich noch so sehr bemühn,
Durch Blicke, Seufzer und Geberden
Von dem Madonnenbild ihr Aug' auf ihn zu ziehn,
Er scheint gar nicht von ihr bemerkt zu werden.
Erst nach dem Segen, da das Volk sich schnell vertheilt,
Und Jedermann mit rother Nasenspitze
Und blauen Lippen heimwärts eilt,
Zückt im Vorübergehn, gleich einem raschen Blitze,
Ein stolzer Augenstrahl auf ihn
(Ein Strahl, wie Miltons Seraphin
Auf die empörten Engel schießen)
Und wirft ihn schier zu Boden hin.
Das Wahre ist, er blieb auf seinen Füßen,
So stark der Schlag auch war, noch ziemlich aufrecht stehn;
Ihn däucht sogar der Zorn in ihren Augen schön:
Kurz, diese seltsamste der Launen,
Wovon er nichts begreifen kann,
Erweckt ihm minder Schmerz als Wunder und Erstaunen
Und reizt nur desto mehr ihn an,
Um endlich doch den Grund der Sache auszuspähen,
Ihr auf dem Fuße nachzugehen.
Sein Unstern will, daß schon beim vierten Schritt
Ein dunkler Körper, dick wie eine kleine Säule,
Ein wahres Mittelding von Kupplerin und Eule,
Auf einmal zwischen ihn und seine Sonne tritt.
Es war die Amme, bie seit einer guten Weile
Die Augen nie von ihm verwandt.
Sie hatte ihn beim ersten Blick erkannt
Und Alles wohl bemerkt, was vorgegangen,
Auch, als Rosine sich aus ihrem Kirchensitz
Erhob, die Hälfte von dem Blitz,
Den sie auf Sinibald geschossen, aufgefangen.
Doch, wie sie ihn so übermüthig sieht,
Dem Fräulein dennoch nachzugehen,
Da reißt ihr die Geduld, und ihre Nase glüht,
Wie eines Truthahns Kamm. Er, der sie nie gesehen,
Kann, ob er's gleich bemerkt, doch nichts davon verstehen.
Was denkt er, will denn die Zigeunerin,
Die ihren Schnabel so zum Ohr des Engels rücket
Und stets dabei den Hals, soviel ihr doppelt Kinn
Verstattet, rückwärts dreht und funkelnd nach mir blicket?
Das Weib hat wohl viel Gutes nicht im Sinn!
Sie nahten, während er dieß denkt, sich einer Stelle,
Wo eine halb verfallene Capelle
(Durch ein mit Spinneweb' umhangnes Fenster kaum
So viel erhellt, um —nichts darin zu sehen,
Frau Claren den bequemsten Raum
Zu bieten scheint, dem Herrn den Kopf zurecht zu drehen.
Sie läßt vom Fräulein ab und winkt
(Geheimnißvoll, wie Sinibalden dünkt)
Ihm mit der Hand, ihr nachzugehen.
"Wie leicht man sich an Jemand irren kann,
Zumal bei Licht! (denkt unser Biedermann)
Dieß läßt uns bessern Ausgang hoffen,
Als vor der Anschein war." — Er folgt getrost ihr nach;
Des Ortes Dunkelheit versprach
Viel Günstiges. Doch denket, wie betroffen
Mein Junker stand, da man, mit einer Pantomim',
Als wollte man ihm in die Haare fahren,
Ihn dergestalt begrüßt: "Verhaßtes Ungethüm,
Ich weiß nicht was mich hält, die Augen dir zu sparen?
Wie? du erfrechst dich, du falsche Creatur,
Nach solcher That, dem Fräulein noch dein Schlangen-
Gesicht zu zeigen, du? Nach einer That, die nur
Zu nennen, mir vor Scham die Lippen und die Wangen
Zu Asche brennten!"
Frau, mich soll der Antichrist
Verschlingen, (ungekocht, wofern er hungrig ist)
Spricht Sinibald, wenn ich von dieser Keife
Und Eurer Wuth ein einzigs Wort begreife.
"O, unverschämt! Denkst du, durch diese List
Zum zweiten Mal uns in dein Garn zu locken?
Eh spännen wir, beim trocknen Brod, am Rocken,
Ich unb mein Fräulein, uns die Finger wund und weh!
Da nimm dein Gold, den Sündenlohn, und geh
Zum Galgen, wo ich dich, will's Gott, noch hangen seh!"
Frau Jsabell, erwiedert ihr der Ritter,
Bei Sanct Georg, warum Ihr dieß Gewitter
Mir auf den Nacken schickt, ist zu errathen schwer.
Ich war ja stets mit herzlichem Vergnügen
Bereit und bin es noch und wünsche ja nichts mehr,
Als diesen Augenblick (holt nur den Pfarrer her!)
Dem holden Fräulein beizuliegen.
Was schmählt Ihr denn? Ich hätte bessern Grund,
Mich über Euch recht bitter zu beklagen.
Mir einen Brief so heilig zuzusagen
(Wiewohl durch einen kleinern Mund,
Als Eurer ist) und bis auf diese Stund'
Ihn schuldig seyn und mich, wie einen armen Hund
In später Nacht, auf offnen Gassen
Vor Eurer Thür vergebens wimmern lassen,
Ist, dächt' ich doch, nicht wohl an mir gethan? —
"Wie? (schreit sie) siehst du mich für eine Närrin an?
Was schwatzest du von Briefen und von Nächten
Und kleinem Mund? Entweder faselst du
Im Fieber oder füllst uns noch mit Spott dazu?
Das fehlte noch! — Allein was soll das Haberechten?
A dato an lass' uns der Herr in Ruh'
Und trage seine böse Waare,
Sein Herz sammt Zubehör, und seine gelben Haare,
Wohin er will: nach dem, was jüngst geschehn
Hat sich mein Fräulein hoch verschworen,
Nichts mehr von ihm zu hören noch zu sehn."
Mit diesem Compliment läßt sie den Junker stehn
Und läuft davon, als brennten ihr die Ohren.
Der gute Sinibald greift an die seinen sich
Und fragt sich, ob er träume oder wache?
"Es waltet, denkt er, sicherlich
Ein Mißverstand in dieser Sache.
Nach dem, was jüngst geschehn, spricht die Gevatterin
Und wirft mein Geld mir vor die Füße?
Zuletzt kommt gar heraus, daß ich bezaubert bin
Und hier für fremde Sünden büße.
Was soll denn jüngst geschehen seyn?
Was kann geschehen seyn, um ohne mein Verschulden
Dergleichen Unfug zu erdulden?
Je mehr ich's überleg, je minder seh' ich's ein.
Doch, kann ich Clelien mich anzuhören zwingen,
So wird der Knoten wohl sich ohne Schnitt entschlingen."
Er läßt drei Tage lang kein Mittel unversucht:
Allein Frau Clar' hält allzu gute Zucht,
Und Fenster, Thür' und Thor ist alles so verriegelt,
Als wär's mit Salomons Petschierring zugesiegelt.
Verzweiflungsvoll, von Lieb' und Eifersucht,
Von Rache und Begier zu siegen
Gespornt, (auch wohl aus Ueberdruß,
Mit einem leeren Bild, das weder Druck noch Kuß
Zurück gibt, alle Nacht auf Kohlen da zu liegen)
Folgt er zuletzt dem Rath des schwarzen Genius
(Der Einfall war, wie man gestehen muß,
Asmodi's werth) nun selbst der heiligen Kathrinen
Zur Mittlerin sich zu bedienen.
Ein schlauer Kopf mit einer fert'gen Hand,
Ein Künstler, (wer dafür ihn wollte gelten lassen)
Vielleicht ein Phidias, als noch, die Phidiassen
Zu schätzen, dann und wann sich ein Perikles fand,
Jetzt freilich nur der krumme Ralf genannt,
War zu Palerm vor Kurzem angekommen.
Sein Handwerk war, zum Seelenheil der Frommen,
Madonnen, oder was von Bildern dieser Art
Ihm etwa angefertigt ward,
Um sehr civilen Preis aus Pappe zu erschaffen.
Das Beste war dabei die wenige Gefahr
An seinen lieben Fraun sich etwa zu vergaffen,
Wie eher wohl der Fall bei neuern Meistern war;
Wofür ihm Unsre Frau im Himmel lohnen wolle!
Genug, der gute krumme Ralf,
Dem (wie die Sage ging, Sanct Lucas, kraft der Rolle,
Die er als Künstler spielt, zuweilen pappen half)
Ralf übernahm's, um dreimal acht Zechinen
Ein lebensgroßes Bild der heiligen Kathrinen,
Mit einem Wachsgesicht, ein Krönchen auf dem Rand
Des Scheitelhaars und Schwert und Palmen in der Hand,
Kurz, im Costume, — aus Pappe, Silberschaum
Und Knistergold, gar stattlich zu staffiren.
Das Bild war hohl und hatte sattsam Raum,
Um einen Mann, der keinen Weberbaum
Zum Speere führt, bequem darin zu bergen.
Herr Sinibald, wiewohl an feinem Bau ihn kaum
Sanct Lorenz übertraf, war doch nur unter Zwergen
Ein langer Mann und reicht der Jungfrau-Märtrerin,
Auf gleichen Füßen, kaum bis an ihr rundes Kinn;
Auch findet er in ihren breiten Hüften,
Von einem großen Wulst geschwellt
Und ringsum aufgepufft, ein ziemlich weites Feld,
Nach Nothdurft sich zu rühren und zu lüften.
Er trieb die Arbeit scharf, kam alle Tag' und sah
Dem Fortgang zu und half zur Sache rathen;
Und in acht Tagen stand das Kunstwerk fertig da!
Die Kenner fanden es ganz ungemein gerathen;
Man hatte zu Palerm so etwas nie gesehn:
Nur Schade, sagten sie, es aus dem Lande gehn
Zu lassen; denn ihm war, wie Meister Ralf berichtet,
Zu Rom im Lateran bereits ein Platz gemacht;
Ein Umstand, der den leisesten Verdacht
Von ferne schon im ersten Keim vernichtet.
Des Bildes Ruf erfüllt die ganze Stadt,
Man singt davon auf Märkten und auf Brücken;
Man läuft hinzu, man gafft und wird's nicht satt,
Die Kinder trägt man hin, die Alten gehn an Krücken;
Und weil nicht Jedes Zeit, zu ihm zu kommen, hat,
Ist Meister Ralf von freien Stücken
Erbötig, es dem Adel in der Stadt
Sogar umsonst ins Haus zu schicken.
Die Sache kommt, nachdem der erste Lärm
Vorüber war, zuletzt in ganz Palerm,
Als eine Neuigkeit Rosinen auch zu Ohren.
Ihr Eifer für Sanct Thrinen ist bekannt:
Sie war zwar nicht nach ihr genannt,
Jedoch an ihrem Tag geboren
Und hatte bei der Firmlung schon,
Nächst unsrer lieben Frau, zu ihrem Schutzpatron
Aus eigner Wahl und Neigung sie erkoren.
Wer hatte bei so viel Devotion
Ein nähers Recht als sie, die Heilige zu sehen?
Doch unter so viel Volks, so weit
Und in ein Haus wie Ralfs zu gehen,
Verwehrt ihr Stand und ihre Sittsamkeit.
Denkt, wie sie glücklich ist, noch selben Tags von Claren
Des Meisters Dienstgefälligkeit
Aus seinem Munde zu erfahren.
Die blinde Tante zwar erinnert viel dabei:
"Es fehl' an Platz, es mache nur Beschwerden,
Es könnte leicht was dran zerbrochen werden;"
Allein das goldne Wort, daß nichts zu zahlen sey,
Weiß alle Schwierigkeit zu heben;
Zumal Rosine sich recht gern verbindlich macht,
Auf alle Fälle über Nacht
In ihrem Schlafgemach der Heil'gen Platz zu geben.
Die Sache wird nun ohne Zeitverlust
Bestellt; die Stunde kommt, und, ohne fremde Zeugen,
Hilft der bestochne Ralf, des Handels mitbewußt,
(Nachdem er eidlich sich zu einem ew'gen Schweigen
Verlobt, und Sinibald, daß seine Absicht rein,
Ja selbst kanonisch sey, hinwieder ihm geschworen)
Dem jungen liebeskranken Thoren
In Sanct Kathrinens Bauch hinein.
Sie stand in einer Art von Blenden
Mit Rauschgold ausgelegt (um einen Strahlenschein
Bei Kerzenlicht umher zu spenden)
Auf einem Fußgestell von hartem Holze fest;
Und, wie die Dämmerung nichts mehr erkennen läßt,
So fassen sie mit vier hercul'schen Händen
Andächtiglich zwei Sänftenträger auf
Und steuern nun in vollem Lauf
Mit ihr nach Dame Kunigunden,
Wo Röschen und Frau Clar' schon an der Thüre stunden.
Man trägt sie frisch die Wendeltrepp' hinauf
Und setzt sie ab in Fräuleins kleiner Kammer.
Dem Junker pocht's im Busen wie ein Hammer,
Da er zum ersten Mal des Engels Stimme hört,
Die wie ein Silberglöckchen klinget;
Und, daß er nicht heraus ihr in die Arme springet,
Ist, was mit Mühe kaum die Klugheit ihm verwehrt.
Das Fräulein labt mit kindisch reiner Freude
Ihr kleines Herz an dieser Augenweide.
Frau Naseweis beguckt die Heil'ge um und an
Und wundert sich, wie Menschenwitz aus Pappe
Ein solches Werk zu Stande bringen kann.
Die alte Tante selbst in ihrer Nebelkappe
Kriecht allgemach aus Neugier auch heran,
Mit ihrem einz'gen Aug das Wunder anzuschielen
Und, aus Instinct, doch nur ganz leise, zu befühlen.
Ihr Beispiel steckt bald auch bte andern alle an;
Doch keine von den drei Marien wittert,
Wie Meister Ralf den heil'gen Leib gefüttert.
Und nun, nachdem sie noch, zu guter Letz', am Schrein
Der Unschuldskönigin drei Ave auf den Knieen
Gebetet, winkt das alte Mütterlein,
Ans Spinnrad sich mit ihr zurückzuziehen,
Und Sanct Kathrine bleibt bis Schlafenszeit allein.
—————

Sechstes Buch.

Schon senkte sich der Schlaf aufs halbe Rund der Erden,
Die Wächter riefen zehn, und unserm jungen Herrn
Begannen allgemach die Zähne lang zu werden.
Fünf Stunden schon, gleich einem Mandelkern
In seiner Schal', in Pappe eingescheidet
Zu stecken, hätt' ihm schier das ganze Spiel verleidet:
Zumal, von langer Weil' erzeugt,
Manch Aber ihm nunmehr zu Kopfe steigt,
Wovon er sich im Feuer der Erfindung
Nichts träumen ließ. — Es war ein närr'scher Wahn,
Allein wer ist stets Herr der dunkelen Empfindung?
Ihn kommt ein heimlich Grauen an,
Die Heil'ge könnte leicht den Einfall übel nehmen.
Er mußte vor sich selbst sich seiner Schwäche schämen
Und hätte gerne sich darüber ausgelacht.
So eine Kinderei soll ihm die Nerven lähmen?
Und doch, sobald ein Brett im alten Hause kracht,
Ein Fenster klirrt, so fährt's ihm übern Rücken
Eiskalt hinab und macht ihm Magendrücken.
Allein, wie jetzt von fern' aus einem stillen Gang
Rosinens Silberton ihm in die Seele klang,
Ihr leichter Fuß mit jedem Schritt im Zimmer
Hörbarer wird, und nun, so wie die Thüre knarrt,
Durchs Dunkel des Gemachs der erste Lampenschimmer
Auf Sanct Kathrinen fällt: wie da zu Muth ihm ward,
Wie hoch sein Herz ihm schlug, und wie im süßen Schwindel
Sich sein Gehirn als wie um eine Spindel
Im Kreise schwang, sein Blut zu Schnee gerann,
Dann wieder, Blitz auf Blitz, der Feuergeist der Liebe
In raschen Wirbeln ihm durch alle Nerven rann,
Das mal' euch, wer es malen kann!
Ich rühre keinen Pinsel an,
Und wenn Sanct Lukas mir dazu die Farben riebe.
Es war ein Glück, daß dieser Drang und Sturm
Die Heilige nicht aus der Fassung brachte:
Allein die stand so feste, wie ein Thurm:
Und wenn auch Sinibald sie etwas schwanken machte,
So wurde doch davon, weil ein geheimer Wurm
Des Fräuleins zartes Herz benagte,
Und gleich beim Eintritt Dame Clar'
Sich über Schläfrigkeit beklagte,
Von beiden keine was gewahr.
Ob (in Parenthesi zu sagen)
Der Schwarze, der hier in der Nähe war,
Zu Clarens Schlafsucht nicht ein wenig beigetragen,
Davon sagt die Legende nichts.
Hingegen ist gewiß, Rosinens Atmosphäre
Stieß immer ihn zurück; und an der stillen Zähre,
Die von den Lilien des lieblichsten Gesichts
Verstohlen schlich, den halb geschloss'nen Blicken
Den Seufzern, die in ihrer Brust ersticken,
Kurz, an dem leisen Gram der schweigenden Geduld
Hat Teufel-Amor keine Schuld,
So angenehm ihm auch die schöne Sünde wäre.
Zwar Liebe rinnt in ihrer stillen Zähre,
Und Liebe seufzt, sich selber kaum bewußt,
(Ein neugebornes Kind) aus ihrer sanften Brust:
Doch könnte, zum Besuch auf unsern Erdgefilden
Ein Engel selbst sich seine Luftgestalt
Aus keinem reinern Stoff, als solchen Seufzern, bilden.
Seit jener Nacht, die ihr mit schmerzlicher Gewalt
Des schönen Jünglings Bild aus offner Brust gerissen,
Seit jener Unglücksnacht, wo Guido (wie wir wissen)
Unwissend die Person des armen Sinibald
So schlecht gespielt, daß ihn der Amme Faust von dannen
Zu fliehen zwang, — war das geliebte Bild,
Das ihr die Pflicht zu hassen, zu verbannen
Befiehlt, noch nie so anmuthsvoll und mild
Ihr vorgeschwebt, als jetzt. Denn, ach! mit ihm erschienen,
Bei jedem Blick auf Sanct Kathrinen
Erschienen sie, wie holde Schatten, ihr,
Die lieblichen Erinnerungen
Der Zeit, des Orts, des Augenblicks, die ihr
So unvergeßlich sind! —"Das Sanctus war gesungen;
Hier kniete ich — und er, am zweiten Pfeiler, hier! —
Warum, o Heil'ge, mußten wir
Vor deinem Bild, an deinem eignen Feste,
Recht wie in deinem Schutz, zum ersten Mal uns sehn?
Warum erschien er mir gleich ersten Blicks der beste
Der Jünglinge, so edel und so schön,
Wenn's bloße Larve war, um mich zu hintergehn?
So war's ein Wink von dir, was mir das Herz so preßte?
Verzeih, o Schützerin, daß der Verführer dir
Mein Aug' entzog! Ich büße nun dafür.
Ich widerstand nicht, wie ich sollte;
Mein Herz verrieth mich, ach! und du warst mir so nah!
Mein war die Schuld, daß ich den Wink nicht sah,
Den Warnungswink, der mich noch retten wollte.
Allein er schien mich auch so gut,
Beinah mit Andacht, anzuschauen!
Sein Auge bat so schön! Ich hatte nicht den Muth,
Hielt's fast für Sünd', ihm mißzutrauen:
Und so betrog er mich!" — Hier hielt sie ein; der Schmerz
Zerriß der traurigen Gedanken zarte Kette.
Die schönen Augen niederwärts
Gesenkt, die Arme auf ihr Herz
Gefaltet, lehnte sie, im bloßen Nachtcorsette
Und Unterrock, die Haare aufgelöst,
Drei Finger breit vom Busen schier entblößt,
In dumpfem Gram an ihrem schmalen Bette.
Frau Clare schnarchte schon aus einem Cabinete,
Wovon die Thür in Fräuleins Schlafgemach
Halb offen stand; die Lampe brannte schwach,
Und Röschen, als sie sich vor aller List des Bösen
Noch mit dem Engelsgruß, nach christlichem Gebrauch,
Verwahrt, fing eben an ihr Knieband aufzulösen:
Als eine sanfte Stimm' aus Sanct Kathrinens Bauch
Zu der Erstaunten und Erschrocknen
Herüber tönt: "Erschrick, o Holde, nicht!
Sey gutes Muths, laß deine Thränen trocknen!
Des Herzens süßen Hang macht dir mein Schutz zur Pflicht.
Ich komme, deinen Gram zu enden.
Empfange den, der mehr als seiner Augen Licht
Dich liebt, aus einer Freundin Händen,
Die, was sie anfing, zu vollenden
Dir durch dieß Wunderwerk verspricht."
Kaum war das letzte Wort gesprochen,
So schiebt sich schnell ein Blatt vom Silberstück,
Womit 'die Heilige bekleistert war, zurück,
Und, sieh'! ein junger Herr kommt euch hervorgekrochen,
Der einem wahren Sanct Baptist
In Röschens Augen ähnlich ist.
Marie und Joseph! ruft mit Schrecken,
Indem sie ihn erkennt, (wiewohl vor Schrecken nur
Mit schwachem Laut) die holde Creatur,
(Der halbe Joseph bleibt ihr in der Kehle stecken)
Und blickt — wohin sich zu verstecken? —
In schöner Angst umher. Allein der Jüngling liegt
Ihr schon zu Fuß, zwar flehend, doch die kecken
Kraftvollen Arme dicht um ihre Knie geschmiegt.
Das Nöthigste (so lehrt sie, trotz dem Schrecken,
Der Engel Scham, der immer in Gefahr
Der Mädchen Schutzgeist ist) war, eine von den Decken
Des Bettes heraufziehn und, was ihr wallend Haar
Kaum halb verbarg, eilfertig zu bedecken:
Und nun erst trat der Zweifel ein,
Ob nicht die Amme aufzuwecken
Vonnöthen sey? sogar durch lautes Schrein,
Wofern der junge Mensch sie länger halten wollte.
Ihr raunte was ins Ohr, sie sollte:
Allein ich weiß nicht was in ihrer Brust sprach Nein!
Der Jüngling bat so ehrerbietig,
So wehmuthsvoll, nur einen Augenblick
Ihn anzuhören — "all sein Glück,
Sein Leben hange dran" — und, ach! ihr Herz war gütig!
Zwar sie erlaubte nichts, allein sie blieb zurück
Und unterließ zu schrein, Ihr däucht' es edelmüthig,
Und ihre Sicherheit verlor ja nichts dabei.
Gesetzt, es fände sich, daß er's nicht würdig sey,
So war's noch immer Zeit zum Schreien.
Jetzt sprach ihr Herz zu laut dafür,
Dem, was er sagen kann, ein ruhig Ohr zu leihen.
Sein Blick, sein Ton reizt ihre Neubegier:
Wie? sollt' es möglich seyn, (denkt sie) die Ungebühr
Im Gartensaal' ihm jemals zu verzeihen?
Asmodi, der drei Schritte weit von ihr
(Denn näher war er ihr bisher noch nie gekommen)
Als Flieg' auf einem Weihbrunnkessel saß,
Jedoch als Geist in ihren Augen las,
Hofft, nach dem Schluß, den sie genommen,
Nun für gewiß, bald näher ihr zu kommen.
"Wie? (spricht er zu sich selbst und jauchzt beinah zu laut)
Man wirft, den jungen Herrn bequemer zu verhören,
Den Pelzrock um? setzt sich, wo nicht vertraut,
Doch traulich, an den Rand vom Bette?
Ihm weiset man so nah den kleinen Schemel an?
Ha, Mädchen, hab' ich dich? Ich wette,
Noch eh der Hahn kräht, ist's — um deinen Stolz gethan.
Wie sollt' auch seinem schönen Flehen,
Zumal er, wie du hörst, die Unschuld selber ist,
Ein sanftes offnes Herz, so rein von aller List,
So ganz Natur, wie deines, widerstehen? —
Nur nicht zu hastig, Herr! Gib ihrem Köpfchen Frist,
Die Sache klärlich einzusehen!
Schon fängt sie an, daß du der Mann nicht bist,
Auf den sie zürnt, sich selber zu gestehen —
Gut, junger Herr! es wird auf diesem Wege gehen!
Ich merke wohl, daß Ihr die Schliche wißt.
Sie fühlt schon, daß sie Euch noch Schmerzgeld schuldig ist.
Nur laßt das Eisen nicht verglühen!
Wie sanft ihr Auge schmilzt! —Nur keck die Hand geküßt!
Man wagt es nicht, sie wegzuziehen.
Laßt mir das Pfötchen ja nicht mehr aus Eurer Hand!
Sehr ehrerbietig! gut! der Junge hat Verstand!
Wie kurz ihr Athem wird! wie ihre Wangen glühen!
Wie große Perlen ihr in beiden Augen stehn!
Nun frisch aus allen Batterieen!
In fünf Minuten muß die weiße Fahne wehn!"
Indem auf seines Weihbrunnkessels Rande
In fliegenähnlichem Gewande,
Die Nase in der Luft, vielleicht zu früh' entzückt,
Nach der Belagerung mit schadenfrohem Auge
Der böse Feind hinüber blickt:
Wird er, ich weiß nicht wie, dem Gleichgewicht entrückt,
Glitscht ab und stürzt in die geweihte Lauge;
Ein Element, das Vögeln seiner Art
Verhaßter ist, als Sodoms Schwefelflammen.
Schnell wie vom Blitz sind Flügel, Haar und Bart
Ihm weggesengt; er krümmt erbärmlich sich zusammen
Und heult (wiewohl von Geistern nur gehört)
Vor wildem Schmerz so ungeheurer Weise,
Daß es in Dante's neuntem Kreise
Den Teufeln in die Zähne fährt.
Indeß daß Alles dieß im Geisterreich geschiehet,
Und, in die eigne Mißgestalt
Zurückgeschnellt durch mystische Gewalt,
Der schwarze Liebesgott, so übel abgebrühet,
In großer Angst durchs Schlüsselloch entfliehet,
Geht bei den Liebenden, am Bord
Des Bettes, das Gespräch mit vielem Eifer fort.
Doch freilich (um uns an Rosinen
Nicht zu versünd'gen) darf Asmodi's Commentar
Uns keineswegs zum Texte dienen,
So scharf auch sonst sein Blick in solchen Sachen war:
Das heißt, in Sachen seiner Phrynen
Und Fulvien und Agrippinen
Und Messalinen und Faustinen
Und Jsabeaus und Jaquelinen
Und hundert schöner Melusinen
Von diesem und modernem Schlag,
Die euch der Reimgeist nennen mag;
Da sah er scharf. Allein, von ihnen
Und ihres gleichen auf Rosinen
So rasch zu schließen, wie er that,
Gab hier ein falsches Resultat.
Mit einem Wort: wie schöne Seelen lieben,
War immer ein Geheimniß ihm geblieben,
So lang' er auch den Amor schon gespielt.
Der Thor vermengte stets Gefühle mit Grimassen.
Rosinens Stärke wächst (kann dieß ein Teufel fassen?)
In gleichem Grad, je schwächer sie sich fühlt;
Nie konnte sie sich mehr auf sich verlassen,
Als da er sie für überwältigt hielt.
Der Punkt des Gartensaals war nun so weit im Klaren,
Daß Sinibald und sie am Irrthum schuldlos waren,
Für den nun bloß der Zufall haften muß:
Ein junger Geck von freiem Lebenswandel,
Vermuthlich dort herum in einem Liebeshandel
Befangen, fremd und noch zum Ueberfluß
Betrunken, hatte (wie es scheinet)
Die rechte Thür verfehlt und (weil von ungefähr
Sonst Alles zutraf) da wo er
Erwartet ward, zu seyn vermeinet.
Der Zufall wurde nun vom Fräulein selbst belacht,
Und ihrem schönen Freund, was er in ihrer Meinung
Dadurch verlor, (wie billig) gut gemacht;
Allein die plötzliche Erscheinung
In ihrem Schlafgemach', und wie die heil'ge Frau
Sanct Käthe fähig war, — sie, die gewiß nicht lau
Im Punkt des Wohlstands ist — dazu sich zu bequemen,
Ihn unter ihren Rock zu nehmen,
Schien noch ein Umstand, der genau
Zu untersuchen sey. Die unverhoffte Frage
Warf den verliebten Herrn in eine schlimme Lage;
Und wirklich stand er bei sich an,
Ob nicht das Beste sey, das Wunder zu behaupten?
Ein Wunder war zu jener Zeit so plan:
Als gute Leute noch so gerne Wunder glaubten!
Die Heil'ge hatte wohl noch größere gethan!
Jedoch, auf einen Blick in seines Fräuleins Auge,
Fühlt er sogleich, daß dieser Kniff nichts tauge.
Das holde Kind sieht ihm so redlich ins Gesicht,
Daß er um eine Welt sie nicht
Zum zweiten Mal betrügen könnte.
Kurz, er gesteht die List, wozu der Liebe Macht,
Die Noth und die Verzweiflung ihn gebracht;
Doch ruft er alle Elemente
Zu Rächern auf, wofern sein Herz dabei
An etwas sonst gedacht, als sie zu unterrichten,
Wie schuldlos er an ihrem Zorne sey,
Und ihr, in Gegenwart der Heil'gen, seine Treu
Mit Mund und Hand auf ewig zu verpflichten.
Dieß Alles trug der Mann so überzeugend vor,
Daß Röschen allen Muth verlor,
Die That der Strenge nach zu richten.
Was Liebe fehlt, verzeiht die Liebe gern.
Und doch vermag sie ohne Beben
Ihr Angesicht nicht mehr zur Heil'gen zu erheben;
Sie glaubt, sie seh' in ihrem Augenstern
Was Drohendes, wie Feuerflamme, schweben.
Die Lampe freilich warf nur einen düstern Schein,
Auch mischte sich ein Bißchen Mond darein,
Gerade nur so viel, mit täuschenden Reflexen
Des Fräuleins Furcht noch stärker zu behexen.
Vielleicht zu ihrem Glück! Denn unser Seladon
Begann in Worten und Geberden
Eindringlicher und nach dem Minnelohn
Zusehens lüsterner zu werden;
Zumal sie unbesorgt die Hand ihm überließ
Und durch den sanftsten Blick ihn kühner werden hieß;
So deutet's wenigstens der junge Geck zum Bösen:
Denn sie, die lebenslang, anstatt im Amadis
(Der unsre heutigen Agnesen
Gelehrter macht) im Psalter nur gelesen,
Sie wußte freilich nicht, wie viel ein junger Mann,
Der ihr zu Füßen lag, durch solchen Blick gewann.
Ihr war der Mann im Mond kein unbekanntes Wesen;
Und was bei Guten oder Bösen
Ein frommes Mädchen wagen kann,
Wiewohl sie oft darum die Stirne sich gerieben,
War stets ein Räthsel ihr geblieben.
Auch dachte sie, indem ihr Blick so gut
Und liebevoll auf Sinibalden ruht,
An keinen Mann: er wird in ihrem Wahn zum Engel,
(Ihm fehlte nur ein hübsches Flügelpaar)
So ähnlich däucht er ihr in seinem gelben Haar
Dem Engel Gabriel mit seinem Lilienstängel,
Der auf Sanct Peters Hochaltar
In einem großen Bild schon lang ihr Liebling war.
So schön getäuscht, (zumal durch eine Fensterscheibe
Das Mondlicht ihm just auf die Stirne fiel)
Wie hätte sie gemerkt, daß Fee Mab ihr Spiel
Mit ihren frommen Augen treibe?
Der Himmel weiß, wie weit bei diesem Truggefühl
Rosinens Phantasie vielleicht gegangen wäre,
Kam ihr Asmodi nicht zur Unzeit in die Quere
Und brach aus Ungeduld den zarten Faden ab,
Den die Natur, falls er ihr Freiheit gab,
Ganz leise fortgesponnen hätte.
Er lag schon eine Weil' in Clarens Cabinete
Im Hinterhalt; und da sein junger Freund
Zu viele Zeit ihm zu verzaudern scheint,
Verwandelt er sich stracks in eine kleine Motte
Und schwebt hinzu und flüstert ihm ins Ohr:
"Wozu dieß Zaudern, junger Thor?
Die Nacht entschlüpft, und du wirst einem Kind zu Spotte.
Laß zwischen Ja und Nein ihr länger keine Wahl
Und sprich und thu' als wirklicher Gemahl.
Frau Sanct Kathrine ist sechs Zeugen gleich zu schätzen.
Und kann zur Noth den Pfarrer selbst ersetzen.
Verlangst du sie um einen leichtern Preis?
Schwör', ihr Gemahl zu seyn — und sey's!!"
Herr Sinibald befolgt mit Lust und Feuer
Den wohlgemeinten Rath, doch mit so schlauer Kunst
Zugleich, daß jede kleine Gunst,
Die er allmählich raubt, vom faltenreichen Schleier
Des Wohlstands dem Gefühl der zarten Scham versteckt,
Sie eher vollends noch einschläfert als erweckt.
Allein (worin der dumme Hinketeufel
Sich selbst und ihn betrog) das ernste Wort Gemahl
Schreckt plötzlich, wie ein Donnerstrahl,
Sie aus der Sicherheit und stöbert alle Zweifel
In ihrem Busen auf, die kaum das Opiat
Der Liebesphantasie betäubte.
Das bloße Wort Gemahl zerstäubte
Den ganzen Zauberkunst. Ein Priester im Ornat,
Mit zwei Diakonen zur Seiten,
Erschien, wie ihr das Wort ans Trommelhäutchen schlug,
Mit Kerzen, Sang und Klang und einem langen Zug
Von schönen Trauungsfeirlichkeiten
Vor ihrer Stirn, und ohne Alles dieß
War ihr das Wort ein wahres Aergerniß.
Sie ist bereit, ihr Herz ihm aufzuheben,
Solang' er will, und gleich vom Augenblick
Der Trauung soll ihr ganzes Glück
Darin bestehn, für ihn zu sterben und zu leben;
Allein, nur einen Kuß ihm auf den Kauf zu geben,
Ist, was kein Flehn, kein Schmeicheln und kein Dräun
Von ihr erhalten kann. Sie bleibt auf ihrem Nein;
Nichts macht den kleinen Trotzkopf wanken.
Gehemmte Liebesglut wird endlich Raserei.
Der Jüngling, wie er sieht, daß sonst kein Mittel sey,
(Vermuthlich that der Feind das Seine auch dabei)
Bricht in verliebter Wuth zuletzt durch alle Schranken.
Erhitzter schießt von einer Alpenhöh
Kein Adler auf ein zitternd Reh,
Als er an ihren Hals. Allein das Unterfangen
Schlug zu Rosinens Ehre aus.
Die Heldin zog sich unverletzt heraus,
Und der Besiegte muß, nach einem stundenlangen
Reuvollen Flehn auf seinen Knien,
Mit wohl zerzaustem Haar' und aufgekratzten Wangen,
Noch große Reverenzen ziehn,
Für seine Missethat nur Ablaß zu erlangen.
Ein guter Theil der Nacht war unterdeß vergangen;
Die Siegerin, vom ungewohnten Streit'
Entgeistert, kann vor Müdigkeit
Des Schlafs sich länger nicht erwehren.
Auch kam ein neugefallner Schnee,
Die Kälte, die bisher noch leidlich war, zu mehren.
Allein, wohin indeß mit ihrem Cicisbe?
So viel sie Ursach' hat, so kann sie doch sein Weh
Durch Grausamkeit nicht noch erschweren.
Ihm wird demnach ein alter Canapee,
Mit dem Beding, den Rücken ihr zu kehren,
Zum Lager eingeräumt: doch muß er heilig schwören,
Stumm wie im Grab zu seyn, sich nicht herum zu drehn,
Nicht laut zu seufzen, noch viel minder aufzustehn,
Kurz, ihren Schlaf auf keine Art zu stören.
Der arme Junker schwört's, bei Strafe, jede Schuld
Mit ihrem Hass' auf ewig zu entgelten,
Drauf deckt das fromme Kind (aus angeborner Huld
Besorgt, er möchte sich verkälten)
Mit ihrem langen Pelz ihn eigenhändig zu,
Bleibt dann, schon im Begriff, zu gehen,
Halb abgewandt noch drei Secunden stehen
Und nickt ihm eine sanfte Ruh.
Mit leichter Brust und fröhlichem Gewissen
Schmiegt sie im Röckchen nun sich in ihr Bett hinein,
Legt, sanft beglänzt vom schwachen Mondesschein,
Ihr Engelsköpfchen auf ihr Kissen,
Empfiehlt sich unsrer Frau und schlummert ruhig ein.
—————

Siebentes Buch.

Indeß mit deckenden schneeweißen Schwanenflügeln
Ein goldner Engel Platz zu Röschens Häupten nimmt,
Liegt, in ein Griechisch S gekrümmt,
Herr Sinibald (bei dem mit Kantharidenflügeln
Der schwarze Geist ein ander Plätzchen nimmt)
Auf seinem Sopha wie auf Igeln.
Zwar, außer daß ihm dann und wann
Ein schwerer Seufzer unwillkürlich
Entfährt, verhält er sich im Anfang so manierlich,
Daß ein gewickelt Kind nicht stiller liegen kann:
Nur Schlafen war — für einen jungen Mann
In seiner Lage — nicht natürlich;
Zur Abstinenz so wenig vorgeübt
Und, ach! so nah bei Allem, was er liebt,
Daß ihre Decke, auch vom leisesten Bewegen,
Nicht eines Daumens breit sich ungehört verschiebt —
Ein Todter hätte kaum, so nahe, still gelegen!"
Und gleichwohl hielt fast über sein Vermögen
Der arme Schelm wohl eine Stunde lang
Die Buße aus, die ihm das Fräulein aufzulegen
Für nöthig hielt, den peinlich strengen Zwang,
In gleicher Positur, die Nasenspitze gegen
Die Rückenwand des Canapees gekehrt,
Mit Brust und Knie zusammen sich zu schmiegen
Und, von Begierden aufgezehrt,
So still wie eine Maus zu liegen.
Asmodi, der aus Neugier sehen will,
Wie lang er's treiben wird, hält ebenfalls sich still.
Kaum aber hat die Glocke zwei geschlagen,
So reißt dem jungen Herrn der Faden der Geduld:
Und sollt' er mehr als ihre Rache wagen,
Die Straf' ist offenbar zu grausam für die Schuld!
Er wendet (ängstlicher, als hielt' er sich von Glase)
Sich um, so daß er nun der Wand den Rücken kehrt,
Reckt sein gespieltes Ohr und hebt die luft'ge Nase:
Und wie er sie ganz ruhig athmen hört,
Schiebt er von seiner Lagerstätte
Behutsam sich herab und schleicht,
Als ob er Blei an wollnen Füßen hätte,
Allmählich sich bis an Rosinens Bette.
Zu ihrer beider Glück vielleicht
Knarrt eine Diel', auf die er eben,
Um desto sicherer den rechten Fuß zu heben,
Den linken aufgedrückt, noch eh' er einen Blick
Auf sie gewagt. Ein plötzlich Erderbeben
Hätt' ihn kaum mehr erschreckt. Er fahrt bestürzt zurück,
Und mit zwei weit gereckten Schritten
(Eh' eine Hand sich wenden mag)
Liegt er auch wieder schnarchend mitten
Auf seinem Canapee, just wie er anfangs lag.
Nach einer Weile lauscht er wieder;
Und, da sie ungefähr im Schlafe von der Wand
Sich vorwärts kehrt, sinkt ihre linke Hand
Vom Haupt, auf dem sie lag, am Seitenbrette nieder.
Sogleich fängt seine Nachtmusik
Von vornen an: doch, da er nichts mehr höret,
Und, wie es scheint, nichts ihren Schlummer störet,
Zudem der Mond den letzten Abschiedsblick
Auf Röschens Lager wirft — läßt ihn die Kantharide
Asmodi eher nicht mit Friede,
Bis er, von blindem Drang gepreßt,
Den Canapee zum zweitenmal verläßt.
Er schleicht heran und sieht —(so blieb in seinem Leben
Ihm nie der Athem aus, so schlug das Herz ihm nie!)
Und sieht — ein Stück von einem schönern Knie,
Als einer Magdalen' ein Maler je gegeben,
In holder Rundung sanft sich aus der Decke heben.
Rosine schlummert fort. Der Jüngling steht entzückt
Und blickt und fühlt (schon schoß Asmodi wieder neben
Sein Ziel) und fühlt, indem er blickt und blickt,
So rein, als ob er nichts als Auge sey, wie göttlich
Das Schöne ist: Ihm wird ganz wunderbar
Dabei zu Muth'; allein, das Aug' ist unersättlich,
Sagt Salomon; und kurz, da sie so ruhig war,
Fühlt er zuletzt sich ein Verlangen regen,
Auf diesen reizenden Altar
Nur einen leisen Kuß zum Opfer hinzulegen.
Schon nähert sich dem zauberischen Rund
Mit zitternder Begier sein zugespitzter Mund,
Als, plötzlich aufgeschreckt, Rosine
Mit einem Schrei erwacht und ihn (der nicht entflieht,
Weil er zu Marmor wird) vor ihrem Bette sieht.
Hier, Freunde, eh' ich euch mit weitrer Nachricht diene,
Wird nöthig seyn, daß Muse Cölestine
(Uraniens Kammermagd) euch aus der andern Welt
Ein Wort ins Ohr zu flüstern sich erkühne.
Wir ließen's neulich zwar, zum Schein, dahin gestellt,
Wie wenig oder viel die heilige Kathrine
Sich durch den Liebesdienst, den unsers Junkers Witz
Von ihr erschlich, beleidiget gefunden:
Allein die Wahrheit ist, er wurde hoch empfunden;
Und ihre Freundinnen, die Bärbchen, Rhadegunden
Und Urseln, die um ihren goldnen Sitz
(Als diese That erscholl) mit den Eilftausend stunden,
Erklärten sämmtlich sie für wahres Malefiz —
Doch halt! Verwegne, halt! eh dir Sanct Ernulfs Blitz
Die Zunge schlitzt! — Von überird'schen Dingen
Geziemt sich's nicht in diesem Ton zu singen!
Lass' unenthüllt, was, einem Schleier gleich,
Die Lüfte, die den Erdenball umweben,
Dem gröbern Sinn entziehn — das unsichtbare Reich,
Worin (wiewohl ringsum von ihm umgeben)
Mit allein Blinzeln und Verdrehn
Kein irdisch Augenpaar je einen Stich gesehn;
Und kurz, begnüge dich, historisch uns zu sagen,
Was sich im Schlafgemach mit Röschen zugetragen.
Nach einem Schlaf, so sanft, als insgemein
Bei leichter Brust und unbeschwertem Magen
Der Frommen Schlummer ist, weckt sie (ich kann nicht sagen,
War's Täuschung oder nicht) wie eines Blitzes Schein.
Zum weiten Saal wird ihre kleine Zelle,
Und stufenweise wächst die ungewohnte Helle,
Mit einem Wohlgeruch, so unbeschreiblich fein
Und angenehm, daß Rosenöl wie ranzig
Dagegen roch. "Was wird hiervon das Ende seyn?"
Denkt sie erstaunt. — Da treten vierundzwanzig
Jungfrauen, Paar und Paar, in hohem Ernst herein,
Gekleidet allesammt in schleppende Talare
Von feiner Wolle, weiß wie Schnee im Sonnenschein;
Das reine Gold der ausgeflochtnen Haare
Wallt längs dem Rücken dicht hinab,
Und breite goldne Gürtel halten
Das himmelblaue Kleid, das ihren Leib umgab,
Dicht an der Brust in tausend engen Falten.
So gingen sie jungfräulich, Paar und Paar,
Mit Blumen um die Schläf' und Palmen
In ihrer Hand und sangen hohe Psalmen,
So rein, so lieblich, voll und klar,
Daß Röschen außer sich voll Lieb' und Wonne war.
Und, gleich dem vollen Mond, ging mitten in der Schaar
Der empyreischen Vestalen
Ein königliches Weid, in purpurnem Gewand,
Um ihre Stirn ein Kreis von Strahlen,
Ein Krönchen auf dem Haupt und in der rechten Hand
Ein bloßes Schwert, woran, wie funkelnde Rubinen,
Noch Blut in Tropfen glänzt. Sie ziehen längs der Wand
Im Saale hin, und wie sie bei Rosinen
Vorbei ziehn, wird der Chor der Jungfraun plötzlich stumm;
Sie stellen sich im Kreis' um ihre Frau herum,
Und diese spricht mit Huld in Ton und Mienen:
"Du, die von zarter Kindheit an
Nie lässig war, was ich für dich gethan,
Durch Frömmigkeit und Unschuld zu verdienen;
Erkenn', o Tochter, Katharinen,
Die dich beschützt, in mir, und daß ich dir erschienen,
Sey dir ein Pfand der mütterlichen Huld.
Mit Schwachheit tragen gern die Himmlischen Geduld:
Nur gib dich nie der bösen Luft gefangen
Und halte stets dich rein vom Gifte fremder Schuld.
Ein Mann (ihn nenne dir das Lodern deiner Wangen!)
Hat freventlich sich gegen uns vergangen.
Des Frevels bittre Frucht, Verderben, harrt auf ihn!
Doch ihn verleitete bie List der Höllenschlangen,
Und für ein reuig Herz ist Gnade zu erlangen:
Drum lass' als Büßer stracks ihn aus Palerm entziehn;
Denn ungebüßt wird Sünde nicht verziehn!"
Sie sprach's, und schnell verschwand mit seinem Lichte
Und Wohlgeruch das himmlische Gesichte.
Erwachend schaut durchs leere Schlafgemach
Den Fliehenden Rosine schaudernd nach,
Und statt der Heil'gen steht erschrocken
Und schamvoll, daß sie ihn so nah
An ihrem Bett' ertappt, in seinen Cherubslocken
Der schöne Frevler vor ihr da.
Unglücklicher! Was suchst du? ruft die Schöne,
Was willst du? Schreckten dich vielleicht die Donnertöne
Der Heil'gen auch? "Laß, rief sie, stracks ihn fliehn,
Denn ungebüßt wird Sünde nicht verziehn!"
Ich hörte dich im Schlafe plötzlich schreien,
Spricht Sinibald und lief (selbst noch im Schlaf) herbei,
Zu sehn, was dir begegnet sey,
Um, thät' es Noth, dir meinen Arm zu leihen.
Du selbst, versetzt das fromme Mädchen, du,
Seit Sanct-Kathrinentag der Würger meiner Ruh,
Bist einzig Schuld an meinem Schrecken!
Hier, setze dich, ich will dir Alles rein entdecken.
Und als sie ihm hierauf, daß nicht ein Titel fehlt,
Was ihr begegnet war, erzählt,
So fährt sie fort: Der Noth, worin wir beide schweben,
Uns zu entziehn, ist nur ein einz'ger Rath.
Hier, schwöre mir, dem Allem nachzuleben,
Was mir zur Büßung deiner That
Die Heil'ge selbst vermuthlich eingegeben.
Allein, dieß sag' ich dir, gleich mit dem ersten Licht
Geht deine Buße an, sowie du dieses Zimmer
Verlassen hast; und nun und nimmer,
Als wenn du sie vollbracht, sollst du mein Angesicht
In Liebe wiedersehn. Schwörst und erfüllst du nicht
Von Wort zu Wort, was du mir zugeschworen,
So hast du, glaube mir, auf ewig mich verloren!
Rosine sprach dieß Wort mit solcher Energie,
Daß er (zumal so nah an ihrem Bette)
Ihr tropfenweis sein Blut verschworen hätte.
Er fiel auf seine beiden Knie
Und schwor ihr, (was es sey, und wer ihr's eingegeben)
Dem, was sie ihm befiehlt, getreulich nachzuleben.
Wohlan, (so fährt sie drauf in sanfterm Tone fort)
Jenseits des Meeres, weit von diesem Ort,
Steigt aus Arabiens Wüsteneien,
In Wolken eingehüllt, die ew'gen Winter schneien,
In grauser Majestät der Sanct-Kathrinenberg.
Man sagt, der Aetna selbst sey gegen ihn ein Zwerg.
Denn, wenn sein Gipfel dir zum ersten Mal erschienen,
Steigst du fünf Tage lang, und wenn der sechste graut,
Ist erst sein Fuß erreicht, auf dem die Himmelsbraut;
Sanct Helena, der heiligen Kathrinen
Vor grauer Zeit ein Gotteshaus erbaut.
Sobald du dein Gebet an diesem Ort verrichtet
Und Allem dem genug gethan,
Wozu die heil'ge Kirch' uns Gläubige verpflichtet,
Trittst du, mit Gott! den steilen Bußweg an.
Mit manchen schweren Athemzügen
Steigst du in Einem fort vier saurer Stunden lang
Und hast alsdann den Horeb erst erstiegen.
Ein kleines Kloster, zum Empfang
Der Pilgrime versehn, an dieses Berges Hang,
Gewähret allenfalls dir eine Lagerstelle.
Sodann beginnt dein letzter schwerster Gang,
Nachdem du eine Stunde lang
Gestiegen, an der Rebhuhnquelle
Ein wenig ausgeruht, dann weder ohne Rast
Von Fels zu Felsen dich hinauf gewunden hast,
(Sanct Raphael sey dein Geselle,
Und bringe dich gesund dahin!)
Dann ist dein Ziel erreicht, die heilige Capelle
Der sel'gen Jungfrau Märtrerin,
Worin, sobald dein Knie die Schwelle
Berührt, ihr heil'ger Leib, dem Boden eingedrückt,
Des matten Pilgers Herz mit Himmelstrost erquickt.
Hier wirst du, deine Schuld zu büßen,
(So ungern Fleisch und Blut sich auch dazu versteht)
In Fasten, Wachen und Gebet
Neun Tage lang verharren müssen.
So oft die Sonn' erwacht, so oft sie niedergeht,
Soll unter Geißeln dort dein Blut zum Opfer fließen!
Groß war die Schuld, hart muß die Buße seyn.
Doch laß dich nichts von dieser Wallfahrt schrecken!
Dich wird die Heil'ge selbst mit ihrem Mantel decken
Und deinen Dornenweg mit Rosen oft bestreun.
Hier schwieg das schöne Kind. Der Jüngling, aus ben Wolken
Herab gefallen, stumm und bleich,
Als hätt' ein Vampyr ihm die Adern ausgemolken
Steht ganz vernichtet von dem Streich,
Den ihm die heilige Kathrine
Durch Röschens fromme Einfalt spielt.
Doch was zu thun? Des Fräuleins Ton und Miene
Bewies ihm, wie gewiß sie ihres Wahns sich hielt.
Nach ihrer ganzen Denkungsweise
Schien ihr, in seinem Fall, nichts simpler, als die Reise
Zum Sanct-Kathrinenberg. Es war der einz'ge Rath,
Der einz'ge Weg, von seiner Missethat
Sich zu entledigen; der Schatten eines Zweifels
War offenbar ein Wert des leid'gen Teufels.
Gut! ruft er endlich aus, du bist Gebieterin,
Und ich dein Sklav; ich habe keinen Willen
Als, deinen Wunsch' und selbst (verzeihe!) deine Grillen
Mit schweigendem Gehorsam zu erfüllen.
Doch, holde Herzenskönigin,
Versprichst auch du, falls ich so glücklich bin,
Von dieser Wallfahrt mit dem Leben
Zurück zu kommen, mir dich selbst zum Lohn zu geben?
Mit einem süßen Blick versetzt sie: Mein Gebet
Soll, wie dein Engel, dich auf deinem Weg begleiten:
Mir sagt mein Herz, daß Alles glücklich geht;
Das Andre wird der liebe Himmel leiten!
Kommst du zurück und bringst vom Erzmandrit
Des Klosters Brief und Siegel mit,
Daß du gebüßt, und hat die Heil'ge dir verziehen,
So wird — Hier hält sie ein, und ihre Wangen glühen,
Wie Rosen glühn im Abendroth.
Doch, setzt sie gleich hinzu, jetzt ist nur Eines Roth!
Dich drückt Kathrinens Zorn; ihr Auge blitzt, es droht
Ihr funkelnd Schwert; sie heißt dich eilends fliehen.
So fliehe denn, gehorch dem furchtbaren Gebot,
Denn ungebüßt wird Sünde nicht verziehen!
War jemals wohl ein Glied der werthen Christenheit
Mehr um Geduld. als Sinibald verlegen?
Er hätte rasend werden mögen!
Allein was half's? Und welche Möglichkeit,
Dem holden Engel zu Gefallen
Nicht, wenn sie will, noch siebenmal so weit
Als zum Katrinenberg zu wallen?
Zwar sträubt er sich, wie ein gefangner Aal,
Häuft Wenn und Aber ohne Zahl
Und hat (so kann der Böse uns verblenden!)
Selbst gegen ihren Traum Verschiednes einzuwenden:
"Es sey ein Traum, kein wirkliches Gesicht,
Und daß sie Alles das re vera so gesehen,
Werd' ihr so leicht kein Doctor eingestehen."
Allein Rosine, treu der echten Glaubenspflicht,
Steckt, nicht zu hören, was er spricht,
Sich beide Daumen m die Ohren,
Und immer ist ihr Schlußwort: Hältst du nicht
Buchstäblich, was du mir geschworen,
Versöhnst die Heil'ge nicht, fo hast du mich verloren.
Gehorsam und Geduld war hier der einz'ge Rath.
Es ist doch hart, für eine Uebelthat
Zu leiden, (murmelt er) wovon man nichts genossen!
Indessen war die Nacht beinahe ganz verflossen.
Der Augenblick des bangen Abschieds naht.
Ein einz'ger Kuß, um den er sehnlich bat,
Wird ihm, zum Labsal auf die lange
Dornvolle Pilgrimschaft, wiewohl nur auf die Wange,
Mit vieler Schwierigkeit erlaubt.
Wer hätte sich nicht auch von allem fernern Zwange
Durch solche Strenge quitt geglaubt
Und, was die Geizige nicht geben will — geraubt?
Und grinste ihn mit klappernden Gerippen
Der ganze Todtentanz Hans Holbeins an, er schraubt
Mit beiden Armen sich, trotz ihren blanken Hippen,
Um Röschens Leib, drückt sie mit festem Schluss'
An seine Brust und saugt den längsten Kuß,
Den Sehnsucht je geküßt, aus ihren warmen Lippen.
Das überraschte Kind erduldet was sie muß,
Und wird (wiewohl ihr jüngferlich Gewissen
Sie nicht verdammen kann) den unvergeßbarn Kuß
Auf ihrem Pfühl noch lange bußen müssen.
Natürlich kann, bei allem Widerstand
Des Fräuleins, Sinibald, der hier sich wohl befand,
Zum Abschied weniger als jemals sich entschließen.
Es schien sogar ihr halb versöhnter Blick
Für einen zweiten Kuß, ja selbst für ein Verbrechen
Von größrer Tax', ihm Ablaß zu versprechen.
Allein, Gott Lob! — zu gutem Glück
Kräht diesen Augenblick Frau Clar' im Cabinete
Den Tag durch Husten an. Mein Junker, gleich als hätte
Sie ihn bereits beim Schopf, flieht von Rosinens Bette,
Kriecht eilends in Sanct Thrinens Wulst zurück
Und wird, sobald die frühe Mette
Geläutet ist, noch zwischen Tag und Nacht,
Zu unaussprechlichem Behagen
Des Fräuleins, eben so wie man ihn hergebracht
Und ohne mindesten Verdacht,
Zu Meister Ralf zurück getragen.

Achtes Buch.

Der launenvolle Gott, (wenn anders nicht der Titel
Für ihn zu vornehm ist) der, ohne Zweck und Mittel,
Von Vorbedacht und Regeln ungezwängt,
Sich unterm Mond so gern' in Alles mengt;
Der den Montgolfiers erfinden,
Dem Zeuxis malen half und Cäsarn überwinden;
Ein Kobold, der zu eurer Weisheit lacht
Und, eh' ihr seine Hand im Spiel erblicket,
Euch bald den feinsten Plan verrücket,
Bald einen dummen Streich zum Wurf der Venus macht:
Mit einem Wort, der Zufall, liebe Leser,
(Uns Reimern oft Apollo's Amtsverweser)
Hat unverhofft euch einen Dienst gethan,
Wofür ihr euch bei ihm bedanken werdet.
Denn, daß ihr gähnt und übel euch geberdet,
Ist billig, ich gesteh's. Es fing so artig an,
Da habt ihr Recht; allein es nimmt keim Ende!
"Von einer albernen Legende
Schon sieben Bücher, ohne daß der Plan
Um einen Daumen rückt!" — Gott gnad's dem Sacristan
Zu Sanct Kathrinen in Palermo, dessen Hände
Ein spannendickes Buch in rothem Corduan
Damit gefüllt! Wofern' er's nicht als Buße
Und im Gehorsam that, so war er wohl bei Muße
Und rechnete auf Leser von Geduld:
Denn, kurz, wenn dieses Werk sich nicht in eine Länge
Von vier Centurion Bojardischer Gesänge
Vor euren Augen dehnt, so ist's nicht seine Schuld.
Zu eurem Troste, liebe Leute,
Ward unser Manuscript, in einem magern Jahr,
Wo andre Nahrung selten war,
Bedrängter Klosterratten Beute.
Zwei volle Drittel sind davon
Verzehrt, und selbst der Rest (den wir mit anderm alten
Verschimmelten Papier aus einer Auction
Um wenig Paoli's erhalten)
Ist größten Theils von Motten so benagt,
Daß nur ein Oedipus sich an die Räthsel wagt,
Die ihre Zähne übrig ließen.
Ein Glück, daß, nebst dem Theil, womit das Werk beginnt,
Vier ganze Blätter, die es schließen,
Von seinem Genius uns noch erhalten sind;
So daß, mit einem Sprung von sechs bis sieben Jahren,
(Dem Leser zweifelsfrei ein sehr willkommner Sprung!)
Wie gleichwohl die Entknotigung
Des frommen Mönchromans erfahren.
Wir Alle sind vermuthlich im Besitz
Von so viel Dichtungskraft und Witz,
Als nöthig ist, die Lücke auszufüllen:
Indeß, um unsern guten Willen
Dem Leser (der sich gern die Müh' erleichtern läßt)
Zu zeigen, wollen wir, was aus dem Ueberrest
Des Mottengastmahls noch sich wird enträthseln lassen,
Zu seinem Dienst' hier kurz zusammenfassen.
Wie Clelia, in einer düstern Nacht,
Aus ihres Vormunds Haus, mit Guido, ihrem Helden,
Sich nach Salern zu Schiffe fortgemacht,
Ließ unser Autor euch im vierten Buche melden.
Erst da der Tag in die Kajüte fiel,
Entdeckte sich sein Glück (des Zufalls Spiel)
Dem jungen Herrn in seiner ganzen Schöne;
Und da er sich in seinem Leben nie
Für Tisch und Bett in seiner Phantasie
Was Reizenders geträumt, als diese Sulcimene,
Die Amor unverhofft ihm in die Arme spielt,
Wer zweifelt noch, ob er sich glücklich hielt?
Er war's; und sie, wofern' ich richtig wähne,
Sie war es wenigstens so sehr,
Vielleicht auch noch weit mehr, als er.
Zwar sie muß wohl an dem, was andre Herzensdiebe
Ihr übrig ließen, sich begnügen, wenn sie kann;
Hingegen er war ihre erste Liebe:
Wer nun dabei im Grunde mehr gewann,
Das mag ein Liebeshof entscheiden!
Genug, es fehlt zum letzten Wunsche beiden
Nichts als ein heil'ger Mann, der bei geweihtem Licht
Die treuen Hände fügt und benedicat spricht:
Und dieser wird, bei stets gewognen Winden
Noch bald genug sich zu Salerno finden.
Doch eitel ist der Menschen bestes Glück!
Ein Nordwind kam auf schnell empörten Wagen
Dem Wind von Süd zum Gegner angeflogen:
Sie faßten grimmig sich einander beim Genick;
Und hätte man nicht stracks die Segel eingezogen,
So war's mit einem Paar von unsern Helden aus,
So sank das Schiff mit Mann und Maus.
Drei Tage, die sechs langen Nächten glichen,
Trieb, trotz der angestrengten Müh
Des Rudervolks, der Sturm in ungewissen Strichen
Sie hin und her und warf am vierten früh,
Von Nässe, Frost und Angst schon halb verblichen,
Sie an den Strand von Tripoli.
Sie scheiterten; allein man fischte sie
Noch glücklich auf und brachte sie zum Leben.
Was weiter drauf mit ihnen sich begeben,
Ist aus der Handschrift, weil sie hier
Fast ganz zerfressen ist, nicht möglich zu erheben;
Und unsere Thuns ist nicht, euch Lügenwerk dafür,
Nach andrer Dichter Art, zu geben.
Doch so viel lässet sich aus manchem einzeln Wort,
Dergleichen hier und da, wie Inseln, einsam stehen,
Errathen: daß, getrennt an vorbesagtem Ort,
Die armen Liebenden hinfort
Mit keinem Auge sich sechs Jahre lang gesehen.
Sie mußten, scheint's, bald da, bald dort
In dieser Zwischenzeit, mit schweren Herzenswehen,
Manch Abenteuer untergehen
Und gaben endlich ganz die süße Hoffnung auf,
Das schönste noch dereinst zusammen zu bestehen.
Inzwischen trug ein ungehemmter Lauf
Den schönen Sinibald, die Buße zu vollenden,
Die seines Liebchens Traum und frommer Eigensinn
Ihm auferlegt, nach Horebs Gipfeln hin.
Die Heilige, die ihn mit unsichtbaren Händen
Zu leiten würdigt, ließ, nach einer langen Fahrt,
Frisch und gesund ihn zu Kairo länden.
Hier ruht er aus, kauft sich nach Landesart
Ein höckrig Thier und gürtet nun die Lenden,
Um nach der Wüste Sin von Suez sich zu wenden.
Er zog mit großem Ungemach
Wohl neunzehn Tage lang, gelangt' erschöpft und schwach
Am zwanzigsten an Ort und Stelle,
Ruht bei den Mönchen aus, ersteigt die Rebhuhnsquelle,
Klimmt immer höher auf, von scharfer Luft gezwickt,
Und rutscht auf seinen Knien noch vollends zur Capelle;
Umarmt mit einem Strom von Thränen, an der Schwelle,
Des heil'gen Leibes Bild, in harten Stein gedrückt:
Verharret, wie ihm von Rosinen
Geboten war, neun Tag' und Nächte hier
In Fasten und Gebet und geißelt, Sanct Kathrinen
Zu Ehren, ordentlich sich alle Tage zwier:
Je mehr er peitscht, je heißer vor Begier,
Den vollen Ablaß bald — an Röschen zu verdienen.
Vollendet war das strenge Bußwerk nun:
Doch Sinibald hat Lust, ein Uebriges zu thun,
Und macht sich auf, Rosinen zu Gefallen
Noch nach Jerusalem zum heil'gen Grab zu wallen.
Das Ungemach der strengen Seelencur,
Gehäuft mit aller Noth der neuen Pilgrimsreise,
Wird seiner zärtlichen Natur
Zuletzt zu stark; und, kaum zu Salem angekommen,
Wirft ihn ein Fieber hin. Er wird ins Hospital
Von Sanct Johann als Pilger aufgenommen
Und bringt daselbst, bei schlechter Pfleg' und Ruh',
Ein halbes Jahr bis zur Genesung zu.
Nachdem er wieder aufgestanden,
Treibt ihn ins Kreuz und in die Quer
Sein Schicksal in den Morgenlanden,
Gleich einem Luftball', hin und her.
Drei Jahre schmachtet er in Banden,
Als eines Emirs Sklav, der ihn gefangen nahm.
Ein Tempelherr ward sein Befreier.
Mit diesem ritt er nun, zum Dank, auf Abenteuer,
Bis im Gefecht sein Freund ums Leben kam.
Es war im fünften Jahr, seit Sanct Kathrinens Rache
Ihn von Palermo weggebannt;
Und, daß ich's kurz mit seinen Thaten mache,
Das Uebrige — ist unbekannt.
Wie aber ging's indeß Rosinen, unsrer Lieben?
Der frommen Unschuld kann's nie gar zu übel gehn:
Sie pflegt im Glück sich nie zu sehr zu blähn,
Sich über nichts unmäßig zu betrüben.
Doch blieb des Jünglings Bild ihr tief ins Herz geschrieben,
Und kaum — sie konnt's aus ihrem Fenster sehn —
Sah sie von seinem Schiff die bunten Wimpel wehn,
So pocht ihr kleines Herz: Ach, wär' er da geblieben!
In Einfalt fromm, verdoppelt sie nunmehr
Die Andacht zu Kathrin' und unsrer lieben Frauen
Und lebt in gänzlichem Vertrauen,
Für des Geliebten Wiederkehr
In Jahres Frist der Heiligen zu danken.
Sie bringt indeß die lange Zwischenzeit
In stiller Abgeschiedenheit
Mit ihrer Nadel zu; pflegt liebreich ihrer kranken
Betagten Base Tag und Nacht,
Hilft Claren für die Wirthschaft sorgen,
Und, außer daß sie alle Morgen
Zur Messe geht, lebt kaum im tiefsten Schacht
Ein Bergmann mehr der Welt verborgen.
Ihr süßestes Geschäft ist eine Stickerei,
Ein reicher, buntbeblümter Schleier,
Der Heil'gen angelobt, wofern sie ihren Freier
Gesund, entsündigt und getreu
Ihr wiederbringt. Die schönsten Morgenstunden
Sind diesem guten Werk geweiht.
Kein Vogel wird des Schlafs so früh entbunden
Und wacht mit größrer Munterkeit
Zu Liebesspielen auf, als sie zu ihrem Rahmen;
Sie schonet ihrer besten Perlen nicht,
Und selbst ein goldnes Herz, mit ihrer Mutter Namen
In Schmelz, (so lieb ihr's war) muß, weil's an Gold gebricht,
Zum Juden gehn, mit andern Siebensachen,
Um das Versprochne nur recht schön und reich zu machen.
Ein langes Jahr aar nun vorbei,
Der schöne goldne Schleier fertig,
Rosinchen jeden Tag in stiller Träumerei
Des Wiederkommenden gewärtig,
Und, ach! kein Guido kam! — (Denn, daß es Guido sey,
Dem sich ihr Herz verlobt, war ihr noch unbenommen.)
Jetzt wankt ihr Muth, und ihrer Nächte Ruh
Stört mancher bange Traum; doch spricht sie Trost sich zu.
"Er muß nun ganz gewiß im nächsten Monat kommen!
Ihn hielt ein Gegenwind vielleicht im Hafen auf;
Er fand nicht gleich ein Schiff, das in geradem Lauf
Palermo sucht'; auf einer solchen Reise
Hemmt einen dieß und das im vorgesetzten Gleise."
So hält sie sich mit ziemlich festem Sinn,
Sich selber ihrer Zagheit wegen
Bescheltend, immer noch mit leisem Hoffen hin;
Und jedem Segel klopft ihr Herzchen laut entgegen.
Zum dritten Mal, seit sie ihn fliehen sah,
Ist nun Kathrinens Festtag nah',
Ist schon vorbei, und noch kein Guido da!
Dieß ist zu lang! Noch länger Muth zu hegen,
Wird ihr zu schwer, geht über ihr Vermögen.
Bei Tage drückt sie zwar, sofern' ihr trüber Blick
Sie nicht verräth, den Gram in ihre Brust zurück,
Die nur durch Seufzer sich der schweren Last entladet:
Allein bei Nacht, — wenn Alles um sie ruht,
Nur sie allein, wie zwischen Schnee und Glut,
Sich schlaflos wälzt, — auf ihrem Lager, badet
Ein unverhaltner Thränenguß
Die kummervolle Brust, die abgebleichten Wangen.
Zwar ohne Murren beugt das fromme Lamm dem Schluß
Des Himmels seinen Hals: doch gräbt der Schmerz im bangen,
Gepreßten Busen nur sich desto tiefer ein;
Und, scheint dem harrenden Verlangen
Auf einen Augenblick der Schlummer hold zu seyn,
So wird der Schlummer selbst die Quelle größrer Pein.
In grauenvollen Wüstenein
Sieht sie den Jüngling, bald gejagt von feur'gen Schlangen,
Bald in den heißen Sand verschmachtend hingestreckt,
Bald eines Tigers Raub, von Räubern bald gefangen,
Bald im empörten Meer' an Wogenspitzen hangen.
Mit kaltem Angstschweiß' überdeckt
Fährt sie empor aus ihrem Traum' und weckt
Durch ängstlichs Schrein die Amm' im Cabinette.
Was ist's? was fehlt dir, liebes Kind?
Ruft Clar' und springt erschrocken aus dem Bette;
Doch jene, (wie die jungen Mädchen sind)
Beschämt, ihr zu gestehn, was sie ihr (aus Besorgen
Vor ihrem Tadel) nun drei Jahre schon verborgen,
Glitscht, wie ein Aal aus nasser Hand entschlüpft,
Den Fragen aus, womit die schlaue Amme
Ihr Herz wie mit der Fingerspitze tüpft.
Indessen leckt die eingeschloss'ne Flamme
Ihr zartes Mark; der Jugend Rosenglanz
Erlischt; mit Wolken ist ihr Auge stets umhangen,
Und ihre Lippen, ihre Wangen
Sind wie ein abgewelkter Kranz.
Der Tante Tod, der jetzt erfolgt, befeuert
Den ältern Schmerz, indem er ihn umschleiert;
Wiewohl es Claren nicht so ganz natürlich scheint,
Daß man um eine alte, blinde,
Gichtbrüch'ge Frau so lang' untröstbar weint.
Die Wunden dieser Art verheilen sonst geschwinde.
Indeß arbeitet (wie sie meint)
In ihres Fräuleins Brust ein mächtiges Geheimniß
Und drückt und preßt sie sichtbarlich.
"Es zu verheimlichen, ist bloße Zeitversäumniß,
Denkt Clare bei sich selbst! denn mich
Wird sie dabei doch nicht entbehren können.
Wir wollen uns die Lippen nicht verbrennen.
Sie kommt, es sey nun was es sey,
Noch wohl von selbst und öffnet mir die Pforte
Und gibt um Rath und That mir noch die besten Worte."
Die Amme war ganz nah dabei;
Denn wirklich brütete die fromme Schwärmerei,
Von Liebesglut erhitzt, das wunderbarste Ei
In Röschens Busen aus, das Schwärmerei und Liebe
Je ausgeheckt; wiewohl ums erste Jubeljahr
Ein Mondkalb dieser Art nicht unnatürlich war.
Kurz, sie erlag, nach langem Kampf, dem Triebe,
Sich in Person nach dem geliebten Mann'
Auf Sinai bei Sanct Kathrinen zu erfragen.
Was ihr Frau Clar' dagegen sagen kann,
Ist just so viel, als es dem Winde vorzusagen.
Sobald ihr Herz, aufs Aeußerste gebracht,
Vom Kopfe Meister sach gemacht,
Stand ihr Entschluß unwankbar wie ein Pfeiler.
Und wär' es sieben Mal so weit
Bis zum Kathrinenberg', und stieg er zehnmal steiler
Bis in die Wolken auf, sie fühlet Tapferkeit
In ihrer Brust, das Aergste zu bestehen:
Ja, müßte sie auf Erbsen barfuß gehen,
Beschlossen ist's, sie muß den Jüngling, dessen Bild
Ihr ganzes Herz, ihr ganzes Wesen füllt,
Noch einmal, eh sie stirbt, todt oder lebend sehen.
Von Stund' an kehrt mit diesem Schluß
Der Augen schöner Glanz, der Lippen Purpur wieder.
Frau Clare, die sich endlich geben muß,
Schwört ihr, so lang' als etwas auf und nieder
In ihrem Mieder geht, ihr hold und treu zu seyn
Und überall durch alle Fährlichkeiten
Bis an den Rand der Welt sie herzhaft zu begleiten.
Sie packen nun eilfertig Alles ein,
Was man auf einer solchen weiten
Jahrlangen Fahrt zu Wasser und zu Land
Vonnöthen haben kann, an Kleidung, Bettgewand
Und tausend andern kleinen Waaren,
Wovon wir euch die Note hier ersparen.
Die Erbschaft geht beinahe ganz darauf.
Für jeden Tag, solang' ihr Reiselauf
Berechnet ist, sind eben so viel Messen
Voraus bezahlt; auch wird (wie viel man sonst vergißt)
Der Schleier für die Heil'ge nicht vergessen.
Ein Schiff, das nach Alepp' verdungen ist,
Nimmt unsre beiden Pilgerinnen
An Bord; ein Wind vom Lande her
Schwellt ihre Segel auf, und sie gewinnen
In kurzer Zeit beglückt das hohe Meer.
Allein den Sanct Kathrinenberg zu sehen,
Der Trost, du holdes Kind, war dir nicht zugedacht!
Umsonst ließ eine günst'ge Macht
Auf deiner langen Fahrt erwünschte Winde wehen:
In einer schwarzen Unglücksnacht
Bemächtigt sich ein Raubschiff ihrer Pinke,
Nach einem Widerstand, wie wenn ein armer Finke
Mit Klau' und Schnabel, angstbetäubt,
Sich in des Habichts Griffen sträubt.
Vergebens schrien um Erbarmen
Und Beistand mit gerungnen Armen
Die Pilgerinnen himmelwärts
Und bieten in der Angst den rauhen Wasserschlangen
Mehr, als sie haben, an, um Freiheit zu erlangen:
Die Räuber sind von Stein, der Himmel ist von Erz.
Im ganzen Schiffe wird, was christlich heißt, gefangen,
Und Röschen nebst Frau Clar' (die lieber jeden Tod
Sich anzuthun, als sie zu lassen, droht)
Vertauschen zu Damask im Saracenenlande
Die Freiheit mit dem Sklavenstande.
—————

Neuntes Buch.

Rosinen also nebst der Amme hätten wir
In Sicherheit gebracht, indeß die andern vier,
Auf einem Ocean von Widerwärtigkeiten,
Sechs Jahre lang mit ihrem Schicksal streiten;
Bis sie, nach Ormus von Kair,
Von Ormus bis ins Land der Bramen,
Von da zurück nach Mosambik
Herum gejagt, zuletzt, vom leitenden Geschick'
In seinem unsichtbaren Hamen
Gefangen, zu Damask erstaunt zusammen kamen.
Die Handschrift fängt, (wie schon gesagt)
Nach einer ziemlich großen Lücke,
Hier wieder an und eilt nunmehr in einem Stücke,
So ziemlich leserlich und wenig angenagt,
Zum Ausgang fort, auf den wir Alle warten.
Die Scene liegt in einem Rosengarten.
Der Mutter Saladins, die, (wie die Handschrift sagt)
Nachdem sie den Gemahl in einer Schlacht verloren,
Dieß Paradies der Welt zum Wittwensitz' erkoren.
Es ist um Mitternacht, der Mond hat seinen Lauf
Beinah vollbracht, und — Sinibald tritt auf.
Doch, eh wir weiter gehn, ist nöthig zu berichten,
Daß, wie die Handschrift sagt, (denn freilich, zu erdichten,
Was man kaum einem Mönch' auf sein Gelübde glaubt,
Ist, nach Horaz de Arte, unerlaubt)
Daß nicht Rosine nur, mit einer Sklavenkette
Die ihr der Fürstin Gunst aus seidnen Blumen wand,
Daß auch, seit kurzem, nebst Rosette
Sich Clelia als Sklavin hier befand.
Ein Zufall, wir gestehn's, auf den man keine Wette
Zu bieten pflegt! Genug, es war nun in der Kette
Der Dinge so gefügt und machte der Natur
Nicht einen Dreier mehr Factur,
Als wenn sich's nicht gefüget hätte;
Und nahm sich, wie man glaubt, Kathrine dessen an,
So war nun vollends gar nichts Wunderbares dran.
Denn, daß die Heil'ge sie nie gänzlich aus den Augen
Verloren, scheint gewiß. Sie legte ihren Plan
Vermuthlich in geheim drauf an,
Sie, bis sie recht zu ihrer Absicht taugen,
Durch Trübsal aller Art erst tüchtig auszulaugen.
Unfehlbar nimmt die werthe Leserschaar,
Auch ohne uns, viel Antheil an der Freude
Von einem schwesterlichen Paar,
Das immer sich so lieb, so nah gewesen war
Und, nach so viel erlittnem Leide,
So langer Trennung, nun, vom väterlichen Land
Entfremdet und in Sklavenbanden,
An Libans Fuße sich auf einmal wieder fand.
Sie hatten nun von dem, was jede ausgestanden,
Seitdem sie sich zum letzten Mal gesehn,
Einander vieles zu erzählen.
Rosinen Clelia: wie sie, dem ew'gen Quälen
Des alten Vormunds zu entgehn,
Und da der Geck bereits die Hochzeit zugerichtet,
In größter Eil' und Angst sich nach Salern geflüchtet,
Wie, nahe beim erwünschten Port',
Ein Sturmwind sie nach Tripoli geschmissen,
Wie sie in Sklaverei gerathen, und so fort;
Kurz, sie erzählten sich, mit untermischten Küssen,
Einander Alles, was wir wissen,
Und vieles noch, um das die Ratten uns gebracht.
Allein die Quelle aller ihrer Schmerzen
(So viel vermag die Scham in jungfräulichen Herzen!)
Des armen Guido ward mit keinem Wort gedacht;
Von Guido, dem vermeinten und dem wahren,
Ließ keine, bis der Drang sie endlich reden macht,
Nicht eine Sylbe sich entfahren.
Nun wieder in der Gärten grüne Nacht
Zurück, wo Sinibald, halb schwärmend vor Verlangen,
Sein holdes Liebchen zu umfangen,
Das hier von ihm erwartet wird,
Beim Silbermond' in Büschen irrt,
Die voller Muscusrosen hangen,
Noch zögert sie, nach der sein Herz sich sehnt,
Und, o! mit welchen lauten Schlägen,
Die seine Ungeduld in so viel Stunden dehnt,
Klopft ihr dieß Herz aus offner Brust entgegen!
Jetzt hört er endlich was sich im Gebüsche regen.
Er lauscht, er bricht hervor, vermeint,
Sie ist's, und sieht — da just der Mond die Stelle
Mit ungehemmtem Licht bescheint —
Wofern kein Geist aus Himmel oder Hölle
Sein Auge täuscht — wen sonst als Guido, seinen Freund?
"Wie? Guido? — Sinibald? von dem in sieben Jahren
Ich nichts gesehen, nichts erfahren?
So rufen im Unisono
Zu gleicher Zeit, bestürzter schier als froh,
Die beiden Freunde aus: "Nach sieben langen Jahren
Von Trennung uns auf einmal hier
Zu finden, hier!" — Wo du, gesteh' es mir,
Mich auf der ganzen Welt am wenigsten erwartet!
Spricht Guido. — In der That, erwiedert Sinibald,
Das Schicksal hat dies wunderlich gekartet!
Denn, was in diesem Rosenwald
Dich mir entgegen führt — Ist dir nicht wunderbarer,
Als mir, was dich? fällt Guido ein? — S. Doch hier,
Just hier! um diese Zeit! Dieß, ich bekenn' es dir,
Verwirrt mich. G. Freund, ein Wort macht Alles klarer:
Was führte dich hierher? S. Die Liebe! G. Dacht' ich's doch!
Die führt auch mich. S. Allein was nennst du lieben?
Nie, Guido, trug ein Mann ein edler Joch,
Nie schlug ein Herz von reinern Trieben!
Auch freilich häufte die Natur,
Die ihre Gaben sonst mit Geize
Zu theilen pflegt, noch nie in einer Creatur
So vielen Zauber auf. Und doch, beim wahren Kreuze!
Es ist ihr kleinster Werth! Ihr Geist, ihr Herz hat Reize,
Wobei was selbst, wie schön sie ist, vergißt.
G. Mir ist — doch ohne Unterbrechen —
Ich höre dich von meiner Dame sprechen.
S. — Und, vas das Sonderbarste ist,
Sechs Lenze sind bereits verblichen,
Seit unsre Zärtlichkeit sich zu Palerm entspann.
G. Just so viel Zeit ist seit dem Tag verstrichen,
Da ich das schönste Kind Siciliens gewann.
S. Ist's möglich? G. Denkst du denn, daß, seit die Welt
                       begann,
Noch nie zwei Fälle sich geglichen?
S. So höre nur, (fällt jener hastig ein)
Die Aehnlichkeit wird bald am Ende seyn.
Ich sah sie beim Altar am Sanct-Kathrinentage
Zum ersten Mal, und auf den ersten Blick
Ergab sich ihr mein Herz.
G. Von eben diesem Tage
Datirt sich auch mein Liebesglück.
Die Schöne, deren Bild ich tief im Busen trage,
Sah in der Kirche mich und (wenn ich nicht zu viel
Aus ihrem eignen Munde sage)
War mein beim ersten Blick. — Ein seltsam Würfelspiel
Des Zufalls! (spricht an wenig trocken
Herr Sinibald, nach einem kurzen Stocken,
Wiewohl der Handel ihm noch unverdächtig scheint.)
Doch, basta! höre weiter, Freund!
Ich ließ beinahe schon mir allen Muth vorgehen,
Ihr Wohnhaus, ihren Stand und Namen auszuspähen:
Als unverhofft ein günst'ger Zufall kam,
Und Alles (kurz zu seyn) die schönste Wendung nahm.
Die Zofe kam, den Puls mir zu befühlen,
Und da sie mich entschlossen fand,
So hoch als möglich war, um Amors Gunst zu spielen,
Kurz, da ich schwor, nach ihres Fräuleins Hand
Auf ehrenvolle Art zu streben,
Ward mir ein Rendez-vous im Gartensaal gegeben.
Im Gartensaal? ruft Guido. — Auf mein Wort,
Erstaunlich! — Doch verzeih' und fahre fort,
Ich bitte dich! S. Nein, Guido, erst erkläre
Dich deutlicher; was ist an diesem Gartensaal
Denn so Erstaunliches? — G. Nichts, Freund, bei meiner
                       Ehre,
Sonst nichts, als daß der Zufall abermal,
Mit dir und mir sich gleichen Spaß zu machen,
Belieben trug. — S. Ich sehe nichts zu lachen:
Sprich ernsthaft! — G. Gut! ich ward in einen Gartensaal
Um Mitternacht bestellt; ich fand das Pförtchen offen,
Ich schlich hinein, lag vor der Göttin schon
Auf meinen Knien — als, wider alles Hoffen,
Uns etwas unterbrach. Sie lief bestürzt davon,
Und mir blieb nichts, als mich zurück zu ziehen.
Ein gräßlich Licht geht Sinibalden auf;
Ein Fieber schüttelt ihn, die trüben Augen glühen:
Doch hemmt er noch mit Müh den allzu raschen Lauf
Der Leidenschaft. Nur weiter, ruft er, weiter!
Ein kleiner Brief, fährt Guido fort,
Ein alter Pantalon und eine seidne Leiter
Bracht' Alles zwischen uns gar bald
Ins Reine. — Halt'! ein Brief? (ruft hastig Sinibald,
Der nun die Wuth der eifersücht'gen Flammen
In seiner Brust nicht länger zähmen kann)
Ein jeder Umstand trifft zusammen;
Nur ihren Namen noch — nenn' ihren Namen, Mann!
G. Sprich leiser, Freund! — Mich däucht, ich höre
Ein Rauschen im Gebüsch' — Ich bin von Clelien
Hierher bestellt. — S. Bestellt? von Clelien?
Dieß ist ihr Name? G. Ja. — So setze dich zur Wehre,
Verräther! — schreit der andre wutherhitzt,
Indem sein Degen schon um Guido's Stirne blitzt.
Was Guido, seinen Grimm zu stillen,
Ihm sagen kann, ist in den Wind gesagt.
Der hat kein Ohr, den dieser Teufel plagt!
Er schreit so laut, daß man bis im Serai sein Brüllen
Vernehmen muß: "Stirb, Feiger, oder zieh'!"
Und Guido, der sich sonst zu solchem Spiele nie
So lange bitten ließ, zieht endlich wider Willen.
Sein Degen und sein kaltes Blut
Ist, während wir vom Kampfplatz wegzueilen
Genöthigt sind, trotz seines Gegners Wuth
Uns hoffentlich für alles Unglück gut.
Denn nun ist's höchste Zeit, dem Leser mitzutheilen,
Was unterdeß sich im Serai begab.
Schon lief vor Mitternacht das letzte Viertel ab,
Als aus dem Schlafgemach der hohen Zoraide
Die Basen in ihr Kämmerlein
Zurück sich zogen, herzlich müde,
Von ihrer Hoheit mehr begünstiget zu seyn,
Als zwanzig andre, die sich alle Mühe gaben,
Auch lange Weil' um diesen Preis zu haben.
Die alte Dame war vieleicht
Das beste aller Sultansherzen
Im ganzen Orient', und wenig war so leicht,
Als ihre Gunst gewinnen und — verscherzen.
Die Reihe, aus der ganzen Zahl
Der Zofen, traf die Basen dieses Mal,
In Gunst zu seyn; und weil die Fürstin viel Belieben
An Cleliens Gesang und Röschens Cither fand,
So mußten sie an ihres Sopha's Rand
In beidem sich seit manchen Nächten üben.
Sie waren übrigens, zumal um Mitternacht,
Wenn Alles schlafen soll, nicht eben scharf bewacht:
Denn die verhaßte Brut der Schwarzen war (wie billig)
Aus einem Schloß verbannt, wo Alles weiblich war,
Hingegen die Kombabenschaar
Von mildrer Farb' und Art zu allen Diensten willig.
Kurz, unsrem schwesterlichen Paar
War, aus besondrer Gunst, im Garten
Bei Nacht sich zu ergehn erlaubt.
Sie hatten dieser Lust zwar selten sich beraubt,
Doch dieß Mal konnten sie die Stunde kaum erwarten.
Kaum war der Dienst im Schlafgemach vollbracht,
Und beide kaum ins ihrige getreten,
So spricht zu Clelien Rosine: Gute Nacht,
Mein Schwesterchen, ich seh, du hast des Schlafs vonnöthen.
Nicht sonderlich, mein Engel; aber du
(Spricht jene) sehnest dich vermuthlich sehr nach Ruh.
So schläfrig sah ich dich nie bei der Fürstin spielen;
Du daurtest mich, mein Schatz; die Augendeckel fielen
Dir ja bei jedem Griffe zu.
R. Nun wirklich, wenn du dieß gesehen,
So gabst du besser, als ich selber, auf mich Acht,
Vielleicht hat's auch die Hitze nur gemacht;
Denn, wirklich, Clelie, zum Schlafengehen
Ist's heute mächtig warm. —
Im Park wird's kühler seyn:
Willst du? — versetzt mit einer Miene,
Als wünschte sie ein rundes Nein,
Die schlaue Clelia. — Du zauderst? — Gut, Rosine,
Genire ja dich nicht, ich gehe gern' allein.
Sie geht, und Röschen, halb verdrossen, halb mit Lächeln,
Hängt sich an ihren Arm. Sie irren dichtend, stumm
Und schneckenhaft im Garten lang' herum.
Rosine, die kaum Luft genug sich zuzufächeln
Vermag, denkt bei sich selbst: In aller Welt, warum
Seufzt Clelie so oft? und diese denkt von jener
Das Nämliche. — Ich hielt die Nacht für schöner,
Fängt endlich Clelie an. Ich auch, tönt Röschen nach;
Und mit dem Tone, wie sie's sprach,
Schien jede mehr, als was sie sagte, sagen
Zu wollen, aber selbst dieß Wollen kaum zu wagen.
Sie blicken sich verstohlen an,
Und gleich, aus Furcht, ertappt zu werden,
Sinkt der verschämte Blick zur Erden,
Und immer wird der Mund zum — Schweigen aufgethan.
Auf einmal bleiben sie im Gehen
An einer Stelle, wo des Mondes blasses Licht
Ein hoher Baum verschlingt, wie unfreiwillig, stehen,
Und wie sie beide ins Gesicht
Sich schauen, öffnen sich die Arme, beide fallen
Einander um den Hals; ein Strom von Thränen bricht,
Indem mit vollem Ueberwallen
Ihr Busen sich an Cleliens Busen drängt,
Aus Röschens Aug' hervor, und Herz und Lippen sprengt
Die Allmacht des Gefühls. Sie läßt die Arme fallen,
Blickt Clelien ins Aug' und — Kannst du mir verzeihn?
Zu lange hat die Furcht vor deinen Spötterein
Der Freundschaft Recht in meiner Brust bestritten:
Vergib mir, Clelie! — Cl. Ich, Engel, dir verzeihn?
Ruft jene: hab' ich nicht das Nämliche zu bitten?
Vergib du mir! Mein Kind, ich seh', uns beide preßt,
Was länger sich nicht mehr verbergen läßt.
R. Ja, Freundin! Schwester! schilt mich, nur verachte
Dein Röschen nicht! — Warum verbarg ich's dir?
Der theure Mann, für den ich schmachte,
Der auch um mich nun sieben Jahre schier,
Im Elend irrend, fern von mir,
Geschmachtet hat, der — (lispelt sie ihr sachte
Und feuerroth ins Ohr) o Clelie! er ist hier
Und wartet mein nicht weit von dieser Stätte!
Cl. Ein ähnliches Geständniß hätt' ich schier
In letzter Nacht auf unserm Ruhebette,
(Wenn falsche Scham mir nicht den Mund verschlossen hätte)
Mein bestes Röschen, dir gethan.
Es schwebte mir beständig auf den Lippen.
Nun, da ich's los bin, ist's, als wög' es keinen Gran,
Was kaum zuvor mir centnerschwer die Rippen
Zusammen bog. Komm', setz dich und hör' an.
Sechs Jahre waren's jüngst am Sanct Kathrinentage,
Seit deine Clelie ihr Herz, ich weiß nicht wie,
An einen Mann verlor — von dem ich dir nichts sage;
Du wirst ihn sehn! — Gewiß war's Sympathie,
Was ihn und mich frühmorgens in die Mette
Zu Sankt Kathrinen zog; und nach so manchem Jahr
Ist mir's, als ob ich ihn, so wie er beim Altar,
Schön wie ein Gabriel, im lang gelockten Haar
Am zweiten Pfeiler stand, ganz in den Augen hätte.
Bei diesem Anfang fährt's Rosinen kalt wie Schnee
Durchs Rückenmark; doch rafft sie sich zusammen,
Und Clelia, die nichts von ihrem Weh
Bemerkte, fähret fort: Der Anfang unsrer Flammen
Versprach uns reines Wechselglück;
Allein auf kurzen Sonnenblick
Erfolgte langer Sturm. Er ward von meiner Seite
Gerissen: ich, sechs Jahre lang die Beute
Des feindlichsten Gestirns, blieb ohne Schutz und Stob,
Und jede Hoffnung starb allmählich in mir ab.
Nun denke dir, was ich empfunden,
Als Laura gestern mir die erste Botschaft gab,
Er lebe noch, er sey gefunden,
Sey in Damask, sey wieder frei,
Sey meinem Angedenken treu.
Du weißt, ich bin im Wünschen und im Lieben
Ein wenig warm, und eine ganze Welt
Hätt' ich dafür getauscht, das Glück nicht aufzuschieben,
Das mich erwartet. Komm! Mein Guido ist bestellt.
Auch dein Geliebter, sagst du, harret
An diesem Ort auf dich —Komm, lass' uns nicht verziehn!
Dein Guido? ruft erstaunt und halb erstarret
Rosine aus — und du erblicktest ihn
Zum ersten Mal' in Sanct Kathrinens Mette? —
Sahst ihn am Pfeiler stehn?
Und Guido nennt er sich, er, dessen Wiedersehn
Dich wonnetrunken macht? — O, laß mich, laß mich gehn!
O, daß ich nicht bis jetzt geathmet hätte!
Was brauch' ich mehr zu hören und zu sehn?
Wir sind getäuscht, betrogen, alle beide!
Was ist dir, Kind? ruft Clelia bestürzt,
Was that in aller Welt sein Name dir zu Leide?
R. Wir sind betrogen alle beide!
Er hat sich bloß die Zeit mit uns gekürzt,
Hat bloß sein Spiel mit dir und mir getrieben:
Mit einem Wort' —es ist — o, würd' ich gleich zum Stein'!
O, sänk' ich in den Grund hinein!
Es ist — ein Guido, den wir lieben!
Cl. Weg mit dem Zweifel, Kind! trifft gleich der Name ein,
Wie könnten's drum nicht zwei verschiedne Guido's seyn?
Ist je was Alberners, sich selber zu betrügen,
In eines Mädchens Kopf gestiegen?
Komm — fasse dich — sey klug!
                       R. Ach! könnt' ich mich betrügen!
Wär's nur der Name bloß! Doch Zeit und Ort, sogar
Der Pfeiler, wo er stand, macht Alles nur zu klar!
Der Augenschein soll uns Gewißheit geben,
Spricht jene — Komm'! — Und aus dem Park' hervor
Trifft mit dem letzten Wort des Zweikampfs Lärm, der eben
Im Ausbruch war, auf ihr erschrocknes Ohr
Und heißt sie schnell die Fersen heben.
Sie unterscheiden halb zwei Stimmen im Geschrei
Des wilden Sinibalds, und glauben sie zu kennen.
Ihr Heil'gen alle, steht uns bei,
Schreit Röschen auf — und beide rennen
Wie sinnlos durchs Gebüsch, die Kämpfenden zu trennen.
Der Mond schien eben hell genug,
Auf dreißig Schritte schon in ihrem raschen Flug
Die holden Nymphen zu erkennen.
Erstaunt, verwirrt, fährt Sinibald zurück,
Aus Guido's Hand entfällt der blanke Degen,
Noch ungefärbt zu gutem Glück'!
Und alle vier, durch einen einz'gen Blick
Verständigt, fliegen sich mit offnem Arm' entgegen,
Dem Guido Clelia, Rosinen Sinibald.
Ihr Jubel füllt den ganzen Rosenwald
Und wird bis im Serai vernommen:
Und, da nun auch Laurette und Frau Clar',
Zu sehn, was Schuld an diesem Lärmen war,
Schier athemlos herbei gesprungen kommen;
So löset sich der völlige Verlauf
Der Sache ganz natürlich auf.
Ihr wißt, es pflegt gewöhnlich so zu gehen,
Wenn wir den Wundern nur recht in die Augen sehen.
—————

Zehntes Buch.

In dieser allgemeinen Lust
Des Wiedersehns, zerschmelzend in Entzücken
Und unermüdlich, Brust an Brust
Und Arm in Arme, sich zu herzen und zu drücken,
Wird von dem guten Doppelpaar
Der einz'ge Umstand nicht ermessen,
Daß von dem Wonnefest, worin sie sich vergessen,
Die Scene zu Damask, nicht zu Palermo, war.
Ein Heer von Hämmlingen mit Schwertern und mit Stangen,
Von dem sie ringsum sich umfangen
Und plötzlich überwältigt sahn,
Erinnert sie nur gar zu bald daran.
Es fiel den Rittern hart, sich wehrlos zu ergeben:
Doch, unbewehrt und übermannt,
Was gibt der Mensch nicht um sein Leben?
Das gute Herz der Fürstin war bekannt:
"Sie wird des Mitgefühls sich nicht enthalten können
Und, wenn sie Alles ihr gestehn,
Gerührt von ihrer Noth, erweicht von ihrem Flehn,
Sie nicht zum zweiten Male trennen!"
Es lage nur an uns, wie jeder Leser sieht,
So möchten sie sich sehr betrogen haben können,
Allein wir haben selbst ein zärtliches Gemüth
Und mögen gern (wer will, kann unsrer Schwachheit lachen!)
Die Leute, wenigstens in Versen, glücklich machen.
In Prosa, freilich, geht's so leicht nicht immer an!
Die Fürstin also that, was die verliebten Seelen
Zu ihrer Güte sich versahn,
Und that noch mehr. Sie ließ, was jedes zum Roman
Von Anfang beigesteu'rt, gelitten und gethan,
Sich Alles haarklein vorerzählen
Und hatte große Freude dran.
Sie will sogar, es soll bis auf die Nachwelt bleiben,
Und ließ es in ein Buch mit goldnen Lettern schreiben,
Das man auf diesen Tag im Schatz zu Jspahan
(Setzt unser Mönch hinzu) vielleicht noch sehen kann.
"Das Schicksal, spricht die Frau, indem es Zoraiden
Zu eurem Richter macht, hat euer Glück entschieden;
Das Wie? soll meine Sorge seyn.
Von Stund' an bis zum Abschiedsfeste
Betrachtet euch als meine Gäste."
Ein Jeder bildet leicht sich ein,
Welch eine freudentrunkne Scene
Auf dieses Wort erfolgt, we Alles glücklich ist,
Sich ihr zu Füßen wirft, ihr Rock und Hand zerküßt,
Und, statt des Danks, nur abgebrochne Töne
Ihr stammeln kann. Es war recht schön zu sehn,
Und selbst der Königin trat eine Freudenthräne
Dabei ins Aug' und macht es doppelt schön.
Nun (um euch nicht mit warmen oder kalten
Abschilderungen von Dingen aufzuhalten,
Die immer sich von selbst verstehn)
Nehmt, wenn ihr wollt, das Alles sey geschehn.
Denkt euch die Glücklichen, zur Reise wohl versehn
Und mehr als königlich beschenkt von Zoraiden,
Wie im Triumph zu Schiffe gehn.
Schon fliegen sie im Reich der Nereiden
Lepanto zu, wohin vorerst ihr Lauf
Gerichtet ist. Ihr setzt die Stängen auf,
Und (ungeduldiger, als sie es selber waren,
Sie angelangt zu sehn) laßt ihr mit gutem Wind
Bei Negropont sie schon vorüber fahren.
Doch, wenn ihr glaubt, daß wir am Ende sind,
So habt ihr falsch gerechnet, liebe Leute.
Ihr seht die schwarze Wolke nicht,
Die, leider! dort sich an der Nordwestseite
Des Horizontes zeigt und wenig Trost verspricht!
Der wackre Sacristan, dem wir, bekannter Dingen,
Verpflichtet sind, dieß Alles nachzusingen,
Ist überzeugt, der Sturm, der uns bedräut,
Sey (ohne Widerspruch) Asmodi's Werk gewesen.
Er hatte, spricht er, schon so manche Fährlichkeit
Auf unsre Liebenden gehäuft und sie zum Bösen
So vielmal schon versucht, daß beides (wie er nun
Besorgen muß) umsonst gethan zu haben
Ihn wüthend macht. Er will nicht eher ruhn,
(Und schwört's beim großen feur'gen Raben,
Auf dem Beelzebub zu Sanct Walpurgis Nacht
Zum Blocksberg fliegt) bis er's dahin gebracht,
Sie alle, sammt dem Schiff', im Abgrund zu begraben!
Der Sturm, der jetzt auf einmal sich erhob,
War seines Meisters werth, sagt unser Mönch. Der Teufel
(Gott schirm uns!) konnt' allein so grob
Zu Werke gehn, daran ist gar kein Zweifel.
Die Heiden selbst entsetzten sich darob,
Die doch so manchen Sturm gesehen;
Er wüthete, als sey die ganze Hölle los,
Und Alles glaubt, die Welt wird untergehen.
Zersplittert waren schon die Masten klein und groß,
Die Anker alle abgerissen,
Der Boden leck, der Bug vom Blitz geschlissen.
Die Heiden schrieen laut zu ihrem Baffomet,
Das Christenvolk zu Gott und seiner lieben Mutter:
Doch Alle sahn bereits ihr Bett'
Im Ocean und sich der Stachelrochen Futter.
Rosine nur, in einem Winkel, liegt
Auf ihren Knien, von Kleinmuth unbesiegt,
Und betet still zu Sanct Kathrinen.
Und Sanct Kathrine hört Rosinen,
Schaut aus der Himmelsburg mit mildem Blick' herab
Und schickt, um ihr Vertrauen zu verdienen,
Zu ihrer Rettung stracks den großen Christoph ab.
Zu Trümmern geht das Schiff, zu Grunde gehn die Heiden,
Und selbst die Unsrigen bereiten sich zum Schaden:
Doch sie, zu deren Schutz Sanct Christoph sich geschürzt,
Zu tödten, wird Asmodi's Arm verkürzt;
Schnell, wie der feurigste Gedanke,
Wird er gefaßt und in den Pfuhl gestürzt
Die Unsrigen, auf seiner eignen Planke
Ein jedes, lebend zwar, doch kalt und ohne Sinn,
Treibt sanft die schnell bezähmte Welle
An eine niedre Uferstelle
Von einem nahen Eiland hin.
Das Eiland war ein Fels, ringsum, doch ziemlich dünn,
Mit lockerm Grund verbrämt, im Felsen eine Zelle,
Wo Bruder Paul, ein guter Eremit,
Wohl in der winzigsten Capelle
Der ganzen Christenheit, der heil'gen Petronelle
Gewidmet, wie er kann, den Gottesdienst versieht.
Zu seinem eignen Dienst springt eine frische Quelle
Nicht weit davon; und um die Zelle blüht
Ein kleiner selbst gebauter Garten,
Der, wenn des Tages Fleiß die Eßlust aufgeweckt,
Mit Schoten, Kohl unb Wurzeln aller Arten
Der Gnügsamkeit wollüst'ge Tafel deckt.
Zuweilen schießt auch wohl, im stillen Busch versteckt,
Sein Neffe, der die Wirthschaft hilft berathen,
Mit seinem Blaserohr' ihm einen Sonntagsbraten.
Wie Alles dieß mit Sanct Kathrinens Plan
Zusammen hing, und wie die beiden Eremiten
Für unsrer Liebendem Erhaltung sich bemühten,
Das reihet nun selbst sich Eins ans Andre an.
Wir hätten wenig in der Seherkunst gethan,
Wenn wir es nicht auf einen Blick erriethen.
Natürlich mußte hier (wie überall) das Beste
Der Himmel thun, sagt unser Sacristan.
Die Clausner, die in ihrem Felsenneste
So eines Funds sich wahrlich nicht versahn,
Sind über ihre schönen Gäste
Vor Freuden außer sich. Die Gäste haben zwar
Ihr reich beladnes Schiff verloren:
Allein was gibt der Mensch nicht gern für Haut und Haar?
Aus solcher Noth so wunderbar
Erhalten, setzen sie sich nun wie neu geboren
Und, gleich dem erstes Menschenpaar,
In diesem Paradies (für ihr Palerm verloren)
Zu Pflanzern einer neuen Schaar
Von Dienern Gottes auserkoren.
"Von ungefähr ist's nicht geschehn,
Spricht Paul der Eremit, ihr Lieben,
Daß auf dieß Eiland euch der Sturm uns zugetrieben!
Und, daß wir an der Zahl uns just vier Paare sehn,
Steht ganz gewiß im Lehrbuch geschrieben!
Von ungefähr ist's nicht geschehn;
Mein wackrer Neffe und Laurette
Erkennen, wie ihr seht, gehorsam den Beruf,
Wozu der liebe Gott die Menschen zweifach schuf.
Was kann man bessres thun in ihren grünen Jahren?
Ich selbst erkläre mich, wofern zu einem Mann
Mit langem Bart und halb bereiften Haaren
Frau Clare sich entschließen kann,
Daß ich ins siebente der heil'gen Sacramente
Ganz willig mit ihr treten könnte.
Ich bin ein Priester zwar, doch hindert das die Kron'
Auf meiner Scheitel nicht; und, statt nach Rom zu laufen
Und die Erlaubniß dort Sanct Peters abzukaufen,
Gibt mir Gott Vater selbst die Dispensation.
Non bonum est, spricht er mit dürren Worten,
Es ist dem Mann nicht gut, allein zu seyn
Und sein Geschlecht im Keime zu ermorden;
Um nicht zu brennen, sollt ihr frein!
Und sagten gleich die Patres alle Nein:
Der liebe Gott, der uns, (trotz ihren Schlüssen)
So wie wir sind, gemacht, muß das am besten wissen!"
So sprach der alte Paul, und, schweigend oder laut,
Erkläret sich die winzigste Gemeine
Der Christenheit, daß sie es auch so meine.
Das ganze Volk, das nun dieß neue Eden baut,
Wird, vierfach, noch in dieser Nacht getraut:
Damit der nächste Tag, wenn er herunter schaut,
Auf lauter Glückliche in dieser Insel scheine.
Die große Meisterin der Tugend und der Kunst,
Die Noth, ergießet nun die Früchte ihrer Gunst
Auf unsre edeln Müssiggänger.
Dem ältesten Naturgebot
Gehorsam, essen sie mit Schweiß errungnes Brod;
Dafür macht auch ein reicher Fliegenfänger
Bei seiner Sultanskost nicht halb so frisches Blut.
Die Lieb' entflammt im Manne Heldenglut,
Das Möglichste zu thun, das Aeußerste zu wagen;
Die Liebe gibt dem sanften Weibe Muth,
Was Männer schauern macht, mit Lächeln zu ertragen.
Vollkommnes Glück ist nicht der Menschheit Loos.
Du gabst es uns, Natur, wenn wir's zu tragen wüßten!
Dein weisestes Gesetz ist: "Laß dich nicht gelüsten!"
Zufrieden liegt in deinem Mutterschooß
Der gute Mensch, vergnügt mit seinem Loos;
Stets glücklicher durch mitgetheilte Freude,
Getroster stets bei mitgefühltem Leide.
Nach diesem Maße war vielleicht von einem Pol
Zum andern keinem Volk' in seiner Haut so wohl,
Als unserm — (Nenne doch, o Muse,
Den Sitz der kleinen Colonie,
Die hier so glücklich war und selbst nicht wußte wie?)
Als unserm Volk — auf Lampeduse.
Rosinen, der die Schuld an ihre Schützerin
Stets schwerer auf dem Herzen lieget,
Seit sie auf ihrem Schooß ein klein Kathrinchen wieget,
Der frommen Seele fällt's auf einmal in den Sinn,
Zur guten heil'gen Petronellen,
Die ziemlich schlecht aus weichem Holz gedreht,
Auf dem Altar des kleinen Kirchleins steht,
Die heilige Kathrine zu gesellen.
Was wird ein Mann nicht seiner Frau zu Lieb?
Herr Sinibald, der schon den Tischler und den Schlösser
Zu machen lernte, greift, von angebornem Trieb
Gelehrt, sogleich mit Art unb Messer
Das Kunstwerk an; er zimmert, schnitzt und bohnt
Treufleißig, Tag und Nacht, mit manchem Kuß belont.
In Kurzem steht es da, vollendet, und — Rosinen
Wie aus dem Aug' heraus geschnitzt;
Doch, mit dem Krönchen, das ihr auf der Scheitel sitzt,
Und mit dem Schwerte, Sanct Kathrinen,
Wie sie mit ihrer Jungfraun-Schaar
Dem Fräulein einst im Traum' erschienen war,
So gleich, als hätte sie ihm in Person gesessen.
Ihr Namensfest erschien indessen,
Und, während ohne Rast die kleine Glocke schellt,
Wird sie der heiligen Petronelle
(Die ohne Neid die Oberstelle
Der Fremden überläßt) zur Rechten aufgestellt;
Rosine legt den angelobten Schleier
(Von einem Engel, wie man glaubt,
Gerettet aus dem Sturm) um ihrer Heil'gen Haupt;
Kniet betend dann vor ihr, in stiller Feier,
Bis die Versicherung, die Schuld sey nun bezahlt,
Ein Gnadenblick ihr in die Seele strahlt.
Mit seiner besten Festtagskrause
Der Heiligen zu Ehren angethan,
Stimmt Vater Paul ein laut Te Deum an;
Das glaub'ge Völkchen eilt nach Hause,
Und Alles endet sich mit einem frohen Schmause.
Ein Gleiches (ruft zum Schluß der gute Sacristan)
Woll' uns der liebe Gott mit allen Frommen geben,
Hier in der Zeit und dort im ew'gen Leben!

Anmerkungen.

Das Wintermährchen.

Prolog.

S. 3. Z. 2. Dirnazade ist die Schwester, der aus Tausend und Einer Nacht berühmten Sultanin Scheherezade (s. d. Anm. z. goldenen Spiegel Bd. 1.) Ma soeur dormez-vous? Si vous ne dormez pas, faites-nous un conte, ist die gewöhnliche Einleitung, welche sie zu einer neuen Erzählung macht. Wieland benutzt hier diese Worte zu einem scherzenden Eingange.

Erster Theil.

Der Fischer und der Geist.S. 9. Z. 3. Eblis — S. die Anm. z. goldenen Spiegel Bd. 2.S. 9. Z. 7-14. Salomons Siegel — Unter den unzähligen Dingen, deren man sich zur Zauberei bediente, waren auch Ringe und Siegel. In Herpentils schwarzer Magie findet man Abbildungen der geheimen Siegel der sieben vorzüglichsten himmlischen Großwürdenträger, deren Kenntniß bei der Beschwörung derselben unerläßlich war. Keinem von allen diesen Siegeln aber wurde so viel Kraft zugeschrieben als dem Salomonischen. Nach den Sagen der Mahomedaner war selbst seine Regierung an den Besitz seines Siegelrings gebunden; denn, als einst ein böser Geist sich desselben bemächtigt hatte, regierte dieser, und den Salomon erkannte Niemand, so daß er Almosen betteln mußte, bis er wieder in den Besitz seines Ringes gekommen war. Dem Koran zufolge war dem Salomon der Wind unterthan, welcher wehte, wohin er gebot, und böse Geister waren ihm unterthan, einige frei, in Baukunst und Perlenfischerei geübt, andre gefesselt (Sure 37). Auch dieß brachte man mit seinem Siegelringe in Verbindung, dem man die gewaltigsten magischen Wirkungen zuschrieb. Durch ihn gebot er den Geistern, und was er damit versiegelt hatte, das vermochte auch der mächtigste Geist nicht zu lösen. Eine Beschwörung bei diesem Siegelringe war von nicht minder kräftiger Wirkung. Selbst der unter gewissen Ceremonien nachgemachte Zauberring Salomons war von großer Kraft. Durch ihn vertrieb man Krankheiten, beschwor Geister, schaffte verlorne Sachen wieder, erregte und vertilgte Liebe u. s. w S. Mohamed Ala-Meli Kostbarkeiten der Erkenntniß zum Schmuck der Augen.S. 12. Z. 9. Divan, hier Staatsrath.S. 12. Z. 18. Bahams —Von dem Dichter erdichtete Goldstücke.

Zweiter Theil. Der König der schwarzen Inseln.

S. 27. Z. 20. Quam ob rem — Das Warum, der Grund.S. 29. Z. 28. Esel bohren — Man pflegte denen, die man verspotten wollte, Eselsohren hinter dem Rücken pantomimisch mit den Fingern über der Stirn zu machen. S. Pers. Sat. 1, 59. Von der wandelnden Bewegung, die man dabei mit den Fingern machte, kommt vielleicht der deutsche Ausdruck bohren, der jedoch auch bedeuten könnte: zum Durchbruch bringen —In Frisch's Wörterbuch findet sich: Einem den Esel stechen, d. i. einem die zwei Finger, nämlich den Zeigefinger und den kleinen Finger steif entgegen halten, da die zwei mittlern einwärts gebogen; pugnum alicui monstrare, indice et auriculari extensis; manu auriculas aselli monstrare alicui.S. 32. Z. 20. Ecce-Homo-Bild — So nennt man gewöhnlich die Darstellung, wie Christus nach der Geißelung mit Dornenkrone und Purpurmantel von Pilatus dem Volke vorgeführt wird, und dieser ausruft: Sehet, welch ein Mensch! (Joh. 19.) Man hat dergleichen Darstellungen von vielen Künstlern, die aber mehr den von schrecklicher Mißhandlung gebeugten, als den auch in dieser Lage noch erhabnen Christus zeigen.S. 40. Z. 3. Der Gambia — Fluß, der das afrikanische Königreich Gambia in Nigritien durchströmt.

Das Sommermährchen.

Erster Theil.

(Nach einem Fabliau des Chretien de Troyes.)S. 59. Z. 28. Magd — Magidin, Mädchen.S. 62. Z. 7. Zog damals auf der Fahr — War auf Abenteuer ausgezogen.S. 63. Z. 5. Skies — Im Tarokspiel eine Karte, aus welcher man alles Beliebige machen kann.S. 64, Z. 14. A bottle o'wine — Eine Flasche Wein.S. 65. Z. 26. Wie Bruder L. — Der Reim schon giebt es, daß hier von einem Lenz die Rede seyn muß, und es ist kein Zweifel, daß Wieland den Verfasser des Hofmeisters, des neuen Menoza und einiger anderen Schauspiele meinte, von welchem Göthe in seinem Leben (Th. 3. S. 115. S. 374.) die treffendsten Schilderungen mitgetheilt hat. "Er hatte, heißt es, einen entschiedenen Hang zur Intrigue, und zwar zur Intrigue an sich, ohne daß er eigentliche Zwecke, verständige, selbstische, erreichbare Zwecke dabei gehabt hätte; vielmehr pflegte er sich immer etwas Fratzenhaftes vorzusetzen, und eben deßwegen diente es ihm zur beständigen Unterhaltung. Auf diese Weise war er Zeitlebens ein Schelm in der Einbildung, seine Liebe wie sein Haß waren imaginär, mit seinen Vorstellungen und Gefühlen verfuhr er willkürlich, damit er immerfort etwas zu thun haben möchte. Durch die verkehrtesten Mittel suchte er seinen Neigungen und Abneigungen Realität zu geben und vernichtete sein Werk immer wieder selbst; und so hat er Niemandem, den er liebte, jemals genützt, Niemandem, den er haßte, jemals geschadet, und im Ganzen schien er nur zu sündigen, um sich strafen, nur zu intriguiren, um eine neue Fabel auf eine alte pfropfen zu können." Wieland, der mit Lenzen, während dessen Aufenthaltes zu Weimar, um die Zeit, wo dieses Gedicht erschien, in manche unangenehme Berührung gekommen war, behielt Zeitlebens eine Abneigung gegen ihn und seine — mannigfaltig belegte —Impertinenz. —Bruder Lenz wird er hier nicht ohne Empfindlichkeit genannt; ich habe jedoch den Grund hievon anzugeben keine Neigung.S. 67. Z. 8. Tympanum —Trommelfell.S. 67. Z. 25. Cardigan — Landschaft und Stadt in Wales, in England, eine der Städte des Königs Artus.S. 68. Z. 4. Testirt mentaliter — Macht im Geiste sein Testament .S. 71. Z. 28. Bearn und Navarre —Landschaften Frankreichs, die an Spanien gränzen, die Erbländer Heinrichs IV., ehe er König von Frankreich wurde.S. 75 Z. 5. Gasconnirte — übertrieb, prahlte. Die Gascogner sind in Frankreich deßhalb berüchtigt.

Zweiter Theil.

S. 79. Z. 5. Mahomeds berühmtes Maul — Borak, Al Borak, hieß dieß wunderbare Thier, das so weiß wie Milch war, das Gesicht eines Menschen und Backen eines Pferdes hatte. Seine Augen leuchteten wie Sterne; es hatte zwei Adlerflügel und konnte sich schnell wie der Blitz von einem Orte zum andern bewegen. Als Mahomed es besteigen wollte, schlug es vorn und hinten aus; der Engel Gabriel aber besänftigte es und Mahomed ritt auf ihm in einer Nacht von Mekka nach Jerusalem.S. 83. Z. 22. Enakssohn — Ein Riese; von den Enakim der Bibel. 4. B. Mos. 13, 34.S. 83. Z. 25. Pfalz, von palatium, Palast, Schloß, Burg.S. 86. Z. 6. Schaumigrem, vielleicht irgendwo ein ungebärdiger Riese oder ein provincielles Wort und wohl so viel als Jsegrim.
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Geron der Adelige.

S. 111. Z. 1. 2. Artus vor seiner Burg zu Cramalot — Ueber den fabelhaften britischen König Artus oder Arthur und seine berühmte Tafelrunde. Bemerken wir hier nur, daß die Ritterdichter diesem Artus vier Städte geben, bei denen gewöhnlich die Abenteuer beginnen. Caramalot (Cramalot, wo die runde Tafel selbst war, Cariton, Caradigan (Cardigan) und Carduel. Wer über das Personale der runden Tafel Auskunft verlangt, der sehe in Vul. on de la Colombière Thèâtre d'honneur et de chévalerie T. 1.S. 113. Z. 6. Erbidmete, erzitterte, von dem alten Worte Bidmen, zittern, sich fürchten.S. 115. Z. 5. Schimpf — In der alten Bedeutung für Scherz.